"Get the F*ck Out of My House" auf Pro Sieben:Pleiten, Pech und keine Pfannen

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Die erste Kandidatin verließ die Sendung "Get the F*ck Out of My House" nach nur 90 Minuten. Man kann es ihr nicht verübeln. Thore Schölermann und Jana Julie Kilka (Mitte) moderieren den Big-Brother-Abklatsch gemeinsam und sind auch privat ein Paar. (Foto: obs)

100 Menschen ziehen in ein Einfamilienhaus. Die Sendung "Get the F*ck out of my House" hat aber nichts mit Flüchtlingen zu tun.

TV-Kritik von Ruth Schneeberger

Haben die TV-konsumierenden Menschen in Deutschland keine ausreichende Verwandtschaft mehr? Oder warum müssen sich Sender wie Pro Sieben nun schon die x-te Sendung aus den Rippen leiern, in der alles dafür getan wird, dass echte Menschen echte Emotionen zeigen?

Angst, Neid, Gier, Schwäche, Machtgefühle, Ohnmacht, Freude, Wut, Verlustängste, Abschiedstränen, Freundschaft, Stolz, Verantwortungsgefühl oder Konkurrenzdenken: Was sich bei den Privatsendern abendfüllende Show nennen will, muss die ganze Bandbreite menschenmöglicher Empfindungen auffahren. Künstlich provoziert und verdichtet, versteht sich. Das gilt für GNTM, DSDS, Voice of Germany, Big Brother, Schlag den Raab/Henssler - und wie sie alle heißen. Und jetzt auch für GTFOOMH.

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Von Hans Hoff

Get the F*ck out of my House nennt sich Pro Siebens neuestes Baby, Gott sei Dank trägt es diesen Namen und verweist damit zumindest ein bisschen auf seine Verwandtschaft. Aus den anglophilen Niederlanden nämlich stammt das Format, das dort als eine Art Big-Brother-Nachfolger im Herbst erfolgreich gestartet ist. Auch in Brasilien war die Sendung schon ein Hingucker. Das ist gut zu wissen, denn wenn dies keine importierte Show, sondern ein deutsches Produkt wäre, könnte man glatt auf die Idee kommen, es handele sich um eine Veralberung der Flüchtlingsthematik auf Boulevard-TV-Niveau.

100 Menschen gehen sich im Einfamilienhaus auf die Nerven

Das Konzept ist schnell erzählt: 100 Menschen - unterschiedlichen Geschlechts, Alters und Herkunft - ziehen in ein Haus, in dem bisher weniger Menschen lebten. Nämlich nur vier Personen. Ergo gibt es nur vier Betten, zwei Toiletten, kaum Geschirr und viel zu wenig Nahrungsvorräte - um die sich die Wettbewerber bei gar nicht mal so lustigen Spielchen streiten sollen.

Der Krach ist programmiert, aber die Belastungsgrenze zieht jeder selbst: Wer das Haus verlassen will, was jederzeit möglich ist, verlässt auch die Sendung. Und wie es immer so enervierend heißt: Es kann nur einen Sieger geben. Der nimmt 100 000 Euro mit nach Hause, muss sich dafür aber vier Wochen lang mit seinen Mitbewerbern um den letzten Platz im Haus streiten.

Die erste Ausgabe am Donnerstagabend zur besten Sendezeit wurde dann auch gleich schön angeteasert mit weinenden Menschen. Weinen ist die Königsdisziplin in solchen Sendungen. Natürlich darf zu Beginn nicht verraten werden, dass es dabei nur um einen jungen, ansonsten voll im Saft stehenden Kandidaten ging, der bei aller Aufregung vergessen hatte, genügend Wasser zu trinken. Im Gedränge war er kollabiert und vom Notarzt abtransportiert worden. Weil er damit das Haus verlassen hat, ist er auch gleich raus aus dem Spiel, so verlangen es die gestrengen Regeln der spaßigen Spieleshow.

Der Sender zeigt aber natürlich erst mal nur schreckgeweitete Augen der Mitbewerber, heulende bezopfte Mädchen und Typen, die unter Tränen berichten, dies sei die "krasseste Show des deutschen Fernsehens".

Eine junge Frau berichtet glaubwürdig vor der Kamera, sie habe so etwas "noch nie erlebt" und ist selbst kurz davor, gleich umzukippen. Einer muss sich ewig lang erklären lassen, wie Wäschewaschen funktioniert, eine andere versteht nicht, wieso alle sauer sind, dass sie sich dreimal Essen nimmt, während andere gar nichts haben. Und eine Vierte ist unter keinen Umständen bereit, ihre Schlafgelegenheit vorübergehend einem älteren Teilnehmer zu überlassen - lieber verlässt sie die Show.

Nochmal: Haben diese Menschen keine Familien? Oder bisher auf Bäumen gelebt? Auch die Zuschauer? Was kann irgendjemanden dazu verleiten, sich anzuschauen, wie Menschen um die natürlichsten Dinge der Welt in erbitterten Kampf treten? Gibt es keine Anschauungsobjekte, die man sich in seinem Alltag zu Gemüte führen könnte?

Die Regeln des Kapitalismus haben alle verstanden

Soziologisch kann das zwischendurch mal interessant sein. Wenn einstimmig ein "Hausboss" gewählt wird, weil er die jungen Menschen an ihren Papa erinnert: Norbert heißt der Glückliche, der fortan als Chef das Schlafzimmer sein Eigen nennen darf. Norbert kann selber entscheiden, ob er es mit den anderen teilen will. Norbert entscheidet sich dagegen. Andere Teilnehmer müssen auf der Küchenzeile nächtigen.

Norbert also, der unangefochtene Chef - weil die Regeln es nun mal so vorsehen und sich alle ganz brav daran halten - darf gen Ende seiner einwöchigen Regentschaft entscheiden, wer von den weniger gut gelittenen Wettbewerbern das Haus verlassen muss. (Per Abstimmung wurden die Insassen gleich zu Beginn in beliebte und weniger beliebte Bewerber eingeteilt.) Und er darf auch entscheiden, wie viele gehen müssen. Norbert, gerade noch als "herzensgut" bezeichnet, entscheidet sich für die Höchstzahl. Und wählt als einzige Frau genau diejenige aus, der das am allermeisten zu Herzen geht.

Nachdem Josephine emotional zusammengebrochen ist, muss auch Norbert mal weinen. Man darf nach seien vorherigen Äußerungen bezüglich Wettkampfgeist und Mitgefühl allerdings vermuten, dass er vor allem um seine nun schwindende Vormachtstellung im Hause trauert - und um das Geld, das ihm damit womöglich entgeht.

Wer Spaß hat an solcherlei Sozialexperimenten, zu denen sich erstaunlicherweise immer wieder genügend Kandidaten finden lassen, die sich von 34 Kameras sogar bis aufs Klo begleiten lassen, dem sei diese Sendung empfohlen. Mit der Einschränkung, dass er dieselben Spielchen in jeder beliebigen Show dieser Art zu sehen bekommt.

Für alle anderen gilt: Einfach mal ins Büro gehen. Oder mal wieder die liebe Verwandtschaft besuchen. Die haben dieselbe Palette an Dramen des Alltags parat. Versprochen.

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