Geburtstag:Der Meinungsforsche

Helmut Markwort

"Redet möglichst wenig über mich": Helmut Markwort fürchtet, dass es bei der Geburtstagsparty zu einer Gratulationsorgie kommen könnte.

(Foto: dpa)

Helmut Markwort ist seit sechs Jahrzehnten Medienschöpfer und Mediengeschöpf. Diesen Donnerstag wird er 80.

Von Christian Mayer

Helmut Markwort hat in seinem Journalistenleben selten ein Blatt vor den Mund genommen, es sei denn, es war der Focus, mit dem er gerne herumwedelte. Nun aber, zu seinem 80. Geburtstag, fordert er Zurückhaltung - freilich nicht von sich selbst. Der Jubilar fürchtet, dass es bei der Feier im Münchner Postpalast mit 450 Gästen zu einer Gratulationsorgie kommen könnte. "Das will ich im Keim ersticken und in meiner Rede fordern: Redet möglichst wenig über mich!" Als Veteran der deutschen Aufmerksamkeitsindustrie weiß er natürlich auch, wie illusorisch ein solcher Appell ist: Es werden sich schon genügend Markwort-Freunde mit selbstgeflochtenen Kränzen nach vorne drängen.

Seit sechs Jahrzehnten währt nun die Karriere des Darmstädters, der sich als "Rechtsliberalen" bezeichnet, weil er in "Freiheitsfragen" eher bei der FDP sei und in "Sicherheitsfragen" und der Flüchtlingspolitik "nah bei Horst Seehofer". Markwort blieb nach dem Abitur zunächst seiner Heimat treu, er volontierte 1956 beim Darmstädter Tagblatt. Dann kletterte er unaufhaltsam nach oben, war Lokalchef beim 8-Uhr-Blatt in Nürnberg, Leiter der Düsseldorfer Stern-Redaktion, Chefredakteur und Geschäftsführer bei Gong - Zeitschriften wie Die Aktuelle und Ein Herz für Tiere galten als seine Erfindungen, wie Markwort ohnehin Medienschöpfer und Mediengeschöpf in einem ist. Geld verdiente er auch mit dem Radio. Damals herrschte auf dem privaten Hörfunkmarkt Goldgräberstimmung. Bis heute hält Markwort Anteile bei 30 Sendern, "aber nicht als Investor, sondern als Gründer".

Anfang der Neunzigerjahre begab er sich in die Dienste des Münchner Verlegers Hubert Burda. Wenn der nach Art eines Kalifen über sein weitverzweigtes Zeitschriftenreich herrschte, dann war Markwort sein wuseliger Großwesir - in gewissen Kreisen galt er als Parvenu, als Produzent einer "Info-Illustrierten", über die die Konkurrenz hochmütig die Nase rümpfte - anfangs. Für Markwort selbst war die Gründung des Focus im Januar 1993 eine publizistische Notwendigkeit, um dem Spiegel endlich mal Konkurrenz zu machen. Im Focus durfte man auch was Nettes über den Einheitskanzler Helmut Kohl schreiben. In seinen Glanzzeiten hatte das Magazin eine verkaufte Auflage von 800 000 Stück. Markworts Wunder- und Plundertüte war so gespickt mit Anzeigen, dass sie in keinen Briefkasten passte. Ja, es waren schöne Zeiten für Printmedien, nicht nur für den Focus. Titel für Titel konnte Markwort seine Liebe zur Nutzwertigkeit ausleben, die besten Ärzte und Anwälte küren, die Hamburger ärgern und seinen Verleger reich machen. 2010 waren die Markwort-Jahre, die zum Schluss auch keine fetten mehr waren, vorbei, seitdem hat der Focus an Glanz und Auflage verloren, aber an ehemaligen Chefredakteuren zugelegt.

Einer wie er gibt so schnell keine Ruhe. Seine Kolumne auf der letzten Seite im Focus führt er weiter, der BR-Stammtisch mit Dieter Hanitzsch und Wolfgang M. Heckl bleibt auf Sendung, als Hobby hat er noch seine Gratiszeitung, das Darmstädter Tagblatt. Dass er, meinungsforsch wie er ist, im Mai 2016 den Rücktritt von SPD-Chef Sigmar Gabriel prophezeite, sieht er leicht zerknirscht: "Ich weiß bis heute nicht, wer mich da reinreiten wollte - aber letztlich hat es dem Gabriel ja genützt."

Markwort bleibt mit 80, wie er schon mit 60 und 70 war: lautstark-polternd, extrovertiert, unbescheiden, fröhlich, begeisterungsfähig, gelegentlich dünnhäutig und mindestens so gesellig wie seine Lebensgefährtin Patricia Riekel, bis vor Kurzem Chefredakteurin der Bunten. 2016 bezeichnet er als "schreckliches und schönes Jahr". Dass die Hamburger Kollegen die Wahl von Donald Trump als Weltuntergangs-Titel verkauften, findet er lustig, "das hätte ich von der Titanic erwartet". Die Apokalypse muss warten, solange Markwort im Spiel ist. Kürzlich habe er ein verlockendes Angebot des Staatstheaters Darmstadt ablehnen müssen: In Jacques Offenbachs Oper "Orpheus in der Unterwelt" war der begeisterte Laienschauspieler für die Rolle der "Öffentlichen Meinung" vorgesehen. "Tolle Sache!" Und ihm auf den Leib geschrieben, denn er hätte sich seinen Part selbst zusammenreimen dürfen. Im Spielplan von Helmut Markwort fand sich nur leider keine Lücke.

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