Dschungelcamp-Nachlese: Tag 2:Opfer der Nation

Dschungelcamp, RTL, Sara Kulka

"Die herzlosen Menschen da draußen wollen mich leiden sehen": Sara Kulka hadert mit ihrer Rolle als "Opfer der Nation"

(Foto: SZ.de/Katharina Bitzl/RTL)

Konzentration auf die wirklich wichtigen Dinge: gemeine Zuschauer, die Sara Kulka leiden sehen wollen, fiese Moderatoren, gescheiterte Existenzen - und ob Kinder das schauen sollten. Eine Einzelkritik.

Von Lars Langenau

Wer fällt auf im TV-Dschungel?

16 Tage, elf Möchtegern-Promis, eine Dschungel-Kulisse - und zwei Strippenzieher im Baumhaus. Ich bin ein Star - Holt mich hier raus! (RTL) geht in die neunte Runde. Wer ist dieses Jahr als Zicke besetzt? Wer spielt Psychospielchen? Und was steht bei der Ekelprüfung auf dem Menü? Süddeutsche.de sagt jeden Morgen, wer aufgefallen ist: in der täglichen Einzelkritik zum Dschungelcamp.

Zuschauer

Zuschauer können so gemein sein. Sie treibt um 22.15 Uhr in der Samstagnacht die pure Lust am Zerstören vor die Fernseher. Sie wählen Kandidatinnen für Prüfungen aus, weil sie schon vorher wissen, dass sie scheitern. Sie geben 50 Cent für einen Anruf aus, um jemanden zu wählen, den sie scheitern sehen wollen. Sie wählen gern ein Blondchen, weil sie es vor Entsetzen schreien sehen wollen. Das ist und bleibt auch in der zweiten Folge der neuen Staffel: Sara Kulka, Ex-Germany's-Next-Top-Model-Kandidatin, Covergirl des Playboys der kommenden Februarausgabe - und aktuelle Teilnehmerin des Dschungelcamps 2015.

Frau Kulka ist entsetzt ob ihrer zweiten Wahl für eine dieser ekligen Aufgaben, die da gewöhnlich von RTL im australischen Urwald gestellt werden. Sie fühlt sich als "Opfer der Nation". Musste sie in der ersten Sendung am Freitag noch einen Ekel-Cocktail inklusive Stinkfrucht trinken, Schafshoden in den Mund nehmen und in Aalschleim nach Sternen suchen, schickten die Zuschauer sie nun in die "Höhle der Finsternis" mit offenbar allerhand Getier. Doch Sara Kulka verweigerte sich: "Die herzlosen Menschen da draußen wollen mich leiden sehen. Die suchen sich immer ein Opfer, und ich soll es sein." Und: "Menschen sind bösartig." Wohl wahr.

Sara Kulka, Ex-Germany's-Next-Top-Model-Kandidatin

Eine komische Sendung, diese Sendung ohne Prüfung. Eine Sendung, die sich auf "Ich-kann-nicht-Sara" kaprizierte, die dann vor der ersten Prüfung in der "Höhle der Finsternis" kapitulierte. Von den Moderatoren wie folgt angekündigt: "Du musst tauchen, laufen, und jetzt kommt es: stehen." Das Wichtigste sei positives Denken. Zwar gebe es da Tiere, "die stechen, kratzen, beißen", "aber du musst keine Angst haben. Es kann auch ein großes Tier da sein, schieb es einfach zur Seite." Sara zunächst: "Was der Bauer nicht kennt, erntet er nicht." Und dann: "Ich kann das nicht. Ich könnte kotzen."

