Der frühere Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung, Hans Werner Kilz, übt Kritik am Verhalten von Bundespräsident Christian Wulff im Umgang mit der Bild-Zeitung. "Ein so törichtes Vorgehen wie bei Wulff habe ich noch bei keinem Spitzenpolitiker erlebt. Spätestens als Diekmanns Mailbox ansprang, hätte er auflegen müssen", sagte Kilz im Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger.
Wulff habe stattdessen ein Tondokument geliefert, mit dem er sich jetzt vorführen lassen müsse. "Das schadet dem Amt und gibt den Amtsinhaber der Lächerlichkeit preis", sagte der Kilz, der auch mehrere Jahre an der Spitze der Spiegel-Redaktion stand.
Wulff habe sich "als Präsident der Bunte- und Bild-Republik gesonnt" und sich zu sicher gefühlt, weil er bei seiner Scheidung in der Boulevard-Presse gut weggekommen war und die neue Frau an seiner Seite dort strahlend platzieren konnte. Offenbar habe er deshalb geglaubt, er könne die jetzigen Unannehmlichkeiten auf kurzem Weg erledigen. "Da musste er sich eines Besseren belehren lassen. Zumal ich bisher an keiner Stelle erkennen kann, dass Bild etwas Unzutreffendes berichtet hätte. Da hat Wulff natürlich umso schlechtere Karten", sagte Kilz.
Allerdings fordert Kilz seine Journalisten-Kollegen auf, weniger Aufhebens um Wulff und den Anruf bei Bild-Chef Diekmann zu machen. Den direkten Draht zwischen Spitzenpolitikern und Chefredakteuren habe es immer gegeben. "Ich verstehe zwar, dass die Journalistenverbände jetzt Zeter und Mordio schreien müssen, weil angeblich die Pressefreiheit in Gefahr sei. Aber ich würde das Ganze etwas tiefer hängen. Journalisten sollten nicht so larmoyant sein. Wir teilen gerne aus, dann sollten wir auch einstecken können", betont Kilz.
Hans Werner Kilz war von 1996 an bis zu seinem Ruhestand Ende 2010 Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung. Inzwischen ist er Mitglied des Aufsichtsrates der Mediengruppe M. DuMont Schauberg, zu der auch der Kölner Stadt-Anzeiger gehört.