Süddeutsche Zeitung

Gespräch mit Bavaria-Chef Achim Rohnke:"In unseren Hallen brummt's"

Die Fernsehbranche muss sich neu erfinden, meint Bavaria-Chef Achim Rohnke. Er verrät, mit welchen Strategien sein Haus durch die Krise kommt.

Christina Maria Berr

sueddeutsche. de: Bei den Münchner Medientagen geht es um die "Werte der Medien in der digitalen Welt". Wie wichtig ist das Thema Digitalisierung für die Bavaria Film?

Rohnke: Es ist ein fortschreitender Prozess. Bei den langlaufenden täglichen Serien haben wir den Schritt zur bandlosen Produktion bereits vollzogen. In fünf bis sechs Jahren wird alles digital sein. Selbst der Kinofilm wird dann vorwiegend über Festplatten laufen.

sueddeutsche.de: Das heißt, die berühmten Filmrollen werden verschwinden?

Rohnke: Genau. Und der Filmriss gehört dann auch der Vergangenheit an.

sueddeutsche.de: Was bedeutet das für die Produktionsfirma Bavaria?

Rohnke: Natürlich ist das für einen Studio- und Technikdienstleistungsbetrieb, wie wir es sind, eine große Herausforderung. Im analogen Bereich hat sich ja über viele Jahre Technik bewährt, es wurde in etablierte Technik investiert - und abgeschrieben. Seit einigen Jahren steht die Branche vor einem gewaltigen Umbruch. Es wird vom herkömmlichen Format SD auf hochauflösende Bilder im HD-Format umgestellt - und im Kino und im Sport 3D-Produktionen realisiert. Das verlangt enorme finanzielle Kraft und technische Lösungen.

sueddeutsche.de: Was bedeutet das konkret?

Rohnke: Viele Dinge, die man früher leicht kaschieren konnte, werden beim hochauflösenden Fernsehen für den Zuschauer jetzt sichtbar. Genügte es früher beispielsweise, eine Naht mit Klebeband zu fixieren oder ein Loch einfach zuzuspachteln, wird heute eine präzisere Arbeitsweise verlangt, im Dekorationsbau genauso wie in der Ausstattung und bei der Beleuchtung. Das gleiche gilt fürs Make-up. Da muss auf einmal das letzte Fältchen unsichtbar gemacht werden. Das Fernsehen wird mit HD noch einmal neu erfunden - und es lohnt sich, wenn man die Ergebnisse auf dem Bildschirm sieht.

sueddeutsche.de: Das klingt vor allem nach Aufwand und Anstrengung.

Rohnke: Das ist es auch. Anderseits gibt es mit der Digitalisierung neue Chancen. Speziell in der Postproduktion kann man heute leichter einen bestimmten Look kreieren und Effekte einfügen. Man muss nicht alles anzünden, was im Film brennt. Nicht alles, was im Wasser ertrinkt, muss man tatsächlich untergehen lassen. Was bislang der aufwendigen Filmproduktion vorbehalten war, wird nun im Fernsehen Raum greifen.

sueddeutsche.de: Und die Konsequenzen sind?

Rohnke: Die digitale Technik ist integrierter, der Produktion zugewandter. Sie verlangt ein neues Denken von den Produktionsbeteiligten, weil Dramaturgie und Technologie in Einklang gebracht werden müssen.

sueddeutsche.de: Es entstehen also neue Berufe.

Rohnke: Es wird weniger handwerklich, dafür technischer. Die Film- und Fernsehproduktion geht mehr in Richtung Datenverarbeitung. Produktionsschritte, die bislang nacheinander geschaltet waren, verzahnen sich. Wir denken beispielsweise an eine zentrale Archivierung und Ausspielung. So können die Daten am Drehort auf dem Laptop angesehen werden. Dafür musste man früher in den Schneideraum gehen. Für das schnelle Fernsehen ist die digitale Welt natürlich wunderbar. Gerade bei täglichen Soaps und Telenovelas ist die Zeit zwischen Aufnahme und Ausstrahlung ja sehr knapp bemessen.

sueddeutsche.de: Gerade Daily Soaps wie Marienhof oder Sturm der Liebe werden aber noch konservativ produziert, oder?

