Wenn Karfreitag die Verfilmung der traurigen Geschichte von Komikerin Gaby Köster auf dem RTL-Programm steht, wird ein Mann in Hamm noch einmal besonders genau hinschauen. Till Hoheneder interessiert dieser Film brennend. Er wird sich noch einmal anschauen, wie Anna Schudt seine Freundin Gaby Köster darstellt, wie sie auf dem Bildschirm den Moment meistert, in dem sie vom Schlaganfall heimgesucht und aus einem prallem Komödiantenleben gerissen wird. Wie sie versucht, zurück ins Leben zu kommen. Hoheneder kennt das alles ganz genau, und er hat den Film auch schon im Rohschnitt gesehen. Trotzdem interessiert ihn, wie das alles auf dem Bildschirm wirkt. Es interessiert ihn, weil er das zugrunde liegende Buch Ein Schnupfen hätte auch gereicht gemeinsam mit Gaby Köster geschrieben hat.
Hoheneder ist der Mit-Mann. Sein Name findet sich klein auf dem Cover oder auf den ersten Seiten, wenn prominente Fernsehnasen ihre Erlebnisse in Buchform präsentieren. "Mit Till Hoheneder" steht dann dort, was auf den ersten Blick so wirkt, als habe er dem jeweiligen Star lediglich den Bleistift reichen dürfen, was für Kenner aber klarstellt, wer die meiste Arbeit mit dem Buch hatte.
Hoheneder ist einer, der sich professionell in andere hineinversetzt
Gerade ist Hoheneder aus der Top Ten der Spiegel-Bestsellerliste geflutscht. Dort war er ein paar Wochen lang vertreten mit Horst Lichters Erfolgswerk Keine Zeit für Arschlöcher. Hoheneder kennt sich aus mit diesen Listen, mit der Region zwischen Rang eins und 31. Eine kleine Ewigkeit war er dort auch vertreten mit dem Köster-Buch, das sich mehr als eine Viertelmillion Mal verkaufte. Er war dort mit der Biografie von Mike Krüger, und auch die beiden Bücher, die er mit seinem Kumpel Atze Schröder verfasst hat, erreichten beachtliche Notierungen.
Fragt man ihn, wie er das bewerkstelligt mit dem Schreiben für andere, dann gibt sich der 51-Jährige als Florist. "Ich bekomme Blumen unterschiedlichster Art. Meine Aufgabe ist es dann, daraus einen Strauß zu flechten, der dem Protagonisten gefällt", berichtet er. Mit Horst Lichter hat er sechs Tage in einem Hotel verbracht. Sechs Tage lang haben sich die beiden immer wieder hingehockt, den Aufnahmeknopf am iPhone gedrückt, und dann hat der berühmte Fernsehkoch erzählt im Vertrauen darauf, dass Hoheneder den Silbensalat schon zu einem Buch formen wird.
Hoheneder ist einer, der sich professionell in andere hineinversetzt, der spürt, was sie sagen wollen, und der genau das dann mit ihren Worten wiedergibt - in Büchern und in jenen Bühnenprogrammen, mit denen die Künstler große Hallen und auch das Fernsehen bespielen. Dabei kommt ihm zupass, dass er in einem früheren Leben mal selbst ziemlich bekannt war und als Parodist seine Brötchen vergolden konnte.
Till & Obel hieß das Duo, das zu Beginn der 90er-Jahre zum Höhepunkt einer großen Karriere strebte. In Jürgen von der Lippes Samstagabendshow Geld oder Liebe sangen die beiden die Charityhymne "We Are The World" im Alleingang nach und imitierten dabei die Stimmen der knapp zwei Dutzend Interpreten so perfekt, dass man meinte, Stars wie Michael Jackson, Stevie Wonder oder Bob Dylan im Original zu hören. Mehr als zehn Millionen Zuschauer sahen dabei zu.
"Am Montag danach war die Hölle los", erinnert sich Hoheneder an die Breitenwirkung, die Fernsehen damals noch entfalten konnte. Auf einmal wollten alle etwas von ihnen. Bei RTL drängte man ihnen gar eine eigene Show auf, der Rockpalast lud sie ein, doch im Jahre 2000 trennte sich das Duo.
Für Hoheneder formt sich aus seiner Erfahrung und seiner Beobachtungsgabe vor allem das Handwerkszeug für seine Profession, für das Bücherschreiben. "Ich frage mich immer: Wie spricht so jemand", erklärt er. Er parodiere den Künstler dann, um in dessen Haut zu schlüpfen. Und wenn er geschrieben hat, bleibt er bei der Methode. "Ich lese mir manchmal die Kapitel mit der Stimme der Künstler vor", sagt er und verfällt für einen Augenblick in einen täuschend echten Horst-Lichter-Ton, in diesen Kumpelslang, der stets leicht schmierig klingt, wenn man die Braunkohle-Gegend nicht kennt, aus der Lichter stammt, wo Herzlichkeit halt anders buchstabiert wird als in der Restrepublik.
