Gottschalk wechselt ins Erste:Late Light

Nachdem Thomas Gottschalk seinen Rückzug von "Wetten, dass..?" verkündet hatte, bot ihm das ZDF ein Rundum-sorglos-Paket in der Primetime an. Die ARD lockte ihn mit einer täglichen Sendung vor der "Tagesschau". Nun hat sich Gottschalk für den schwierigeren Sendeplatz entschieden.

Christopher Keil

Wenn man ihn in Malibu besuchen würde, könnte der Eindruck entstehen, er habe es, völlig unbemerkt von den grauen Herren und mit Hilfe von Momo, tatsächlich geschafft, Zeit zu sparen. Sein Anwesen an der Pazifikküste, das eine Mühle schmückt, kommt einem vor wie ein vergessener Ort zwischen Canyon und Meer. Man vergisst die Zeit. Thomas Gottschalk, 61, der immer noch irgendwie Blonde, hat das Talent, im Jetzt zu leben. Er weiß, dass man Zeit nicht sparen kann, eher schon Geld.

'Mr. Wetten, dass..?' wird 60

Thomas Gottschalk: "Es gibt ja Gott sei Dank neben Politik, Seuchen und Finanzkrisen auch noch den ganz normalen täglichen Wahnsinn. Für den bin ich in Zukunft zuständig."

(Foto: ddp)

Seit er beschloss, am Jahresende bei "Wetten, dass...?" aufzuhören, hat er sich nicht mit Momo, aber mit seiner Frau Thea beraten. Zwei Angebote lagen ihm vor, es geht um seinen wohl letzten großen Vertrag als Fernseh-Entertainer: Das ZDF will ihn mit "sechs oder mehr" Prime-Time-Shows versorgen, "eine Art Rundum-Sorglos-Paket", wie ein Manager des Zweiten neulich formulierte. Die ARD hielt mit einer halbstündigen täglichen Wochentagssendung vor der Tagesschau dagegen.

Nun hat Gottschalk sich entschieden, von 2012 an für das Erste zu arbeiten. An diesem Freitag gab es offenbar ein letztes klärendes Gespräch zwischen Gottschalk und WDR-Intendantin Monika Piel. Sie vor allem hatte den Wechsel zuletzt durchgesetzt, mit der prominenten Personalie schmückt sie bereits jetzt ihre Zeit als ARD-Vorsitzende.

Schon vor sechs bis acht Wochen soll Gottschalk der öffentlich-rechtlichen Managerin in die Hand versprochen haben, das "Zweite" zu verlassen. Unklar ist bisher noch, wann Gottschalk im "Ersten" anfängt. Bis Mitte 2012 ist er eigentlich ans ZDF gebunden, vermutlich wird Markus Schächter ihn aber zum Jahreswechsel freigeben.

Bis dahin steht Gottschalk noch für drei Wetten, dass ..?-Sendungen in der Pflicht, seinen letzten. Auch den Jahresrückblick soll er moderieren. Allerdings kann man sich gut vorstellen, dass ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut in einem halben Jahr lieber einen Moderator einsetzt, der bleibt oder kommt als einen, der geht.

Beruhigt in den Urlaub

Bellut - der im kommenden März Intendant wird - ist seit Monaten damit beschäftigt, Gottschalks Nachfolger für "Wetten, dass ..?" zu engagieren. Die Offerte der ARD nahm er bisher äußerlich gelassen zur Kenntnis. Im Sender soll er den Eindruck vermittelt haben, vorbereitet zu sein für den Fall, dass Gottschalk das Zweite verlässt. Er fahre nun beruhigt in den Urlaub, ist aus seinem Umfeld zu erfahren.

Sein Kandidat für "Wetten, dass..?" ist augenscheinlich Hape Kerkeling, der zuletzt immer wieder mit dem ZDF Projekte entwickelte, und mit dem sich Bellut offenbar auch schon das eine oder andere Mal traf.

"Thomas Gottschalk und das ZDF waren über Jahrzehnte eine erfolgreiche Symbiose", ließ ZDF-Chef Markus Schächter an diesem Freitag verbreiten. "Wir hätten das gerne fortgesetzt. Leben bedeutet aber auch Veränderung." Für Monika Piel ist Gottschalk "eine stilprägende Persönlichkeit der deutschen Fernsehunterhaltung und eine Bereicherung für das Programm." Gottschalks Wurzeln lägen ja in der ARD, sie sei froh, "wenn er zu uns zurückkehrt".

Wenn? Piel soll den Transfer intern als kostenneutral bezeichnet haben, was sie weder dementieren noch bestätigen ließ. Weil Gottschalk, so die Hochrechnung, im Werberahmenprogramm (18 bis 20 Uhr) auftreten wird, sei mit mehr Werbeeinbuchungen zu rechnen. Der berühmte Quotenmann wäre also finanziert.

