Geburtstagsparty in Tschetschenien:MDR-Fernsehballett tanzte für Kadyrow

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Hilary Swank, Seal, Vanessa Mae, Kevin Costner und B-Film-Star Jean-Claude Van Damme. Zum 35. Geburtstag des skrupellosen tschetschenischen Machthabers Ramsan Kadyrow gaben sich - gegen gute Bezahlung - nicht nur Stars die Ehre. Auch ostdeutsche Sternchen schwangen ihre langen Beine in Grosny. Kritiker sind sich nicht ganz einig, ob das nun "fatal" ist - oder einfach nur "politisch unzurechnungsfähig".

Der MDR hat es gerade aber auch nicht leicht: Nun haben auch noch Mitglieder des Fernsehballetts des Mitteldeutschen Rundfunks an der Geburtstagsparty für Ramsan Kadyrow teilgenommen. "Ja, wir waren mit sechs Tänzern in Grosny", bestätigte der Geschäftsführer des Ballett-Ensembles, Bodo Bergmann, der Bild am Sonntag und fügte hinzu: "Wir haben diskutiert, ob eine solche Reise für die Tänzer sicher genug ist."

MDR-Fernsehballett tanzte in Grosny: Beine schwingen für Diktator Kadyrow (Foto: dpa)

Nun ja, wenn das denn mal alle Sorgen der Tänzer und Tänzerinnen waren. Folter? Verwindenlassen von Oppositionellen? Personenkult? Wahlfälschungen? Mit diesen ernsthaften Fragen, haben sich die Angehörigen des Fernsehballets offenbar nicht auseinandergesetzt, schließlich kommt es in der Teilrepublik auch immer wieder zu blutigen Anschlägen.

Die Balletttänzer waren den Worten des Geschäftsführers zufolge über den Zauberkünstler Jan Rouven für die Feier in der tschetschenischen Hauptstadt gebucht worden und standen gemeinsam mit dem Illusionisten auf der Bühne. Die Show-Nummer wurde live im russischen Fernsehen übertragen. Anschließend berichteten Tänzerinnen des MDR-Balletts laut BamS auf Facebook über den Auftritt und stellten Erinnerungsfotos aus Grosny ins Internet. Zur Höhe der Gage gab es keine Angaben. Einige Tänzer hätten die Reise zu Kadyrows 35. Geburtstag allerdings abgelehnt, berichtet die BamS.

Fatal, unanständig, politisch unzurechnungsfähig

Die Osteuropaexpertin der Grünen-Bundestagsfraktion, Marieluise Beck, kritisierte den Auftritt als "unanständig". Damit hätten die Tänzer "einen Diktator hofiert, der für schwerste Menschenrechtsverletzungen verantwortlich ist", sagte Beck am Sonntag in Berlin. Bergmann, der Geschäftsführer des Balletts, müsse sich fragen lassen, "ob er nur politisch unzurechnungsfähig ist" oder ob ihm jegliche demokratische Standards gleichgültig seien. "Wir gehen davon aus, dass dieser Auftritt eine Nachlese in den MDR-Gremien haben wird", sagte Beck.

Peter Franck von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International nannte den Auftritt des Fernsehballetts bei Machthaber Kadyrow "fatal". Kadyrow verletze "auf das Schwerste die Menschenrechte", sagte Franck der BamS. "Eine Beteiligung an seiner Geburtstagsfeier trägt zur Stabilisierung dieses Unrechtssystems bei."

Kadyrow hatte in der vergangenen Woche mit großem Pomp seinen Geburtstag gefeiert. Der für seinen ausschweifenden bis exzentrischen Lebensstil bekannte Politiker, dessen Milizen Morde und Entführungen vorgeworfen werden, hatte für die Feierlichkeiten zahlreiche internationale Stars eingeladen, neben US-Schauspielerin Hilary Swank waren auch ihre Schauspieler-Kollegen Jean-Claude Van Damme, Kevin Costner, die britische Geigerin Vanessa Mae und Schmusesänger Seal, Ehemann von Heidi Klum, vor Ort. Offiziell abgesagt hatte nur die kolumbianische Sängerin und Superstar Shakira.

Offiziell sollte mit der Party ein Neubaukomplex in der noch immer vom Krieg gezeichneten Hauptstadt Grosny eingeweiht werden. Das Luxusviertel inklusive eines Komplexes mit Fünf-Sterne-Hotel und moderner Klinik steht im krassen Widerspruch zur Armut in der islamisch geprägten Region. Hübsch war das Fest mit Feuerwerk, Artisten und einer Laser-Show trotzdem anzusehen. Staatsmedien berichteten von geschmückten Straßen, aber auch von starken Sicherheitsvorkehrungen rund um das neue Viertel Grosny-City mit Fassaden aus Naturstein und Bürgersteigen aus Granit.

Swank entschuldigte sich inzwischen für ihre Teilnahme an der Party in Grosny. Sie bedaure es "zutiefst, an diesem Event teilgenommen zu haben", erklärte die Oscar-Preisträgerin am Freitag. Man habe ihr das Event als "Symbol der Hoffnung für die Menschen von Tschetschenien" angepriesen - diese Stimmung habe sie unterstützen wollen. Als man sie darum bat, Kadyrow zum Geburtstag zu gratulieren, habe sie nicht unfreundlich sein wollen. Dass dem Präsidenten Verstöße gegen die Menschenrechte vorgeworfen werden, sei ihr nicht bekannt gewesen.

Erst im Frühjahr hatte Kadyrow Fußball-Weltstars wie den deutschen Rekordnationalspieler Lothar Matthäus nach Grosny gelockt.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch kritisierte die Künstler für ihre Auftritte. In einer Mitteilung forderte die Organisation die Stars auf, die Gage für den Auftritt am 5. Oktober zurückzuzahlen. "Es gibt keinen Mangel an Informationen über Kadyrows furchtbare Menschenrechtsakte", kommentierte die Menschenrechtsorganisation trocken.

© sueddeutsche.de/lala mit Material von AFP, dpa und dapd - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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