Amateurfußball-Doku:Für immer Blau-Weiß Grana

Amateurfußball-Doku: Für Blau-Weiß Grana spielten nach 2015 viele Geflüchtete, weil beim Kicken auf der Wiese ihr Talent auffiel.

Für Blau-Weiß Grana spielten nach 2015 viele Geflüchtete, weil beim Kicken auf der Wiese ihr Talent auffiel.

(Foto: Benjamin Kahlmeyer/MDR)

"They call us Ausländerteam": Eine MDR-Doku-Serie erzählt die Geschichte eines Fußball-Kreisligisten, der sich gegen Rassismus wehrt.

Von Sebastian Fischer

Fußball zu spielen, das war in den vergangenen zwei Pandemiejahren nicht immer so einfach, wie es sein sollte. Während in der Bundesliga mit Hygienekonzept gekickt wurde, waren Sportplätze monatelang geschlossen. Vereine hatten es schwer, ihre Mannschaften zusammenzuhalten. Auch beim SV Blau-Weiß Grana mussten Trainer und Kapitän am Ende der Corona-Pause einmal durchzählen: "Paul? Verletzt. Khalifa? Gelb-rot. Benni? Hat sich den Finger abgequetscht. Hasan? Ist auf Arbeit. Darius? Ich weiß es nicht. Momo? Kann nicht. Nadji? Ist auch nicht da."

Filmemacherin Vera Weber hat den Kreisligisten Blau-Weiß Grana eine Saison lang begleitet, für eine Doku-Serie, mit der beim MDR unter dem Label "so close" ein neues Format für serielles Erzählen startet. Vier rund 20 Minuten lange Folgen zeichnen das liebevolle Porträt einer Fußballmannschaft, wie es so ähnlich in Deutschland glücklicherweise noch immer viele gibt: Der Trainer denkt schon während der Arbeit an die Aufstellung fürs nächste Wochenende, der Kapitän zeichnet mit Bleistift ein Mannschaftsbild, so sehr hat er das Team ins Herz geschlossen. Der Ball kommt auch auf knöchelhohem Rasen irgendwie an, die Zigarette vor dem Spiel gehört dazu. Der Aufstieg ist das Ziel. Und die Spieler stammen aus verschiedenen Ländern. Zwölf Nationen sind es in Grana.

Das Ungewöhnliche, das Traurige an der Geschichte dieser Mannschaft ist, wie ihr begegnet wurde - so legt es schon der Serientitel nahe: "They call us Ausländerteam". Grana ist ein Vorort von Zeitz, einer Provinzstadt in Sachsen-Anhalt, in der bei der Landtagswahl 2021 das Direktmandat an die AfD ging. Für Blau-Weiß spielten nach 2015 viele Geflüchtete, weil beim Kicken auf der Wiese ihr Talent auffiel, der Verein sie brauchte und wollte. 2019 twitterte der damalige Außenminister Heiko Maas: "Solidarität mit einer Mannschaft, die tolle Arbeit leistet und es gerade echt nicht einfach hat!"

Amateurfußball-Doku: In der Dokumentation erzählen die Spieler, wie sie sich gegen Rassismus wehrten - und zusammenhielten.

In der Dokumentation erzählen die Spieler, wie sie sich gegen Rassismus wehrten - und zusammenhielten.

(Foto: Benjamin Kahlmeyer/MDR)

Was zuvor geschehen war, hatte bundesweite Aufmerksamkeit erfahren. Ein Gegenspieler verletzte sich im Zweikampf mit Granas Spieler Momodou Jawara schwer, woraufhin der Vater des Verletzten den aus Gambia nach Deutschland geflüchteten Jawara anzeigte. Von Vorsatz war die Rede, obwohl die Schiedsrichterin im Spielbericht nichts dergleichen vermerkt hatte. Der Vorfall wurde entsprechend einseitig von der Lokalzeitung aufgeschrieben und dann in den sozialen Netzwerken verbreitet. Rassisten hetzten gegen Jawara - und die Gegner in der Kreisliga boykottierten Blau-Weiß Grana. Sogar der Trikotsponsor beendete seine Unterstützung. "Zu viele Schwarze", so habe die Begründung gelautet.

Die Serie beginnt in der Saison danach, rückblickend erzählen die Spieler von den erschreckenden Geschehnissen und was daraus erwuchs. Sie erzählen, wie sie sich wehrten und zusammenhielten. Sie erzählen von der Angst, dass noch mal etwas ähnliches passieren könnte, und warum sie trotzdem weiterspielen. Und sie erzählen von ihren Problemen, die wichtiger sind als Fußball. Pauls Handy-Guthaben reicht im Telefonat mit seiner Tochter in Gambia nur für ein paar Sätze. Mahdi aus Afghanistan muss einen Anwalt bezahlen, um seine Familie besuchen zu können.

Und Johannes, der zeichnende Mannschaftskapitän, spricht über die Strukturschwäche seiner Heimatstadt Zeitz. Für die Jugend gibt es wenige Gründe zu bleiben. "Irgendwann sitzt man nur noch mit den Alten hier", sagt er. Und man kann ja nicht für immer Fußball spielen.

"They call us Ausländerteam" , vier Folgen in der ARD-Mediathek

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