Aber nicht doch. Sie sei eine stärkere Persönlichkeit als Angelina, flüstert ihr Rolfe Schneider ein. "Für mich bist du eine Amazone." Sara: "Eigentlich bin ich schon stark, ich habe so viel Kacke gefressen in meinem Leben." Doch es hilft alles nichts. Sara steht vor der "Hölle der Finsternis". Es ist bereits ihre zweite Dschungelprüfung. Es geht um elf Sterne. Warum sie dafür ausgewählt wurde? "Weil mich alle hassen, weil ich meine Schnauze einfach mal halten sollte." Sie muss in einen Schädel greifen und einen Stern erwischen. Doch diese Schädel sind wohl voll mit Getier. Sara schafft es nicht. Fragt: "Warum mache ich das eigentlich alles? Ich habe ja doch ein schönes Leben zu Hause." Und sagt den beendenden Satz: "Ich bin ein Star, holt mich hier raus." Heißt: Sie bricht ab.

Dann wieder im Camp, alle bislang gesammelten Sterne verloren, ist sie völlig durch den Wind, versucht, die allgegenwärtigen Kameras zu meiden und sagt in Stein gemeißelte Sätze wie: "Das war ein physischer Fick", "Scheiße war es", "Das war ein Blackout", "Ich bin ein richtiger Loser", "Alle denken jetzt: große Klappe und nichts dahinter," "Ich bin enttäuscht über mich".

Sie wolle nun nur noch darauf warten, dass sie als erste raus gewählt werde. Dann hält sie ein Erdmännchen-Kuscheltier in der Hand, legt sich den Strampelanzug ihrer einjährigen Tochter auf den Kopf und versucht abzuschalten.

Kinder

Vielleicht ist nun die Zeit für grundsätzliche Fragestellungen. Eigentlich darf man so etwas nicht mit minderjährigen Kindern schauen. Ist ja auch viel zu spät und davon geht die Bildung in den Arsch - oder so. Aber die Plakate mit den beiden Moderatoren auf einer überdimensionalen Raupe an der Bushaltestelle haben die Spannung eben nach oben getrieben. Die Kinder sind nicht ins Bett zu bekommen. Nun gut, Sonntag können sie ausschlafen. Dann halt nochmal sowas wie Silvester. Für die Physis ist also gesorgt, aber was ist mit der sensiblen Psyche einer Sechs- und Zehnjährigen?

Zu spät. "Papa, was heißt eigentlich 'Fick dich'?", fragte die Kleine. "Äh, das ist ein Schimpfwort, sowas sagt man nicht, die ist nicht gut erzogen." "Sara sollte nicht Schimpfwörter wie 'Fick dich was', 'Was für eine Kacke' und 'Scheiße' sagen." Genau, mal schauen, was die Klassenlehrerin bei der nächsten Sprechstunde so zu sagen hat.

Vorher schon kurzes Fremdschämen bei DSDS, und dann glücklicherweise keine sexuellen Aktivitäten von Aurelio im Camp. Kann ja nicht so schlimm werden. Doch die Kinder entwickeln Empathie. Vor allem mit Sara Kulka. Die kleine Tochter fragt: "Warum ist Sara da eigentlich hingegangen?" Gute Frage. Weiter: "Sara hat leider Pech gehabt, jetzt weiß die ganze Welt, dass sie eine Meckertante ist."

Ein bisschen lang(weilig) finden sie die Auswahl der Kandidaten für eine Prüfung. Als es dann wieder Sara erwischt, sind auch die Kinder entsetzt. Es ist viel vergeudete Zeit da im Camp. Auch vor dem Fernseher. Obwohl sie noch nicht wirklich in Erscheinung getreten ist, steht Angelina Heger ganz oben auf ihrer Liste der Dschungelkönige. Gott weiß warum. Vielleicht weil sie vor Heimweh in ein Kissen heult. "Mein Freund und unsere Hunde" sind darauf gedruckt. "Ich vermisse alle drei so richtig doll, wenn ich mir so überlege, dass die drei jetzt zusammen alle kuscheln." Sowas können Kinder nachvollziehen. Sie haben Mitleid. Auch mit Walter.