Rohnke: Das Gegenteil ist der Fall. Als wir vor 18 Jahren mit dem Marienhof begannen, wurde noch auf Videoband aufgenommen, inzwischen wird "tapeless" produziert. Hier konnte die Erfahrung aus unserer Telenovela Sturm der Liebe genutzt werden, wo wir vor fünf Jahren das erste Mal für eine deutsche Daily von Band auf Festplattenaufzeichnung umgestellt haben. Und für das Projekt Eine für alle haben wir die erste deutsche Daily in HD gedreht. So werden wir unsere neue Soap fürs ZDF Herzflimmern - Die Klink am See wieder mit dem modernsten HD-Workflow realisieren.

sueddeutsche.de: Und was ist mit 3D - ein Modethema?

Rohnke: Da haben wir bereits eine Menge hier in Geiselgasteig probiert. In einem Pilotprojekt für Disney, Die Zauberer vom Waverly Place, haben wir 2D und 3D gleichzeitig aufgezeichnet. Wir sammeln in der Bavaria Filmstadt viel Erfahrung zur Arbeit in 3D - und überlegen gerade mit der neuen sogenannten Taskforce 3D, wie wir diese Kompetenz bündeln können. Da soll ein deutliches Signal von uns ausgehen.

suedddeutsche.de: Bislang ist Bavaria Film ja nicht bekannt für Innovationen.

Rohnke: Da widerspreche ich! Wir sind eine Firma mit Tradition - aber das ist kein Widerspruch zu unserer Innovationsfreudigkeit. Mit den Studios in Tschechien, Großbritannien oder den USA können wir locker mithalten.

sueddeutsche.de: Eine Strategie, wie Bavaria als Filmfirma durch die Wirtschaftskrise kommen wollte, war, Hollywood wieder nach Geiselgasteig holen zu wollen. Warum sollte ein US-Produzent sich gerade auf den Weg nach Geiselgasteig machen?

Rohnke: Es muss natürlich thematisch passen - einen Westernfilm kann man hier vielleicht nicht so gut drehen. Aber von den Produktionsmöglichkeiten ist das Bavaria-Gelände einzigartig. Dazu kommt die Wirkung der hochattraktiven nationalen und regionalen Fördertöpfe, die das Drehen bei uns attraktiv machen. Früher haben die Amerikaner ihre Filme alleine finanziert. Heute ist es deren Strategie, mit ihren Produktionen nach Europa zu kommen, und dafür will ich eine Top-Antwort haben.

sueddeutsche.de: Und wie soll die aussehen?

Rohnke: Der Film- und Fernsehstandort Bayern ist gewissermaßen ein "hidden champion". München ist die Stadt der Technik-Oscars, wenn man so will. Bayern hat die meisten Visual-Effects- Firmen, vielleicht sogar in Europa, und wir haben ein einzigartiges Produktionsstudio mit 90.000 Quadratmetern Studio- und Bürofläche. Dennoch hat der Film- und Fernsehstandort Bayern noch nicht alle Vorteile, die er bereits besitzt, voll ausgespielt.

sueddeutsche.de: Was fehlt?

Rohnke: Wir müssen uns noch besser vernetzen.

sueddeutsche.de: Aber aus den USA gibt es bislang nichts - nur eine Produktion von Kevin Costner soll kommen, oder?

Rohnke: Darüber wird noch gesprochen. Aber neulich hat die internationale Produktion von Wiedemann und Berg Girl on a Bicycle in unseren Studios gedreht und für die Die drei Musketiere waren wir der Standort der Produktionsvorbereitung.

sueddeutsche.de: Wenn alles digitalisiert wird, verliert dann nicht auch der eigentliche Drehort an Bedeutung?

