Götz George im Gespräch:"Man kann auch Versagensängste kriegen"

Seit fast 30 Jahren spielt Götz George den "Tatort"-Kommissar Horst Schimanski und er will sich weiter prügeln. Doch seine nächste Rolle ist: der eigene Vater.

C. Keil

Götz George ist 72. Seit 60 Jahren spielt er auf Bühnen oder in Filmen. Doch als Schimanski will er sich weiter prügeln, außerdem wird er für die ARD seinen Vater Heinrich George darstellen. Gespräch mit einem, dem die Zeit wegrennt.

Dreharbeiten 'Schimanski' - Götz George

Wird in einem ARD-Dokudrama seinen eigenen Vater spielen: Götz George, alias Horst Schimanski, bekannt aus dem "Tatort".

(Foto: dpa/dpaweb)

SZ: Herr George, ist das der letzte Schimanski, der Ende Januar gezeigt wird?

Götz George: Nein, der WDR mag die Figur und ist ihr gegenüber sehr offen. Es gibt ja auch nur alle zwei Jahre einen Schimanski, weil der in der Produktion etwas teurer als ein normaler Tatort ist. Dazu gibt es immer ein WDR-Fernsehspiel mit mir, das steht jetzt 2011 an. Das heißt, der nächste Schimanski wäre 2012 dran.

SZ: In Schuld und Sühne wirkt Schimanski etwas zu müde, etwas zu traurig.

George: Der ist gar nicht müde. Der schlägt sich doch, und am Ende ist er der Gewinner. Ich finde sogar, er ist verhältnismäßig körperlich. Der haut zu, muss gut fallen können.

SZ: Es geht um Korruption auf einer Polizeiwache in Duisburg-Ruhrort. Duisburg-Ruhrort hieß der erste Tatort 1981 mit Horst Schimanski als Kommissar. Außerdem gibt es eine selten zarte Liebeserklärung an seine Frau Claire. Das könnte für Abschied stehen.

George: Tut es aber nicht. Das Prinzip von Schimanski ist inzwischen, dass er sich nur in Fälle einmischt, die ihn persönlich betreffen. Ich finde, er ist diesmal viel aggressiver als vorher. Vor allem hält er das Berufsbild des Polizisten hoch. Du kannst nicht nur für Recht und Ordnung sorgen, du kannst auch dein Leben klären und strukturieren. Schimanski setzt sich für die kleinen Leute ein, er ist nie bürokratisch geworden, und er weiß, was richtig und was falsch ist.

SZ: Auf der Wache in Ruhrort sagt Schimanski jetzt: "Es ist einfacher, mit der Lüge aufzuhören, als mit der Lüge zu beginnen."

George: Ein guter Satz.

SZ: Stammt der aus dem Drehbuch oder von Ihnen?

George: Kann ich nicht mehr sagen. Es gibt bei uns keine so eindeutige Trennlinie zwischen dem Buch und dem, was wir daraus entwickeln.

"Mein Respekt vor dem Vater ist groß"

SZ: Das Duisburg der Hochöfen und Fördertürme ist aus der Tatort-Landschaft fast verschwunden. Schimanski war der wichtigste Werbeträger der Stadt - neben dem Meidericher SV. Wurde Schimanski, Duisburgs Ehrenbürger, im Sommer um Hilfe gebeten, nachdem es bei der Love Parade Tote gegeben hat?

George: Als ich erfuhr, dass es in Duisburg eine Love Parade geben würde, dachte ich: Die überschätzen sich. Das ist doch alles zu klein, alles zu verwinkelt. Mich hatte die Love Parade schon in Berlin immer irritiert. Der ganze Tiergarten war verwüstet, und das wollte ich in Duisburg nicht sehen.

SZ: Man hat Sie also nach dem Unglück nicht angesprochen?

George: Es gab einen Anruf bei meiner Agentin in Berlin. Ich war auf Sardinien. Ich hing zwischen Baum und Borke. Das Einzige, was ich hätte sagen können: Furchtbar, was da passiert ist. Dann ging es um Spendengelder, ich wollte sofort einsteigen, aber es blieb offen, wer das Geld einsammelt, wohin es geht, wer das Ganze betreut. Eine völlig verfahrene Situation.

SZ: Herr George, Sie spielen nun schon 60 Jahre auf der Bühne und in Filmen. Ist es richtig, dass der Südwestrundfunk mit Ihnen an einem Stoff arbeitet, der die letzten Jahre Ihres Vaters Heinrich George in Kriegsgefangenschaft thematisiert?

George: Es ist ein Dokudrama. Ich habe mich lange sehr gesträubt, weil ich nicht wusste, in welche Richtung das geht. Es gibt ein Treatment, das hat dem Produzenten Nico Hofmann sehr gefallen.

SZ: Dokudrama bedeutet, dass es gespielte Szenen geben wird, dazu eingeschnittene Zeitzeugen.

George: Zeitzeugen wird es geben, wobei nicht mehr so viele übrig sind, die meinen Vater noch kannten. Die Auseinandersetzung wird sicher kritisch werden.

SZ: Wann fangen Sie an?

George: Weiß ich nicht. Der Regisseur muss erst die Zeitzeugen befragen, danach wird das Drehbuch geschrieben.

SZ: Und warum machen Sie mit?

George: Der Film bietet die Möglichkeit, für meinen völlig zu Unrecht beschuldigten Vater, der immer als NS-Darsteller hingestellt wurde, durch Zeitzeugen einen Freispruch zu erwirken.

SZ: Aber der Preis dafür ist der Vater als Rolle - eigentlich eine Rolle zum Weglaufen.

George: Eine große Verantwortung. Mein Respekt vor dem Vater ist groß, man kann da auch Versagensängste kriegen. Jedenfalls war ich der Letzte, der den Film wollte.

"Ich habe mein Leben zu wenig genossen"

SZ: George spielt George ist ein enormer Marketingwert, damit lässt sich werben. Der Film wird sicher die Aufmerksamkeit bekommen, auf die er setzt.

George: Ich wäre nicht eingestiegen, hätte mir das Treatment nicht gefallen und hätte ich nicht auch das Gefühl gehabt, hier hat man eine richtige, eine authentische Wiedergabe der letzten Lebensphase meines Vaters. Es ist eine sehr ernsthafte Auseinandersetzung.

SZ: Wie wollen Sie sich denn in Heinrich George verwandeln?

George: Das muss ich aus meiner Phantasie nehmen. Und ich werde mir den Freiraum nehmen, den ich dafür brauche. Heute ist beim Film alles so festgelegt, kontrolliert, überwacht.

SZ: Stichwort Kontrolle: Stimmt es, dass Sie nie online sind, keine Mails schreiben, keinen Computer besitzen?

George: Ich brauche das nicht. Alle sagen mir: Du verpasst was, das ist die Zukunft, du kannst jede Information zu jeder Zeit abrufen, alles ist "de". Ich frage: Was ist denn "de"? Nein, ich würde stundenlang vor dem kleinen Kasten sitzen, mein Hintern würde immer breiter werden. Damit will ich nichts zu tun haben. Ich habe mein Leben zu wenig genossen. Und ich will jetzt genießen. Das sind vielleicht Endzeitgedanken, aber die Zeit rast. Ich bin ja schon 72.

Schimanski - "Schuld und Sühne" wird am 30. Januar 2011 um 20.15 Uhr in der ARD gezeigt. In Episodenrollen sind auch Hannes Jaenicke und Ulrike Kriener zu sehen.

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