Golden Globes:Der Preis war heiß

Golden Globes: Als es noch Stars gab, die sich über einen Golden Globe gefreut haben: Nicole Kidman, Zoe Kravitz, Reese Witherspoon und Shailene Woodley (v.l.) posieren mit ihren Preisen (2018).

Als es noch Stars gab, die sich über einen Golden Globe gefreut haben: Nicole Kidman, Zoe Kravitz, Reese Witherspoon und Shailene Woodley (v.l.) posieren mit ihren Preisen (2018).

(Foto: Frederic J. Brown/AFP)

Tom Cruise gibt seine Trophäen zurück, NBC sagt die Übertragung ab: Der wichtigste Filmpreis nach den Oscars könnte vor dem Aus stehen.

Von David Steinitz

Wie genau Tom Cruise seine Golden Globes an die Veranstalter zurückgibt - per Post? Kurier? Selber klingeln? -, ist leider nicht bekannt.

Dass der 58-Jährige die drei Preise nicht mehr in seinem Trophäenschrank haben wolle, melden aber mehrere US-Medien übereinstimmend. Tom Cruise bekam seine Globes, die bislang als wichtigster Filmpreis nach den Oscars galten, für die Filme "Geboren am 4. Juli", "Jerry Maguire" und "Magnolia" verliehen, in den Jahren 1990, 1997 und 2000. Also in einer Zeit, in der der verurteilte Sexualstraftäter Harvey Weinstein noch der König von Hollywood war - und kräftig um die Mitglieder der Hollywood Foreign Press Association (HFPA) warb.

Dieser Kreis von knapp 90 ausländischen Journalisten vergibt die Golden Globes. Ein winziger Zirkel verglichen mit den Tausenden Mitgliedern der amerikanischen Filmakademie, die über die Oscars abstimmen. Weshalb er deutlich leichter zu beeinflussen ist. Böse Zungen behaupten, die HFPA sei so etwas wie Harvey Weinstein in Firmenform. Und tatsächlich ist es ja auch bizarr, dass eine Gruppe der Öffentlichkeit kaum bekannter, fragwürdiger Journalisten einen Preis schaffen konnte, den bislang alle haben wollten.

Bestechlichkeit? Sexismus? Auf Kritik reagieren die Veranstalter vorsichtig gesagt: zögerlich

Im Februar veröffentlichte die Los Angeles Times eine große Reportage, in der es um Rassismus, Sexismus und Bestechlichkeit in den Reihen der HFPA-Mitglieder ging. Von bezahlten Pressereisen an Filmsets und von Geschenken war die Rede, für die man später im Gegenzug Preise vergab. Seitdem distanzieren sich immer mehr Firmen und Stars von den Golden Globes. Die Schauspielerin Scarlett Johansson (viermal nominiert) sagte, auf den Pressekonferenzen der HFPA habe sie sich Fragen stellen lassen müssen, "die an sexuelle Belästigung grenzen". Der Schauspieler Mark Ruffalo (dreimal nominiert, einmal gewonnen) befand auf Twitter, er könne nicht mehr "glücklich" über seine Auszeichnung sein. Und Tom Cruise - auch Schauspieler, vor allem aber: Tom Cruise -, gab gleich seine drei Globes zurück.

Netflix, Amazon und Warner Brothers kündigten an, die Veranstaltung vorerst zu boykottieren. Der US-Sender NBC, langjähriger Partner der HFPA, erklärte am Montag, die nächste Verleihung 2022 nicht zu übertragen. Man würde erst wieder einsteigen, wenn die HFPA ernsthafte Reformen angehe.

Bislang reagierte die Organisation auf die Kritik, sie sei eine Machtmissbrauchszentrale alter, weißer, männlicher und publizistisch völlig unbedeutender Journalisten, die sich jahrelang hemmungslos pampern ließen, vorsichtig gesagt: eher zögerlich. Wer will schon freiwillig auf schöne Reisen und Treffen mit Superstars verzichten, abgesehen von der Tatsache, dass die Golden Globes auch ein gutes Geschäftsmodell sind.

Ganz neu waren die windigen Methoden der HFPA vermutlich niemandem in der Branche. Auch prominente Preisträger wie Tom Cruise dürften nicht erst jetzt von fragwürdigen Geschäftspraktiken und unlauterem Verhalten gehört haben. Dass Hollywood so lange mitspielte, lag wohl vor allem daran, dass die Globes, im Gegensatz zu den Oscars, die lässigere Veranstaltung waren und die bessere Show lieferten: Drinks an den Tischen, lustigere Moderatoren. Und im Gegensatz zu den Oscars werden hier auch TV-Produktionen berücksichtigt, was im Serien- und Streamingzeitalter ein riesiger Pluspunkt ist. Also kamen alle brav.

Bald könnte jeder deutsche Bambi mehr wert sein als ein Golden Globe

Aber die Gegenbewegung, die derzeit läuft, wird sich noch fortsetzen. Weitere Firmen, weitere Stars werden zum Boykott aufrufen oder ihre Preise zurückschicken, bis jeder deutsche Bambi sich besser macht in der Biografie als ein Golden Globe. Die HFPA wird sich dramatische Dinge überlegen müssen, wenn sie diesen Negativtrend noch umkehren will. Die Frage ist nur: Wird es reichen?

Die Anfang der Woche vorgelegte Roadmap für Reformen, von der Rekrutierung neuer, diverser Mitglieder über einen bindenden Verhaltenskodex, liest sich zwar ansatzweise geschäftig und reuevoll. Aber sie müssten schon ziemlich weit gehen, damit sich im nächsten Jahr noch ein Star traut, öffentlich auf einer Bühne einen Golden Globe entgegenzunehmen. So wie die Stimmung in Hollywood derzeit ist, mit einer Welle der Empörung, wie man sie in dieser Deutlichkeit selten erlebt, scheinen auch eine Auflösung der HFPA und das Ende der Golden Globes nicht mehr unmöglich zu sein.

Das kann man verlogen finden, nach all den Jahrzehnten, in denen sich niemand öffentlich um deren Verfehlungen scherte. Aber es wäre nach der "Me Too"-Bewegung und den Diversitätsreformen der Oscar-Academy ein weiteres Zeichen, dass nach weit mehr als einem Jahrhundert Filmgeschichte die träge Showmaschine Hollywood sich in einem unaufhaltsamen Wandlungsprozess befindet.

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