TV-Kritik zu "Germany's Next Topmodel":Beschützt eure Töchter!

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Will noch näher dran sein: die achte Staffel von "Germany's Next Topmodel" von Heidi Klum (Foto: obs)

Und es kommt eben doch auf die Größe an. Und auf das Gewicht natürlich. In der achten Staffel von Heidi Klums "Germany's Next Topmodel" passiert wenig Neues, dafür ist der Zuschauer gemäß dem Motto "Closer than ever" aber unangenehm nah dabei. Interessant wird es in den Werbepausen.

Eine Nachtkritik von Matthias Kohlmaier

TV-Werbung ist so konzipiert, dass sie möglichst genau die Klientel anspricht, welche die zugehörige Sendung gerade sieht. Das bedeutet zum Beispiel: Bierwerbung läuft in den Pausen von Formel-1- und Fußballübertragungen. Was ist also die logische Konsequenz für die Werbepausen von Heidi Klums "Germany's Next Topmodel"? Genau, der Spot einer Schönheitsklinik mit dem Slogan: "Ob Brust, Gesicht oder Übergewicht: Wir können jedem helfen."

So tatsächlich passiert während der ersten Episode der achten GNTM-Staffel am Donnerstagabend. Der absurde Spot liefert die perfekte Parabel auf das ganze grausige Format. Frei nach dem Motto: Du bist zu dick, hau ab! Du bist zu klein, hau ab!

Dass in einer anderen Werbepause auch noch Werbung für die Weight Watchers gezeigt wird, hat den Abertausenden junger Mädchen und Frauen vor den Fernsehern noch mal eingeschärft, wie sie keinesfalls auszusehen haben. Und falls doch, was sie dagegen tun können. Am Ende dieser Sendung bleibt die Erkenntnis: Eltern, beschützt eure Töchter! Sonst wollen sie im schlimmsten Fall auch Topmodel werden.

Extrem jung und noch dünner

Noch finden allerdings Tausende Mädchen den Weg zur Topmodel-Bewerbung, 25 wurden für die erste Sendung der neuen Staffel auserwählt. Trotz neuer Produktionsfirma hat sich am Ablauf der Sendung wenig verändert. Auch in Staffel acht sind die extrem jungen und scheinbar noch dünneren Mädchen schon nach Folge eins auf die ihnen zugedachten Rollen verteilt. Da wäre: die Selbstbewusste, die Zweiflerin, die Heulsuse, die Unscheinbare.

Eine kleine Änderung hat das neun Jahre alte und inzwischen nur noch wenig überraschende Sendekonzept aber doch erfahren. Das Motto lautet "Closer than ever". Deshalb holen Heidi Klum und Jury-Kollege Thomas Hayo die Teilnehmerinnen von zu Hause ab - ob das allerdings für die Mädchen wirklich so unerwartet geschieht, wie angepriesen, das wissen wohl nur die Herrschaften bei ProSieben.

Das wichtigste Kennzeichen des veränderten Konzepts ist also nun die Nähe zu den jungen Frauen. Eine Nähe, die noch mehr Seelenstriptease bietet, als der Zuseher das aus vergangenen Staffeln schon gewohnt war. Nachdem der GNTM-Tross in Dubai gelandet ist - eine der 25 Topmodel-Anwärterinnen musste zuvor nach dem aus Jury-Sicht nicht zufriedenstellenden ersten Shooting in Deutschland direkt wieder die Heimreise antreten -, darf die Familie zu Hause angerufen werden. Vor laufender Kamera, versteht sich.

Dann sprechen von der Situation völlig überforderte 16-jährige Mädchen über das Hotel ("Das ist wie bei Sex and the City. Ich schwör!"). Und nachdem beim ersten Training auf dem Catwalk, der bekanntermaßen die Welt bedeutet, nicht alles geklappt hat, darf der Zuschauer beim traurigen Gespräch mit einem ratlosen Vater ("Das ist alles nicht so schlimm") hautnah dabei sein. "Closer than ever" eben.

Ihr Privatleben haben die Mädchen nun mal für die Dauer der Sendung an die GNTM-Macher abgetreten. Und ein bisschen Druck kann bestimmt nicht schaden, wenn ein echtes Topmodel gefunden werden soll. Ergo: Gerade in Dubai gelandet, sollen die Teilnehmerinnen noch am selben Abend eine Modenschau vor mehreren Hundert Zuschauern absolvieren.

In der Folge passieren natürlich Fehler, das mit dem Laufen klappt vielfach nicht besonders, eine junge Dame stolpert fast von der Bühne. Die Kamera fängt Zuschauer ein, die unverhohlen über eine der Laufstegnovizinnen lachen und sie mit dem Handy filmen. Aber die Show muss weitergehen - und Heidi Klum sagt nach zwei Stunden Sendezeit zum gefühlt tausendsten Mal: "Du bist ein bildhübsches Mädchen."

Hier scheitert die Vorbildfunktion

Was den vorwiegend jungen und weiblichen Fans der Sendung suggeriert wird, teils mit Worten, vielfach mit Bildern: Du musst dünn, groß und makellos sein, und dabei zu jeder Zeit funktionieren. Ein Beispiel: Eine 17 Jahre alte, spindeldürre Teilnehmerin sagt bei der Kleideranprobe: "Ich habe Angst, dass ich nicht die Maße hierfür habe." Wenn "Germany's Next Topmodel" jemals irgendeine Vorbildfunktion erfüllen wollte, dann scheitert der Versuch an genau solchen Stellen.

Über das Bild, das die Juroren in der Vorbild-Frage abgeben, sollte man am besten gar nicht weiter sprechen. Nur eine kurze Szene vom Beginn der Sendung: Heidi und Mitjuror Thomas Hayo sehen sich Bewerbungen an, ein Mädchen mit Körpergröße 1,75 Meter ist dabei. Heidi: "Die Untergrenze liegt bei 1,76 Meter." Thomas: "Da müssen wir hart bleiben." Und ab in den Müll mit der Bewerbung. Ob die eingangs erwähnte Schönheitsklinik wohl auch Ganzkörpervergrößerungen anbietet?

Abschließend und aus Chronistenpflicht: Fünf Mädchen sind nach Folge eins rausgeflogen, 20 sind noch dabei. Der mexikanische Fotograf Enrique Badulescu ersetzte in der Jury Designer Thomas Rath. Was aber kaum auffiel, denn Badulescu kam erst im letzten Drittel der Sendung ins Bild. Kandidatin Merle, 16, verließ die Show freiwillig. Den Druck, sagte sie, den halte sie nicht aus. Gratulation zu dieser Entscheidung.

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