Fußballer im Fernsehen:Rätselhafte Größen

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Weil die deutsche Nationalmannschaft ein besseres Image braucht, werden ihre Vorzeigekicker jetzt sogar zu "Wer wird Millionär?" geschickt. Das ist einerseits seltsam, weil sie als Millionäre kommen, hat der Sendung aber auch nicht geschadet, weil Mitraten immer Spaß macht. Der Gewinn für den DFB bleibt dagegen unklar.

Von Martin Schneider

Die deutsche Fußballnationalmannschaft hat gerade ein kleines bis größeres Imageproblem. Die Einschaltquoten der Spiele sind so niedrig wie seit Jahren nicht mehr, beim Testkick gegen die Türkei schauten erstmals weniger als sieben Millionen Zuschauer zu, und viele Menschen haben ein diffuses Ablehnungsgefühl gegenüber der ersten Mannschaft im Staate, Begriffe wie "abgehoben" fallen häufiger.

Da gilt es, etwas dagegen zu tun, und weil öffentliche Trainingseinheiten und Autogramme gerade schwer möglich sind, hatte der zuständige Direktor beim Deutschen Fußball-Bund (DFB), Oliver Bierhoff, die Idee, Spieler zu Günther Jauch zu schicken und dort raten zu lassen.

Das mit dem Imagegewinn klappte im Vorfeld übrigens nicht reibungslos, weil vielen Nutzern sogenannter sozialer Medien auffiel, dass an einer Sendung mit dem Titel "Wer wird Millionär?" vermutlich zum ersten Mal in deren Geschichte nur Millionäre teilnehmen. Aber es ging ja um den guten Zweck.

Joshua Kimmich, Leon Goretzka, Lukas Klostermann, Niklas Süle, Kevin Trapp und Bierhoff selbst spielten dann mit - allesamt Fußballer der Kategorie modern, aufgeklärt, vorzeigbar. Das Klischee des dämlichen Kickers hält sich ja hartnäckig, hat mit der Realität aber schon lange wenig zu tun. Bei der Weltmeisterschaft 2010 war der Abiturschnitt innerhalb der Nationalmannschaft höher als in der Bevölkerung, Kimmich hat gar einen 1,7er-Abschluss hingelegt.

Ein bisschen spielte die Redaktion dann mit den Vorurteilen, packte ein paar Alltagsfragen auf den Schirm nach Kfz-Plakette und Flaschenpfand, von denen Fußballer keine Ahnung haben, weil sie zwar in der Regel nicht dumm sind, aber dann eben doch in einer Parallelwelt leben, in der man seine Getränkekisten nicht selbst wegbringen muss. Blamiert hat sich trotzdem keiner. Also alles gut? Imagegewinn da?

Wer sich ein bisschen mit Fußball befasst, der lernte über die anwesenden Nationalspieler tatsächlich wenig Neues - außer vielleicht, dass sich das Ausgeh-Outfit: "schwarze Hose, schwarzer Pullover und weiße Sneaker" absolut alternativlos durchgesetzt hat. Moderne Fußballer werden dazu erzogen, in der Öffentlichkeit bloß nichts Falsches zu sagen. Das hat natürlich seinen Grund, sobald sie es nämlich tun, ist die Chance groß, dass es ihnen medial um die Ohren fliegt. Es führt aber in letzter Konsequenz dazu, dass Aussagen gleichförmig und beliebig werden. Da den Spagat zu schaffen, ist nicht so einfach, und vielleicht ist es ja schon ein Erfolg, wenn man bei der neuen Generation um Kimmich und Goretzka einen kleinen Fortschritt beim Wechsel zwischen authentisch und diplomatisch erkennen kann.

Vermutlich war der Auftritt mehr ein Imagegewinn für die Sendung als für die Teilnehmer, weil einem noch mal klar wurde, warum Günther Jauchs Quiz seit fernsehbiblischen 21 Jahren ununterbrochen läuft. Raten macht Spaß, Mitraten noch mehr. Eine interessante Frage ist eine interessante Frage, und ob nun ein Nationalspieler zusammen mit den Zuschauern überlegt, was ein günstig zu habender "Beisteller" sei (Wellensittich, Katze, Pferd oder Schwein), oder ob das der Lehrer aus Oberhausen oder die Ärztin aus Cottbus tut - das ist schon fast egal.

Auf dem Stuhl werden alle gleich. Alle sind bei den Einstiegsfragen nervös, alle rätseln über den optimalen Gebrauch der Joker, und alle fragen sich bei unsicherer Faktenlage, ob man die bereits erspielte Summe aufs Spiel setzen soll oder nicht. Fußballer riskieren gleichwohl keine eigenen Summen, dafür steigt bei ihnen die Chance, sich zu blamieren, was man in ihren Gesichtern vor allem bei den 50- bis 500-Euro-Fragen sehen konnte.

Gleichwohl hat der Auftritt der Nationalmannschaft natürlich noch ein paar andere Hintergründe. RTL hält die Rechte für die Übertragung der Freundschaftsspiele der Nationalmannschaft, für den DFB sind sie gerade in Corona-Zeiten eine wichtige Einnahmequelle. Außerdem stand die Steuerfahndung vor der Verbandszentrale, da tun ein paar andere Schlagzeilen gut - da ist allerdings keine Absicht zu unterstellen. Das konnte Bierhoff wohl kaum vorher wissen.

Und: So viele Sendungen, in die man fünf Nationalspieler und einen DFB-Direktor vor ein größeres Publikum im deutschen Fernsehen setzen kann, gibt es ja nun auch nicht mehr. Im Tatort mitspielen wäre eine Möglichkeit. Aber das gibt weder der enge Spielplan her, noch wäre eine Krimiserie der richtige Ort, wenn die echte Polizei gerade vorbeigeschaut hat.

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