Süddeutsche Zeitung

Gefangener Journalist in Aleppo:Mitten im Krieg

Seit mehr als zwölf Wochen sitzt der deutsche Journalist Armin Wertz in einem Gefängnis in Aleppo. Ob er bald freigelassen wird, ist ungewiss. Alle Beteiligten wollen ihr Gesicht wahren, außerdem wütet in Syrien der Krieg.

Von Jörg Hafkemeyer

Seit gut zwölf Wochen sitzt der Journalist Armin Wertz, 68, in der heftig umkämpften Stadt Aleppo im Gefängnis. Seit elf Wochen gibt es keinen Kontakt mehr zu ihm - einem Freund in Frankfurt hatte er seinerzeit eine SMS geschrieben, er werde von den syrischen Sicherheitskräften "korrekt behandelt".

Auch das Außenministerium in Berlin gibt keinerlei Auskünfte. Die Haltung des Auswärtigen Amtes (AA) ist es, in "solchen Fällen nichts verlautbaren zu lassen". Angeblich gibt es keinen neuen Sachstand, aber auch das will das AA weder bestätigen noch bewerten. Kontakt hält die Behörde zu seinem Bruder. Soweit zum offiziellen Teil. Nach SZ-Informationen aber ist Armin Wertz am Leben und nach wie vor im Zentralgefängnis von Aleppo.

Dem deutschen Journalisten, der in Djakarta lebt, wird von den syrischen Stellen vorgeworfen, ohne Visum in das Land eingereist zu sein. Eine geheimdienstliche Tätigkeit wird ihm nicht zur Last gelegt. Derzeit werden elf weitere Journalisten in Syrien vermisst oder sind in Haft. Darunter zwei Franzosen, zwei US-Amerikaner, ein Italiener sowie ein Jordanier. Über deren Verbleib ist nichts Genaueres bekannt.

In dem Gefängnis von Aleppo werden etwa 4000 Häftlinge festgehalten. Und es ist schwer umkämpft. Mitte Mai, Armin Wertz war erst ein paar Tage in Haft, griffen Einheiten der berüchtigten Rebellengruppe Al-Nusra-Front das Zentralgefängnis an. Nach blutigen Gefechten schlug die Armee sie zurück. Ende Juni, Wertz war da fast zwei Monate in Haft, griff die Al-Nusra-Front wieder an. Erneut wurde sie verlustreich zurückgeschlagen.

Armin Wertz ist während dieser Zeit erkrankt. Mit zu hohem Blutdruck wurde er in das Universitätsklinikum verlegt. Nach allem, was bekannt ist, wurde er dort gut behandelt und anschließend zurück in das Gefängnis gebracht.

Wer entscheidet im Kriegsgebiet über die Freilassung?

Mehr als drei Monate, nachdem er im Auftrag deutscher Zeitungen und zweier englischsprachiger Blätter in Singapur in das türkisch/syrische Grenzgebiet eingereist ist, scheint seine baldige Freilassung ungewiss zu sein. Denn die Situation ist vertrackt: Die deutsche Botschaft in Damaskus gibt es nicht mehr, sie ist geschlossen. Die diplomatische Arbeit wird von Beirut aus gemacht. Das Auswärtige Amt arbeitet wohl mit Hochdruck daran, Wertz aus dem Gefängnis und aus dem umkämpften Land heraus zu bekommen. Zu einer Freilassung, Übergabe und Reise nach Deutschland hat das bisher nicht geführt.

Das ist auch schwierig angesichts der Lage in und um Aleppo: Ebenso wie im Gebiet zwischen der nördlichen Stadt und den Außenbezirken von Damaskus herrscht dort Krieg. Wer entscheidet über seine Entlassung? Wer bringt ihn heraus und wohin? Nach Libanon? In Berlin sind dazu weder vom AA noch vom Geschäftsträger der Botschaft von Syrien Auskünfte zu erhalten.

Nach SZ-Informationen hat die syrische Regierung auf inoffiziellen Kanälen signalisiert, sie habe ein Interesse, dass die westlichen Häftlinge bald entlassen werden können. Darüber wird gesprochen. Nach allem, was zu erfahren ist, wird Geduld und Diskretion nötig sein, um Wertz so aus dem Gefängnis herauszuverhandeln, dass alle Beteiligten ihr Gesicht wahren können. Das und der Krieg machen dieses Vorhaben so schwierig.

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Quelle:
SZ vom 06.08.2013/jspe/pak
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