Rohnke: Viele Filme werden an echten locations gedreht - und gerade da ist Bayern mit seinen Bergen, Schlössern, Burgen und Kirchen in seiner Motivvielfalt unschlagbar. Aber der Kostendruck ist bei einem Außendreh immens. Wir bieten hier in Geiselgasteig viele Standardmotive, die on location schwer zu bespielen sind. Wir haben Drehvillen und Kulissenstraßen, ein Gefängnis, einen Gerichtssaal, eine Pathologie und sogar eine Flugzeugkulisse. Wo hat man das schon?

sueddeutsche.de: Umso mehr könnte man das irgendwo drehen - und der Flughafen wird dann hineinsimuliert.

Rohnke: So passiert es auch. Realdreh und Visual Effects ergänzen sich hier, und für beides gibt es gebündelte Kompetenz vor Ort. Das gibt es kaum anderswo.

sueddeutsche.de: Was ist mit Berlin? Und Köln?

Rohnke: Mit beiden Standorten stehen wir im Wettbewerb. In München haben wir den Vorteil, auf eine gewachsene Infrastruktur zurückgreifen zu können. Kunden wollen mehr und mehr Angebote aus einer Hand. Die Digitalisierung bietet die Riesenchance, technische Workflows über die gesamte Kette der Produktion zu spannen und damit auch aus einer Hand anzubieten.

sueddeutsche.de: Die Herstellung ist das eine, das andere ist die Vermarktung. Was ist mit der Werbung in der digitalen Ära?

Rohnke: Seit einem Jahr steigen die Werbeerlöse nach dem Werbeeinbruch wieder. Speziell die Fernsehwerbung ist wieder auf dem Vormarsch. Die Tatsache, dass die Privatsender sich wieder trauen, Serienformate in Auftrag zu geben, ist eine gute Nachricht für alle Produzenten, obwohl der Druck auf die Budgets bleibt. Die Margen für die Dienstleister werden leider immer schmaler.

sueddeutsche.de: Der Umsatz von Bavaria Film ist ja von 2008 auf 2009 zurückgegangen - für dieses Jahr hat ihr Mitgeschäftsführer Matthias Esche wieder stabile Umsätze prognostiziert. Trifft das nun ein?

Rohnke: Das Jahr ist ja noch nicht rum. Von der Auslastung her liegen wir gut im Geschäft. In unseren Hallen brummt's.

sueddeutsche.de: Sie wollen ja zunehmend im Privatfernsehen vertreten sein.

Rohnke: Als Dienstleister sind alle Sender und Produzenten unser Markt. RTL macht einen Serien-Piloten IK1 - Touristen in Gefahr mit uns. Das ist ein schönes Signal.

sueddeutsche.de: Ist das nicht Teil der Strategie, wie Sie durch die Wirtschaftskrise kommen?

Rohnke: Die Verbreiterung von Kundenkreisen ist immer wichtig. Jede Firma bei uns definiert ihre Märkte selbst. Ich versuche vor allem, unseren Studiostandort zu beleben - und Arbeit hierher zu holen.

sueddeutsche.de: Der Versuch, internationale Produktionen zu holen, ist bislang noch nicht weit gediehen. Was hat sie denn durch die Wirtschaftskrise gerettet?

Rohnke: Internationale Produktionen brauchen Zeit. Schneller hat unsere Kundeninitiative gewirkt. Wir haben uns systematisches Feedback von unseren Auftraggebern eingeholt - und Anregungen sofort umgesetzt. Zudem haben wir größere Einheiten geschaffen, um mehr Leistungen aus einer Hand zu bieten. Und natürlich Workflowoptimierung. Wir wollen der angenehmste und technologisch fortschrittlichste Studiostandort zu sein. Das zahlt sich in barer Münze aus.

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