Walter Freiwald, Ex-Moderator

Denn die tragischste Figur der neuen Staffel ist Walter Freiwald. Der Ex-Moderator bekennt am zweiten Tag freimütig, wie dringend er mit 60 noch einen Job braucht. "Mit 1500 Euro abzüglich Krankenkasse" kann auch ein ehemaliger "Programmdirektor bei RTL" nicht überleben.

Also holt er zunächst zum Schlag gegen die Journalisten aus ("die recherchieren alle falsch oder gar nicht") und nutzt dann seinen Auftritt für eine Bewerbungsrede: "Ich war 30 Jahre bei RTL und nun arbeitslos. Mit 60. Habe fast 100 Bewerbungen geschrieben, aber nur Absagen bekommen. Super Nummer." Seit zwei Jahren sei er arbeitslos. "Ich brauche einen Job." Er sei nicht "am Ende meines Lebens, ich suche etwas, was mir Spaß macht". Weiter: "Ich bin ein guter Entertainer." "Ich suche etwas, egal wo in Deutschland." Sowas wie Jauch oder Gottschalk. Walter macht nicht den besten Eindruck bei der Show. Aber eine zweite Chance hat er verdient.

Moderatoren

Sonja Zietlow und Daniel Hartwich sind hart, sehr hart: "Hier ist RTL, hier bekommt jeder Star eine zweite Chance." Mit billigem Schmunzeln berichten sie von den "multiplen Nahtoderfahrungen von Walter" und dem "Paarungsversuch einer Qualle" mit Walter.

Und sie sagen, nachdem eine Kandidatin Baumharz auf ihrem Kopf mit Insekteneiern verwechselt: "Alle unsere Kandidaten sind von Hartz bedroht." Sie sind gemein, fies und herzlos. Aber das müssen sie wohl sein. Nur bei Walter wirkt das irgendwie zu hart. Mit dem Mann entwickelt man Mitleid. Und auf Leute, die schon auf dem Boden liegen, schlägt man nicht ein. Finden auch die Kinder.

Patricia Blanco, Sängertochter

Noch eine so tragische Figur wie Walter und Sara ist Patricia Blanco. Sie ist vor allem die Tochter von Roberto Blanco, will aber mit dem alternden Schlagerstar nichts mehr zu tun haben. Sie kann sich vortrefflich über Furzkissen auslassen und erfährt im Camp erstmals von der Existenz eines Hashtags. Was ist das? "Gibt es das mit Kräuterbutter?"

Nein, wird sie aufgeklärt, da könne man so Begriffe eingeben wie "#boobs" und "#sex", weißte? Bislang habe sie eben noch keine Berührungspunkte mit Facebook gehabt, ähem ..., "aber das fange jetzt an." Und: "Ich werde dann eh einen anderen Namen annehmen. Wie der Vogel, der aus der Asche entsteht." Sie könne sich beispielsweise vorstellen, sich "PhoenixP" zu nennen. Wie kommentiert Moderator Hartwich? "Von Anonym zum Pseudonym." Vielleicht sollten alle ihren Namen ändern. Ich auch.

Maren Gilzer

Maren Gilzer hat einmal beim Glücksrad die Buchstaben umgedreht, nun ist auch sie im Dschungelcamp. Bereits zu Beginn hat sie die Mutterrolle eingenommen. Vor allem für Sara.

Im Zweiergespräch, von Millionen am Fernseher verfolgt, berichtet sie über ihre gescheiterte Beziehung: "Wir waren 21 Jahre zusammen, drei Jahre verheiratet. Dann passte es einfach nicht mehr." Sie habe sich immer eine Tochter ("so ein richtiges Mädchen Mädchen") gewünscht, habe aber keine Kinder. Und sich auch keins "im Ausland gekauft". Irgendwie sei das schade, aber "Kinder können auch ganz schön nervig sein". Die eigenen Mädchen schlafen da schon.

Mitarbeit: Ella und Louisa Langenau

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