Süddeutsche Zeitung

Grimme-Preis:Für eine "demokratisch gelassene Mediengesellschaft"

  • Nach der Debatte um sein umstrittenes Erdoğan-Gedicht, blieb Jan Böhmermann der Verleihung des Grimme-Preises am Freitag fern.
  • Zusätzlich zum Grimme-Preis erhielt Böhmermann auch noch die "Besondere Ehrung" des Deutschen Volkshochschul-Verbands für "seine Verdienste um die Entwicklung des Fernsehens in der digitalen Welt".

Der Star des Abends war nicht da, doch sorgte seine Absage bei der Gala zur Verleihung der Grimme-Fernsehpreise am Freitagabend im westfälischen Marl Gesprächsstoff. Zum Schluss setzte der Deutsche Volkshochschul-Verband als Stifter der Grimme-Preise dann noch einen drauf: Jan Böhmermann bekam auch noch die "Besondere Ehrung" - für seine Verdienste um die Entwicklung des Fernsehens in der digitalen Welt.

Kramp-Karrenbauer: "Deshalb ist diese Ehrung verdient"

Obwohl bereits im November entschieden, hatten Grimme & Co. es geschafft, ihre Wahl bis zum Ende der Gala geheim zu halten. Dass die Bekanntgabe nun mit der Debatte um das umstrittene Erdoğan-Gedicht zusammenfiel, war Zufall. "Dieses Gedicht hat sicherlich die Grenzen des guten Geschmacks verletzt und ist sicher alles andere als Grimme-Preis würdig", sagte DVV-Präsidentin und Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU). Es ändere aber nichts an Böhmermanns Leistungen "für eine offene und mutige, auch für eine demokratisch gelassene Mediengesellschaft." Deshalb sei diese Ehrung verdient.

Böhmermann und sein Team nahmen sie ebensowenig persönlich in Empfang wie den Grimme-Preis für seine Satire über den Mittelfinger des griechischen Ex-Finanzministers Gianis Varoufakis. Am Freitagmorgen hatte er auf seiner Facebook-Seite gepostet: "Ich fühle mich erschüttert in allem, an das ich je geglaubt habe. Mein Team von der Bildundtonfabrik und ich bitten um Verständnis, dass wir heute Abend nicht in Marl feiern können." Bis zuletzt war spekuliert worden, ob er nicht doch noch kommt. Am Ende kam er nicht. Seine Absage war kein Fake.

Die privaten Sender waren diesmal stark

Und die anderen Preisträger? Ließen sich im Theater Marl feiern und von der Debatte um Böhmermann nur wenig ablenken - auch dank der zügigen und launigen Moderation von Jörg Thadeusz. Zwar bekamen die Öffentlich-Rechtlichen wieder die meisten Auszeichnungen, doch die Privaten waren diesmal stark. Als vorbildliches Fernsehen im vergangenen Jahr lobte das Grimme-Institut etwa die Vox-Produktion "Der Club der roten Bänder" (Vox), in dem es um an Krebs erkrankte Jugendliche geht. Dass die Umsetzung des schwierigen Stoffes beim Publikum gut ankam, bewiesen zahlreiche Fans am roten Teppich. Eine Facebook-Fangruppe hatte sogar ein Plakat gestaltet. Geduldigt schrieben die jugendlichen Schauspieler Autogramme. Im Herbst soll die zweite Staffel starten.

Das ZDF erhielt einen "Grimme" für "Patong Girl", die Geschichte um einen transsexuellen thailändischen "Ladyboy", gespielt von der thailändischen Schauspielerin Aisawanya Areyawattana. Die Mimin ist auch im echten Leben ein "Ladyboy". Für die deutsch-finnische Regisseurin Susanna Salonen ist der Film ihr "Sprung zum Spielfilm". Bislang hatte sie vor allem Dokumentarfilme gedreht. Die Grimme-Jury lobte, dass sie in ihrem Spielfilm sämtliche homophoben Klischees vermieden habe. Der zum ersten Mal vergebene Innovationspreis in der Unterhaltung ging an "Streetphilosophy" (RBB/Arte). Das Format setzt die Thesen großer Philosophen der Realität aus, spürt etwa im Gespräch mit einem Berliner Kurierfahrer dem Begriff der Freiheit nach.

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