Es gibt junge, wahlberechtigte Menschen in diesem Land, in deren Erinnerung war Angela Merkel schon immer Bundeskanzlerin. Das sind genau dieselben Menschen, für die Heidi Klum schon immer auf der Suche nach Germany's Next Topmodel war. Seit dreizehn Jahren läuft die Klum'sche Castingshow schon auf Pro Sieben und je sturer sie in diesen vergangenen dreizehn Jahren am sich wandelnden Zeitgeist vorbeigesendet hat, desto milder wurde der gesellschaftliche Umgang mit GNTM. Zu Beginn noch als jugendgefährdend verurteilt und angefeindet, später dann Gegenstand von ironischen Hatewatching-Abenden, und in jüngster Zeit beinahe liebevoll abgewatscht: Ach ja, die Heidi halt wieder.
Schluss damit. Es ist 2019, in den dreizehn Jahren von Klums Kanzlerschaft haben sich der Feminismus und seine Positionen mit Riesenschritten in die Mitte der Gesellschaft bewegt. Verdammt nochmal, selbst so ein Blödeltyp wie Jimmy Fallon, der Politik nur dann erkennt, wenn er ihr die Haare verwuscheln darf (man denke an sein peinliches Interview mit Donald Trump), ist weiter als Heidi Klum. In dessen Tonight Show trat kürzlich zum Weihnachtsfest Miley Cyrus auf und verwandelte den schlüpfrigen und klischeeüberladenen Klassiker "Santa Baby" in eine emanzipatorische Forderung nach Gehältergerechtigkeit.
Und was macht Heidi Klum in der neuen, 14. Staffel von Germany's Next Topmodel? Sagt gleich zu Beginn der ersten Folge Sätze wie: "Diversity ist mir extrem wichtig." Oha, hat da etwa jemand endlich die Zeichen der Zeit erkannt? Folgt nun die große feministische Erweckung der Heidi Klum? Nein. Heidi Klum interessiert sich nicht wirklich für Diversity. Es geht ihr nicht um Gleichberechtigung, um faire Chancen für alle. Klum geht es darum, dass Diversity "gerade DAS Thema in der Fashionwelt" ist.
Ein Wort verkommt zur Hohlphrase
Für Heidi ist menschliche Vielfalt einfach nur das It-Piece der Saison. Und das trägt sie gern. So gerne, dass sie im Laufe der knapp dreistündigen Sendung mehrmals darauf hinweist, wer genau jetzt alles Diversity toll findet. Als Modedesigner Michael Michalsky zur zweiten Prüfung des Abends auftaucht, sagt Heidi: "Auch Michael ist ein großer Diversity-Fan". Spätestens in diesem Moment ist das Wort vollends zu einer Hohlphrase verkommen.
Im Zentrum von Germany's Next Topmodel steht noch immer der alte Streit um den konformsten und idealsten Körper. Andauernd werden Pos verglichen, Beinlängen, Schrittbreiten, Armschwünge und Kopfnicken. Die Kamera zeigt junge Frauen, die sich quälenden Schönheitsidealen und -ritualen unterwerfen, während Heidi aus dem Off betont, sie suche ja nicht nach Schönheit, sondern nach Personality. Aber was meint Heidi eigentlich, wenn sie von Persönlichkeit spricht? Die erste Folge der neuen Staffel gibt da recht eindeutig Antwort: Personality ist für Heidi entweder das Herkunftsland der Eltern einer Kandidatin ("Indien? Ich liiiebe Indien."), ihre sexuelle Orientierung (queer ist anders, also gut) oder ihre Geschlechtsidentität (trans ist anders, also auch gut).