Gleichberechtigung im Fernsehen:Zählen allein reicht nicht

Germanys Next Top Model Finale 2019

Gute Sache? Heidi Klums Selfie beim Abschluss der "Germanys Next Top Model"-Staffel 2019 zeigte viele Frauen.

(Foto: picture alliance /)

Maria Furtwänglers Malisa-Stiftung hat mal wieder die Präsenz von Frauen im deutschen Fernsehen ausgewertet. Wem nutzt das?

Von Susan Vahabzadeh

Auf eine Frau kommen immer noch etwa zwei Männer. Also, nicht hier auf dem Planeten Erde, da ist das Verhältnis noch immer ungefähr ausgeglichen - aber auf den Bildschirmen sieht man eben ein Paralleluniversum, in dem ein Drittel der sichtbaren Menschen Frauen sind. Auch ansonsten hat die Fernsehwelt eine andere Zusammensetzung als die echte - beispielsweise haben in Deutschland ungefähr ein Viertel der Menschen einen sogenannten Migrationshintergrund, in den Informationssendungen im Fernsehen aber werden sie nur mit 11 Prozent abgebildet. Die Morgenmagazin- und Sportstudio-Moderatorin Dunja Hayali moderierte am Dienstag die Vorstellung der aktuellen Studie Sichtbarkeit und Vielfalt der Universität Rostock, und nachdem auch die öffentlich-rechtlichen Sender an diesem Studienprojekt beteiligt waren, mahnte sie, denen stünde die Abbildung der Gesellschaft quasi in die "hauseigene Verfassung geschrieben".

Dabei hat sich in manchen Bereichen durchaus sehr viel getan - in der Fiktion gibt es viel mehr weibliche Figuren, wenn nur das Produktionsjahr 2020 für sich betrachtet wird: Da gibt es zu 47 Prozent weibliche Figuren. Dieser Teil der Studie lässt sich gut mit ihrem Vorgänger von 2016 vergleichen, den auch schon Maria Furtwänglers Malisa-Stifung mit der Universität Rostock angestoßen und veröffentlicht hat. Da waren es 43 Prozent - es gibt also einen stetigen Anstieg von Frauen in der Fiktion, allerdings werden da auch alle eifrigen Hausfrauen ohne Doppelbelastung mitgezählt, die sich irgendwer vorstellt. Es ist allerdings einiges passiert seit der ersten Studie - seit 2016 sind die Diskussionen hitziger geworden und die Entscheidungsträger, bei Sendern wie bei Filmförderanstalten, immer noch sehr oft männlich, sensibler für das Thema.

Ist es sinnvoll, jegliche Form von Diversity in einen Topf zu werfen?

Merkwürdigerweise sind es die nonfiktionalen Inhalte, die den Schnitt verderben - beispielsweise immer dann, wenn Experten zu Wort kommen. Die Rostocker Professorin Elizabeth Prommer hat die Studie geleitet und vorgestellt, und sie hat ihre Zahlen dem realen Anteil in bestimmten Berufsgruppen gegenübergestellt - im Bildungswesen, der Medizin, der Modebranche ist der Frauenanteil extrem hoch, und dass die Experten dafür dann auf dem Bildschirm mehrheitlich Männer sind, hat nicht nur mit einem Machtgefälle innerhalb der Berufsgruppen zu tun. Es gibt sicher mehr Professoren als Professorinnen in der Medizin, offensichtlich bleiben die Männer aber auch dann überrepräsentiert, wenn es gar nicht die Spitzen-Experten sind, die zu Wort kommen. Bei den "Alltagspersonen" in Informationssendungen beispielsweise blieb der Anteil seit 2016 gleich - zu 43 Prozent kommen Frauen zu Wort, bei den Experten sind es nur 26 Prozent, drei Prozent mehr als vor vier Jahren.

Maria Furtwängler hat die Stiftung Malisa gemeinsam mit ihrer Tochter Elisabeth gegründet, und 2016 wurde schon einmal eine große Studie vorgestellt zu Geschlechterrollen in Film- und Fernsehen. Diesmal ging es bei der Vorstellung der Studie tatsächlich so gut wie ausschließlich ums Fernsehen, wobei sich an der Studie nicht nur die vier großen Sendergruppen beteiligen, sondern auch eine Reihe von Filmförderungen. Es ging aber diesmal nicht nur um Geschlechterverteilung, sondern auch um Migrationshintergründe, sexuelle Orientierung, die Repräsentierung von Menschen mit sichtbaren Behinderungen im Fernsehen. Letztere beispielsweise haben auf den Bildschirmen einen Anteil von 0,4 Prozent, obwohl es fünf Prozent sein müssten - es sei denn, man zählt die Brillenträger mit. Die bringen es tatsächlich auf 29,3 Prozent.

