"Good bye, Guido" im ZDF:Abschied als Realsatire

Guido Knopp

Geschichtslehrer der Fernsehnation: Guido Knopp.

(Foto: dpa)

Dieser Mann hatte fast immer recht - nur beim Ende der DDR leistete er sich seinen "größten Flop". Aber macht nichts: Das ZDF feiert Guido Knopp zum Abschied in einer Nachtsendung - als Deutschlands Mr. History. Dass Knopp auch umstritten war, kommt nur am Rande vor - der Mann hat ja auch noch was vor.

Von Paul Katzenberger

35 Jahre lang hat er für das ZDF Millionen von Zuschauern vor die Fernseher gelockt und nun ist endgültig Schluss damit: Guido Knopp alias "Geschichtslehrer der Nation" feierte in der vergangenen Woche seinen 65. Geburtstag und ist ab diesem Montag im Ruhestand. Nicht ohne aber einen gebührenden Ausstand zu geben - noch einmal durfte die Nation ihren Geschichtslehrer über all die Jahre seines Schaffens begleiten, in seiner Abschiedssendung "Good bye, Guido Knopp", die das ZDF in der Nacht zu seinem ersten Tag als Pensionär ausstrahlte.

Um es vorwegzunehmen - die Abschiedssendung war so bemüht, der ZDF-Ikone ein letztes Denkmal zu setzen, dass sie zur gelungenen Realsatire wurde: Dieser Mann hatte fast immer recht, und wenn er sich doch mal zunächst verschätzt hatte, dann gab ihm die Geschichte im Nachhinein doch noch recht.

Das Jahr 1984, in dem er seinem Arbeitgeber ZDF eine eigene Redaktion "Zeitgeschichte" abtrotzte, war gespickt mit Ereignissen von solch historischem Rang, dass Knopps neue Redaktion gerade noch rechtzeitig aufgestellt zu werden schien, so wird das zumindest bei "Good bye, Guido" suggeriert.

Ronald Reagan eröffnete die Olympischen Spiele in Los Angeles und träumte gleichzeitig von Star Wars, im Kreml verschied KPdSU-Generalsekretär Juri Andropow und Michail Gorbatschow, der Mann, der die Weltarchitektur in den Jahren darauf zum Einsturz bringen sollte, betrat bei der Eisernen Lady in London erstmals die große internationale Bühne. Helmut Kohl war schon zwei Jahre Kanzler und ein späterer Vizekanzler schaffte es in die Nachrichten, weil er im Parlament das A-Wort bemüht hatte.

Neue optische Akzente

Und doch waren damals im Aufbruchsgeist der achtziger Jahre Rückblick und Geschichte etwas von gestern, wie uns Arnulf Baring - seines Zeichens zweiter TV-Geschichtslehrer der Nation - in "Good bye, Guido" belehrt. Und so war es ein Segen, dass auf dem Mainzer Lerchenberg ein junger Historiker arbeitete, der gerne zurückblickte, eben Guido - eine Ära nahm ihren Lauf.

Als Moderator kam der knapp 40-Jährige erstmals in der ZDF-Geschichtssendung "Damals vor vierzig Jahren" zum Zuge - als Vertreter des tiefernst dreinblickenden Hanns Werner Schwarze, aber nur, wenn es um bunte Themen ging wie Lifestyle, Frauen oder Mode.

Das war folgerichtig. Denn Guido Knopp ist aufgrund seiner Maßkonfektions-Anzüge immer wieder vorgeworfen worden, er sei eitel. Er bestreitet das mit Inbrunst, doch wenn ihn der Zuschauer da so als Hanns-Werner-Schwarze-Ersatz in rotem Pullover und Oberlippen-Backenbart-Kombination moderieren sah, bekam er schon das Gefühl, dass hier einer gerne neue optische Akzente setzte.

Doch das nur nebenbei - in der Sache war Knopp immer auf dem rechten Pfad. Was könnte das besser belegen als das Gegenfeuer, das der junge Fernsehjournalist in seinen Anfangsjahren von dem damals noch existierenden zweiten deutschen Staat bekam. Da warf ihm der kalte Krieger Karl-Eduard von Schnitzler in der DDR-Propagandasendung "Der schwarze Kanal" Lüge vor, weil Knopp von der Volkspolizei als paramilitärischem Verband gesprochen hatte und sogar einen Spitzel in Person von IM Swantje setzte das Ministerium für Staatssicherheit dem wackeren ZDF-Mann ins Lerchenberger Nest.

Der nimmt's im Nachhinein - wie sollte es anders sein - als Bestätigung für seine Weltsicht: "Wenn ein Staat sich den Luxus leistet ... Sendepläne auszuspionieren, dann hat er zu viel zu tun, dann ist er auf tönernen Füßen gebaut, und das war ja auch der Fall." Wie wahr, nur kurz darauf konnte schließlich auch die Stasi den Fall der Mauer nicht verhindern.