In der "Todeszone"

Eingebunden in die Gespräche mit Gottschalk war auch ARD-Programmdirektor Volker Herres. "Mit der Verleihung des Grimme-Preises an Thomas Gottschalk in diesem Jahr war diese Entwicklung natürlich angelegt", sagte Herres an diesem Freitag.

Thomas Gottschalk zu Gast bei Maybrit Illner

Thomas Gottschalk, als er ausnahmsweise einmal selbst zu Gast in einer Sendung war - im Februar 2011 im ZDF bei Maybrit Illner. In Zukunft wird der Moderator für die ARD arbeiten.

(Foto: dapd)

Die Idee, den teuren Mitarbeiter des ZDF abzuwerben, hatte vor zwei Jahren Udo Reiter, der Intendant des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR). Reiter begann wie Gottschalk beim Bayerischen Rundfunk (BR), die beiden kennen sich gut.

Reiter mag Gottschalks schnellen Humor, Gottschalk imponiert Reiters Angstfreiheit im öffentlich-rechtlichen System. Als Reiter Gottschalk in Malibu besuchte, entstand eine erste Verbindung zur ARD.

Doch wie viel Erfolg kann selbst einer wie Gottschalk auf einer Programmfläche (früher Abend) haben von Montag bis einschließlich Donnerstag, die in der Fernsehbranche gegenwärtig als "Todeszone" gilt? Dass für Gottschalk, der außer in Malibu noch in einem Schloss am Rhein residiert, die höhere Gage eine Rolle spielte, darf angenommen werden. Er ist in allem ein großzügiger Mensch - sein Lebensstil ist jedenfalls nicht kostenneutral.

Und weil er sich mit siebenstelligen Gehaltsabrechnungen auskennt, wird er wissen, wie viele davon er noch braucht, um später weiter unbeschwert die Zeit genießen zu können. Dass die ARD-Offerte das größere Risiko beinhaltet, gab er im Gespräch mit der SZ Mitte Juni zu. Doch was können außer dem finanziellen Motiv noch Argumente für den Wechsel gewesen sein?

US-Genre nach Deutschland gebracht

1982 kam Gottschalk zum ZDF, er machte sich mit "Na sowas!" bekannt, leitete nebenher bald auch die BR-Radio-Show und wurde 1987 Showmaster für "Wetten, dass ..?" 1990 kaufte ihn der damalige RTL-Boss Helmut Thoma ein, und im September 1992 zeigte er sich erstmals mit einer Late-Night-Show im TV.

Dass Gottschalk damit nicht als der Unterhaltungskünstler in Erinnerung geblieben ist, der ein US-Genre nach Deutschland brachte, hat er nicht vergessen. Late Night wird heute mit Harald Schmidt in Verbindung gebracht, und richtig daran ist, dass Schmidt Late Night kann, er hat sie populär gemacht und eine ganz eigene Klasse entwickelt.

Gottschalk kehrte 1995 zum ZDF zurück, ein Jahr zuvor hatte er "Wetten, dass..?" wieder übernommen. Nach dem schweren Unfall des Wettkandidaten Samuel Koch gab Gottschalk in diesem Februar den Rückzug von "Wetten, das...?" bekannt.

Was wird das sein, was Gottschalk in der ARD inszenieren möchte, ohne Studiopublikum, mit der Außenwelt nur über Internet (Skype, Facebook, Twitter) und Telefon verbunden? Wird das Late Light im Gegensatz zu Late Night, eine One-Man-Show am frühen Abend zwischen Soap und Börse?

Zuständig für den ganz normalen täglichen Wahnsinn

Er mache, hat er gesagt, was er am besten könne. Das müsste Unterhaltung sein. Oder einfach nur: Er vor der Kamera. Es "erinnert ein bisschen an meine Radio-Anfänge in der ARD", erklärte er an diesem Freitag. "Immerhin habe ich insgesamt mindestens zehn Jahre meines Lebens täglich vor dem Mikrofon gesessen. Der Ernst des Lebens gehört in die Tagesschau. Aber es gibt ja Gott sei Dank neben Politik, Seuchen und Finanzkrisen auch noch den ganz normalen täglichen Wahnsinn. Für den bin ich in Zukunft zuständig. Ich freue mich auf meine Tagesshow und fühle mich dieser Herausforderung durchaus gewachsen."

Redaktionell sollen der WDR und die WDR mediagroup zuständig sein. Die Produktion wurde an die Grundy Light Entertainment vergeben, das Unternehmen stellt nahezu alles her, was beim jungen Publikum gerade ankommt, also "DSDS", "Supertalent" (RTL) und "X-Faktor" (Vox). 2008 arbeitete Gottschalk bei der Musicalcastingshow des ZDF mit Grundy-Light-Leuten. In diesen Tagen tüftelt er mit den Produzenten in Los Angeles am Konzept der ARD-Show.

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