Hoheneder ist stolz auf das Buch und auf Lichters ausführliche Danksagung darin. Auch dass Roger Willemsen ein lobendes Zitat auf dem Cover des Mike-Krüger-Buchs beigesteuert hat, lässt seine Brust schwellen. Aus so etwas speist sich natürlich ein gewisses Selbstbewusstsein. "Wenn man vier Bestseller geschrieben hat, kann man nicht alles falsch gemacht haben", sagt er und verweist außerdem auf drei Comedypreise, die bei ihm daheim im Regal stehen.
Alle drei hat er als Autor für Atze Schröder eingeheimst. Mit dem Proll-Poeten aus Essen verbindet ihn eine innige Zuneigung. "Wir sind die besten Freunde - ein Monster mit zwei Köpfen", sagt er.
Mitten im Gespräch klingelt das Telefon. Atze Schröder ist dran und gibt gleich seine Expertise zum Kumpel ab. Er sei mal von einem Kollegen gefragt worden, wen er denn als Autor empfehlen würde. Seine Antwort kam schnell. "Wenn du eine schnelle Pointe willst, dann nimmst du Micky Beisenherz. Wenn du wissen willst, was mit deinem Programm nicht in Ordnung ist, dann nimmst du Till Hoheneder."
Irgendwann wurden es immer mehr Schreibaufträge und immer weniger Auftritte
Der so hoch Gelobte mischt bei vielen Programmen mit, die oft im Fernsehen zu sehen sind. Er hat an den Bühnenprogrammen von Lichter, Köster, Steffen Henssler und Lisa Feller mitgeschrieben. Er ist ein gefragter Autor, der sich stets auf das Geschehen auf der Bühne konzentriert. "Fernsehen ist meistens nur die Zweitverwertung", sagt er. Ihn interessiert, was sein Schützling denkt. Was eilfertige Sendervertreter beizusteuern haben, ist zweitrangig. "Ich kümmere mich in erster Linie um den Künstler und dann kommt erst der Redakteur", sagt er. Klare Ansage.
Auch der Autor selbst ist ewige Hintergrundfigur. "Du musst dein eigenes Ego vor der Tür lassen", sagt Hoheneder. Er stellt sich gern in den Dienst der Sache. "Was die Künstler schätzen, ist, dass ich den Betrieb von allen Seiten kenne", sagt er. "Ich war 22 Jahre Bühnenkünstler. Ich weiß, was Erfolg ist, ich bin abgestürzt, und ich hatte falsche Freunde. Ich habe jedes Klischee dieses Showgeschäfts selbst durchlebt."
In der Tat gab es nicht immer nur die Erfolgsgeschichten im Leben von Hoheneder zu erzählen. Seine Versuche, nach der Trennung von Till & Obel als Bühnenkünstler Fuß zu fassen, stießen auf verhaltenes Echo. Irgendwann keimte dann die Idee, auch für andere Künstler zu schreiben. Im Jahre 2005 schickte er erste Texte an Gaby Köster, ein Jahr später begann die Zusammenarbeit mit Atze Schröder. Irgendwann wurden es immer mehr Schreibaufträge und immer weniger Auftritte. 2011 trat Hoheneder von der Bühne ab. Ob das für immer war, weiß er nicht. Vielleicht kommt da noch was.
Sicher ist indes, dass er probieren will, wie er als Alleinautor zurechtkommt. Sein erstes Buch ohne den Zusatz "Mit" hat er gerade begonnen. Nebenbei verdingt sich der Keith-Richards-Fan als Sänger und Gitarrist in einer beinharten Rockband, wo ihm natürlich seine wandelbare Stimme zugutekommt.
Im Moment aber geht es ihm um den Gaby-Köster-Film. Diese Geschichte liegt ihm am Herzen. "Wir sind befreundet und seelenverwandt", sagt er, Zwei Liveprogramme hatte er für Köster schon geschrieben, als der Schlaganfall kam. Bald danach war klar, dass es ein Buch geben und dass Hoheneder es schreiben sollte. "Das war die traurigste Arbeit von allen", sagt er heute. "Der Druck, für die Freundin, der es echt schlecht geht, ein Buch zu schreiben, das war echt krass", erklärte er. Geholfen haben die Ähnlichkeiten. "Wir lieben dieselbe Musik, wir haben denselben Humor, und wir sind beide chaotisch."
Und im Übrigen sei der Film sehr gut geworden. Mehr will er nicht sagen. Das Reden über so etwas soll die Künstlerin erledigen, die vorne steht. Hoheneder bleibt lieber im Hintergrund. Er bleibt der Mit-Mann.