Hörspiel "Golgatha":Zeuge der Weltgeschichte

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Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: SZ)

Die achtteilige Hörspielserie "Golgatha" folgt einem Unsterblichen. Der Mann hat viel zu erzählen - aber darf man ihm glauben?

Von Stefan Fischer

Eine der schlimmsten Phasen in seinem bisherigen Leben macht Marcus Tertius Longinus im Alter von circa 650 Jahren durch. Wieder einmal hat er sein ersehntes Ziel nicht erreicht, dieses Mal hat er es besonders knapp verfehlt. Das macht die Situation, ohnehin denkbar demütigend für ihn, nur noch niederschmetternder. Mehrere Wochen lang steckt Longinus bis zum Hals eingegraben im Sand einer arabischen Ansiedlung, wo er von einem erheblichen Ärgernis für die lokale Bevölkerung - das hatte ihn in die missliche Lage dieser grotesken Gefangenschaft gebracht - zu einer Touristenattraktion geworden ist.

Longinus hatte von einem Propheten gehört und sich auf die Suche nach diesem Mohammed gemacht. Von ihm erhoffte er sich die Erlösung von einem Fluch, mit dem ihn ein anderer Religionsstifter belegt hatte, Jesus von Nazareth: dem Fluch der Unsterblichkeit. Weil er nun aber erneut nicht stirbt, trotz eigentlich bester Voraussetzungen, da er ohne Wasser und Nahrung eingebuddelt im sandigen Erdreich feststeckt, halten die Menschen natürlich ihn für den Auserwählten. Marcus Tertius Longinus wird weiterleben müssen.

Longinus ist bei jeder größeren Schurkerei der Weltgeschichte dabei

Das ist sein Schicksal in Robert Webers achtteiliger Hörspielserie Golgatha, die Annette Kurth inszeniert hat. Egal wie schwer Longinus verwundet wird, wie unmenschlich er darben muss: Es bringt ihn nicht um. Er weiß das, und versucht einem Sisyphos gleich dennoch stets aufs Neue, sich zu töten. Denn er leidet, an der Welt und an seinem Menschsein. Wobei er selbst zum Heiland noch nie getaugt hat, schon in seinem ersten Leben als römischer Legionär war er Teil einer brutalen Besatzungsmacht. Sein Abscheu vor den Menschen wird stetig größer - allerdings ist Longinus auch nie weit, wenn es zu einer mittleren bis monströsen Schurkerei kommt. Er ist oft dabei, nicht selten als Mitläufer, etwa indem er an den Kreuzzügen von Richard Löwenherz teilnimmt.

So wird Longinus, den Fabian Hinrichs spricht, zum Zeugen von 2000 Jahren Weltgeschichte - und zu ihrem Interpreten. Die zentrale Frage lautet, damit spielt der Autor Robert Weber: Was muss man alles glauben, um Longinus ernst zu nehmen?

Golgatha, WDR 3, acht Teile, von 11. Oktober 2021 an täglich montags bis donnerstags, jeweils 19.04 Uhr und als Podcast .

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