"Generation Weichei" auf 3sat:Wo die Helikopter kreisen

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Szenenbild aus der 3sat-Doku Generation Weichei. (Foto: ZDF / John Collins; Beyond Distributio)

Fördern und Behüten von der Wiege bis zum Altar: Erziehung wird heute so energisch betrieben, dass Eltern mit Hubschraubern verglichen werden. 3sat widmet dem Phänomen eine Dokumentation, die sich leider mehr empört als erklärt.

Von Lena Jakat

"Manche Hubschrauber-Eltern werden zu Kampfhubschrauber-Eltern", sagt die Frau im Hosenanzug. Und niemand im Saal lacht. Schließlich sind viele der anwesenden Eltern von ihnen die Hubschrauber aus dem Scherz. Mütter und Väter, die - wohlhabender, älter und etablierter denn je - von Geburt ihres kleinen Augensterns an über selbigem kreisen. Oft 20, 25 Jahre lang. Die ihre Trophy Kids für die Welt, für sich selbst und natürlich um der Kinder selbst willen zu optimieren suchen. Und das auf allen Ebenen: emotional, intellektuell, kompetitiv. 3sat widmet dem Thema der rotierenden Erziehungsberechtigten an diesem Donnerstag einen Themenabend. Zunächst wird die Dokumentation Generation Weichei gezeigt, im Anschluss über das Phänomen diskutiert.

Die 43-minütige Reportage zeichnet das Bild einer überbehüteten Generation anhand drastischer Beispiele. Da ist die einjährige Abigail, die schon im Mutterleib mit Klopfgeräuschen aus einer Plastikdose stimuliert wurde und ihren ersten Geburtstag mit einer 4000-Dollar-Prinzessinnenparty begeht. Da ist Leylie Esfahani, die soeben einen Elite-Kindergarten in Vancouver "abgeschlossen" hat und bis zur Aufnahme an einer Elite-Grundschule ein straffes Programm zwischen Französisch- und Ballettunterricht zu absolvieren hat. Da ist der Student David MacLeod, dem seine Mutter noch ein extra Betttuch über die Matratze in Studentenwohnheimzimmer spannt. Damit sich der Junge nichts holt.

Generation der idealistischen "digital natives"

Die in dem Film als "Generation Weichei", anderswo als "Generation Y" oder Generation der Millennials bezeichnete Alterskohorte wurde zwischen den frühen 1980ern und den ersten Nullerjahren geboren. Sie wuchs in einer Welt auf, die nicht mehr in Blöcke unterteilt war und in der alles möglich schien. Ihre Vertreter sind die ersten digital natives, die mit den Kommunikations- und Informationstechnologien aufwuchsen, die die Welt verändert haben. Forscher attestieren der "Gen Y" eine Besinnung weg von Prestige und Materialismus hin zu Sinnsuche und Selbstverwirklichung. Was eine Neudefinition von Arbeit zur Folge hat, die von vertiefter Identifikation mit dem Beruf bis hin zu egozentrischer Verweigerungshaltung reichen kann. Die Millennials, die in den USA eine der zahlenmäßig stärksten, in Deutschland dagegen eine der kleinsten Generationen sind, sind optimistisch und selbstbewusst - was sie wiederum ihren Helikopter-Eltern zu verdanken haben.

Fast genüsslich zeigen Sharon Bartlett und Marie LeRose in ihrer 3sat-Doku das Extreme dieser Über-Eltern auf, die - wie Fachbuchautor Carl Honoré in die Kamera sagt - sich durch den Dreiklang "übervorsichtig, überengagiert, überbehütend" auszeichnen. Die Folgen dieses Strebens nach Superlativen sind bedenklich bis gefährlich: Kindergartenkinder in goldenen Abschlussroben und Doktorhüten. Ein Experiment mit Ratten, die weniger Synapsen ausbilden, wenn ihnen das freie Spiel verwehrt wird. Eine ganze Industrie, die High-Tech zur Rundum-Überwachung des Nachwuchses (Spyware, SIM-Karten-Leser, GPS-Tracker) entwickelt. "Das Handy als verlängerte Nabelschnur", wie es der Sprecher formuliert.

Doch obwohl die Off-Stimme zu Beginn der Reportage verspricht, die "gesellschaftlichen Folgen" der Helikopter-Erziehung aufzuzeigen, vergeht fast die Hälfte des Films, bis von Schülern die Rede ist, die in einem "fortwährenden Angstzustand leben". Bis die ersten Opfer der Überbehütung ihr Studium beginnen und Karen Van Norman auftritt. Die Frau im Hosenanzug von der Seton Hall University in New Jersey versucht, in Vorträgen Eltern die Angst zu nehmen. Langsam bekommen die Zuschauer der Dokumentation eine erste Ahnung davon, was mit besagten gesellschaftlichen Folgen gemeint sein könnte.

Ob die Universität Münster, die seit 2004 akademische Wochenenden mit dem ironischen Titel "Elternalarm" anbietet, oder Lehrer, die von Eltern regelmäßig mit dem Anwalt bedroht werden: Die These des Films dürfte auch die Erfahrungen vieler Menschen in Deutschland bestätigen. Schade nur, dass die Beispiele allesamt aus dem nordamerikanischen Raum kommen und dem Film dadurch der Hauch eines Untertons von "Jaja, die hysterischen Amis halt" anhaftet. Mag die Generation Y in Grundzügen sowohl dies- wie auch jenseits des Atlantik existieren, so dürften sich ihre Mitglieder doch ebenso stark unterscheiden wie die Erziehungsstile und Bildungssysteme. Als deutscher Kornzeuge für den Trend zum Überelterntum kommt lediglich Josef Kraus zu Wort. Der Präsident des deutschen Lehrerverbands hat das Buch "Helikopter-Eltern. Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung" geschrieben und spart nicht an markigen Formulierungen, wenn er etwa von der "elektronischen Fußfessel" spricht, die Eltern ihren Kindern mithilfe moderner Technik anlegten.

Bei Kraus ebenso wie bei dem Sprecher des Off-Texts wirkt die Kritik an den Helikopter-Eltern bisweilen dennoch wie schlecht verkleidete Nostalgie. "Wie war das noch, als Geburtstage noch Geburtstage waren und keine Meilensteine?", fragt der Sprecher zum Beispiel. Und am besten entwickeln sich Kinder laut Kraus beim Spielen im Wald oder Garten - was angesichts all der Stadtkinder arg idealistisch klingt. "Generation Weichei" reißt die eigentlichen negativen Aspekte der Helikopter-Erziehung nur an: Studenten kommen zu Wort, die sich wegen Angststörungen in Therapie befinden, das Kunstwerk eines jungen Mannes wird gezeigt, der den akademischen Druck als Gefängniszelle dargestellt hat, ein Personaler beklagt, dass manche Eltern inzwischen sogar das Gehalt für ihre Kinder aushandeln wollen. Doch es bleibt bei diesen Schlaglichtern auf die USA und Kanada.

Was bedeutet die Generation Y nun für die Gesellschaft, für die Wirtschaft? Kann sie, wie die Zeit kürzlich argumentierte, vielleicht eine durchaus positive Revolution im Arbeitsleben bewirken? Hat sie womöglich wirklich die Kraft, die Welt zum Guten zu verändern? Fragen, auf die vielleicht die Diskussionsrunde im Anschluss an die Dokumentation Antworten sucht.

Generation Weichei , 3sat, 20.15 Uhr

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