Guidos größter Flop

Doch ausgerechnet, als sich die DDR gerade auflöste, blickte Knopp in seiner Sendung am 30. September 1989 viel zu weit in den Osten, nach China. Natürlich interessierte das Reich der Mitte niemanden, während gleichzeitig unsere ostdeutschen Mitbürger in der Prager Botschaft um Asyl baten: "Keiner wollte uns sehen, Geschichte fand statt, ... das war mein größter Flop. Dennoch bin ich froh darum." Na also, wenn er selbst schon nicht richtig entschieden hatte, dann hatte die Geschichte für ihn richtig befunden, was will ein Geschichtslehrer mehr?

Bei allen Attacken des real existierenden Sozialismus auf ihn - Knopp selbst war selbstverständlich kein kalter Krieger, das zeigt sich allein schon daran, dass er noch vor dem Fall der Mauer gemeinsam mit dem sowjetischen Staatsfernsehen die Serie "Der verdammte Krieg" über den Zweiten Weltkrieg produzierte. Auch damals schien sich Knopp rein äußerlich den Gegebenheiten aber anzupassen, denn wie er da mit seinem Ko-Moderator Valerij Korsin die Sendung moderierte, erinnerte er mit seinem Backenbart doch sehr an den jungen Alexander Solschenizyn.

HOLOKAUST

Das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte: Guido Knopp (von links) bei der Produktion von "Holokaust" mit Simon Wiesenthal, Leiter des Jüdischen Dokumentationszentrums in Wien, und Maurice Philip Remy.

(Foto: OBS)

Mitte der neunziger Jahre wandte sich Knopps Redaktion schließlich dem Thema zu, das ihr die meisten Zuschauer bescheren sollte - dem Nationalsozialismus. Von der Spitze - also Adolf Hitler selbst - hinab über "Hitlers Krieger", "Hitlers Helfer" und "Hitlers Frauen" griff Knopp das Thema in der Folge mit großem Zuschauererfolg immer wieder in Serien in der Primetime auf, wofür er sich den Vorwurf einhandelte, er sei dem Nazi-Boom gefolgt. "Good bye, Guido" erwähnt diese Kritik am Rande - doch in erster Linie werden die szenischen Nachstellungen, die einer der Hauptkritikpunkte sind, gerechtfertigt. Ja, das Grauen darf nachgespielt werden, lautet das Fazit, das manche Opfer vermutlich anders ziehen würden.

In "Holokaust" wandte sich Knopps Redaktion im Jahr 2000 schließlich in sechs Folgen dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte zu, dem von den Nazis begangenen Völkermord an den Juden. In "Good bye, Guido" wird das angemessen dargestellt, dann geht Knopps Abschiedssendung schnörkellos auf deutsches Leid über: "Was dann geschieht, ist lange ein Tabu: Deutsche werden auch Opfer".

Selbstironie - in Maßen

Damit bezieht sich "Good bye, Guido" auf Knopps Serie "Die große Flucht" aus dem Jahre 2001, die sich mit den Vertreibungen der Deutschen aus den Ostgebieten befasste. 2006 folgte aus Knopps Geschichtswerkstatt "Die Kinder der Flucht" und dafür mussten sich die Macher viel Kritik anhören - weniger, weil sie auch deutsches Leid als Folge des Zweiten Weltkrieges thematisiert hatten, sondern weil sie den Kontext des von Deutschland begonnenen Kriegs aussparten: "Woher der Krieg kommt, ja warum es ihn überhaupt gibt, ist nicht zu erkennen", schrieb damals die Zeit.

In "Good bye, Guido" wird diese Kritik nur sehr pauschal aufgegriffen und zwar an einem Punkt, der dankbar, weil leicht zu widerlegen ist. Knopps Redaktion "Zeitgeschichte" sei wegen der häufigen Thematisierung der NS-Diktatur eine "Hitler-Besessenheit" vorgeworfen worden, heißt es. Knopp kann diesen Vorwurf inzwischen auswendig parieren: "Jemand hat mal ausgerechnet, dass sich die Produktionen, die sich mit Hitler, Hitlers Helfershelfern und dem Dritten Reich beschäftigt hatten, ungefähr fünf Prozent meiner 2000 Produktionen ausgemacht haben", sagt er und wiederholt damit eine Aussage, die er so ungefähr jedem Zeitungsjournalisten dieses Landes in den Block diktierte.

Ein wenig Selbstironie gibt's dann doch noch: Nicht ohne vorher auf die vielen Auszeichnungen für Mister History hinzuweisen (International Emmy, Deutscher Fernsehpreis, History Makers Award) zeigt die Abschiedssendung einige Parodien über den TV-Geschichtslehrer, die sich verfeindete Sender in den vergangenen Jahren immer wieder haben einfallen lassen. Doch auch hier gilt das Prinzip der Beckmesserei, die sich wegen ihrer Unangemessenheit gegen den ursprünglichen Kritiker wendet: Die gezeigten Satiren sind so abgeschmackt, dass sie dem hehren Knopp erneut in die Karten spielen.

So ist das halt, wenn eine Galionsfigur des öffentlich-rechtlichen Fernsehens abtritt - da wird nicht objektiv aufgerechnet. Schließlich will Guido Knopp weiterhin auf dem Bildschirm bleiben, wie genau, das will er allerdings erst im April verraten.

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