Ist es sinnvoll, die gesamte Diversität in einen einzigen Topf zu werfen, Geschlechtergerechtigkeit inklusive? Da ist dann sehr viel abzuarbeiten und das ist dem Fokus auf einzelne Aspekte nicht gerade förderlich. Bei der Vorstellung der Malisa-Studie meldete sich nach mehr als anderthalb Stunden die Journalistin Silke Burmester zu Wort, die seit kurzem das Online-Magazin Palais Fluxx "für Frauen ab 47" herausgibt und sich eigentlich sehr für den Apsekt der Altersverteilung interessiert hatte - der wurde zwar eingangs erwähnt, kam dann aber, merkte Burmester an, nie wieder vor. Er wurde auch nach Burmesters Einwurf nicht diskutiert. Vielleicht sollten die Leute, die eine Quote fordern, mal eine Themen-Quotierung überdenken. Unlängst hat der Bundesverband-Schauspiel zu einer Gesprächsveranstaltung geladen, wo es ebenfalls um Geschlechtergerechtigkeit und alle Diskriminierungsgründe auf einmal ging, und dass dabei ein Rahmen herauskam, bei dem die Zielgruppe von Burmesters Magazin überhaupt nicht vorkam, ist den Veranstaltern offenbar nicht einmal aufgefallen, aber über Frauen wurde dort eher nur am Rande geredet.

Die Sichtbarmachung schließt die Sichtbarmachung immer gleicher Klischees nicht aus

Zum anderen aber bleibt viel zu wenig Raum für inhaltliche Diskussion, und zwar auf allen Gebieten. Die Problemstellungen sind nicht überall dieselben. Amazon Studios hat unlängst Inklusions-Richtlinien für die Besetzung von Rollen herausgegeben, nach denen Rolle und die darstellende Person möglichst deckungsgleich sein sollen in Abstammung und sexueller Orientierung. Jeder homosexuelle Schauspieler müsste da eigentlich auf die Barrikaden gehen - mal abgesehen davon, dass es ja nicht Sinn der Schauspielerei ist, nur Rollen zu übernehmen, die einem besonders ähnlich sind, würde das im Umkehrschluss ja auch bedeuten, dass Heterosexuelle nur noch von Heterosexuellen gespielt werden.

Präsentation Fortschrittsstudie zur audiovisuellen Diversität

Die Schauspielerin und Ärztin Maria Furtwängler, 55, gründete 2016 gemeinsam mit ihrer Tochter Elisabeth Furtwängler (l.) die Malisa-Stiftung. Das Ziel der Stiftung ist "eine freie, gleichberechtigte Gesellschaft".

(Foto: Christoph Soeder/dpa)

Ein Schauspieler oder eine Schauspielerin im Rollstuhl aber wird sich sehr schwer tun, jemanden zu spielen, der nicht im Rollstuhl sitzt - da geht es darum, auch mal Rollen zu spielen, bei denen der Rollstuhl nicht im Zentrum der Handlung steht. Das wünscht man zwar allen anderen auch, aber es gibt dennoch unterschiedliche Probleme, die alle ihre eigene Diskussion verdienen, weil die Reduktion auf einen Satz in einem großen Rundumschlag da gar nicht weiterhilft.

Vor allem aber ist keine Zeit, über Inhalte zu sprechen - ob beispielsweise, so wie 2016 in der Studie mit erhoben, Frauen immer noch häufiger in Rollen zu sehen sind, bei denen es um Beziehungen geht. Auch da kam der einzige Versuch, die Zahlen mal mit Leben zu füllen aus dem Publikum, von dem Moderator Raul Krauthausen - er wollte die Diskussion darauf lenken, dass die bloße Sichtbarmachung die Sichtbarmachung immer gleicher Klischees nicht ausschließt. Eine Datingshow mit Menschen mit Behinderungen muss nicht voyeuristisch sein, kann sie aber, und der Inklusion wäre damit ein Bärendienst geleistet. Was für Körperbilder dominieren, was für ein Sozialverhalten, um das mal auf den Frauenanteil zu übertragen? "Germany's Next Top Model" beispielsweise ist eine Sendung, in der Frauen extrem viel Screen-Time bekommen. Mit Gleichberechtigung hat das, was da sichtbar gemacht wird, trotzdem nicht gerade viel zu tun.

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