Freihandelsabkommen zwischen EU und USA:Auf einer Linie mit Paris

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"Wir brauchen die Freiheit, stets neu entscheiden zu können", sagt BR-Intendant Ulrich Wilhelm. (Foto: picture alliance / dpa)

Nicht nur Frankreich legt sich schon vor den Gesprächen über ein Freihandelsabkommen mit den USA quer. Auch die öffentlich-rechtlichen Sender Europas kritisieren die geplanten Verhandlungen, die den Bereich Audiovisuelles einschließen sollen. Der Intendant des Bayerischen Rundfunks, Ulrich Wilhelm, befürchtet Einschränkungen der Flexibilität.

Von Cerstin Gammelin und Michael Klaesgen

Die öffentlich-rechtlichen Sender Europas (EBU) eilen Paris zu Hilfe. Sie unterstützen die französische Forderung, den Bereich Audiovisuelles von vornherein aus den Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen mit den USA auszuschließen. Gerade im Internet entwickelten sich die Dinge "schnell und unvorhersehbar", sagte Ulrich Wilhelm, Mitglied des Vorstandes der EBU und Intendant des Bayerischen Rundfunks (BR) am Donnerstag der Süddeutschen Zeitung. "Wir brauchen deshalb die Freiheit, stets neu entscheiden zu können."

Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten müssten sich die Möglichkeit erhalten, Regelungen in den Medien flexibel an Entwicklungen anpassen zu können. "Mit einer Unterwerfung des kulturellen Sektors unter die Bedingungen des Freihandelsabkommens wäre diese Handlungsfreiheit nicht mehr gegeben", sagte Wilhelm.

Der BR-Intendant und frühere Sprecher von Kanzlerin Angela Merkel kritisierte die Bundesregierung, die trotz anfänglicher Zusagen, Medien und Internet aus den Verhandlungen auszunehmen, nun auf die Seite der Länder geschwenkt ist, die das nicht für nötig halten.

"Die Interessen der Medien und Kulturinstitutionen in Deutschland sollten eigentlich nicht bei der französischen Regierung besser aufgehoben sein als bei der deutschen", sagte er. Medien dürften nicht einseitig als Wirtschaftsgut betrachtet werden. Sie sicherten die Meinungsvielfalt in der Demokratie und seinen Ausdruck kultureller Identität.

Die Bundesregierung sei "zu optimistisch", wenn sie glaube, dass man einmal beschlossene Regeln in einem Freihandelsabkommen wieder wegverhandeln könne. Er glaube "nicht daran, dass wir den Besonderheiten von Kultur und Medien in laufenden Verhandlungen mit den USA nachträglich noch im erforderlichen Umfang Rechnung tragen können". Die Preisgabe der künftigen Gestaltungshoheit auf diesem gesellschaftlich so zentral wichtigen Gebiet laufe dem demokratischen und kulturellen Selbstverständnis "diametral zuwider".

An diesem Freitag treffen sich die Handelsminister der 27 europäischen Länder, um das lange vorbereite Mandat zu unterzeichnen, das die Europäische Kommission bevollmächtigt, Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit den USA zu beginnen. Das Mandat soll einen Bestandsschutz für bestehende Subventionen oder Quotenregeln geben, mit denen Länder wie Frankreich, Deutschland, Italien und Großbritannien nationale Medien fördern.

EU-Diplomaten bezweifeln, dass die Unterschrift am Freitag gelingt. Grund ist die Drohung aus Frankreich, ein Veto einzulegen, wenn das Mandat nicht explizit ausschließt, überhaupt über Audiovisuelles zu reden. Paris fürchtet vorrangig nicht um den Fortbestand seiner Film- und Musikindustrie, will sich aber vorbehalten, den Bereich weiter ausgestalten zu dürfen. Deswegen hält es die Zugeständnisse aus Brüssel, Subventionen und Quoten beibehalten zu dürfen, für nicht ausreichend.

Aus Paris verlauten auch grundsätzliche Zweifel, ob ein Freihandelsabkommen ausschließlich ökonomischen Nutzen für Europa habe. Es gebe dazu keine verlässlichen Erkenntnisse, hieß es am Donnerstag in Paris. Zudem hätten auch die USA Bedenken geäußert, über Bereiche wie Finanzdienstleistungen oder maritimen Verkehr zu verhandeln.

Offiziell sei dies allerdings nicht bekannt. Dem Vernehmen nach wollen die USA mit einem Mandat in die Verhandlungen gehen, dass keine Bereiche ausschließt. Es soll an diesem Freitag in Washington beschlossen werden. Auf dem G-8-Gipfel in Nordirland kommenden Montag wollten beide Seiten den Beginn der Verhandlungen verkünden, was angesichts der Drohungen aus Paris - und falls die Kommission Frankreich nachgibt auch aus London - unsicher ist.

Das sorgt für Ärger in Brüssel. Paris betreibe Symbolpolitik, heißt es im Umfeld von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy. Die Amerikaner seien nicht interessiert, europäische Quoten anzutasten. Wenn sie einen Film machten, sei der ohnehin für eine Milliarde Menschen weltweit. Statt über Quoten zu streiten, sollten sich die Europäer den wirklichen Mehrwert klar machen, den ein Freihandelsabkommen bringe.

Heute beherrschten Europa und Amerika noch die Hälfte des Weltmarkts. Jetzt seien sie folglich noch in der Lage, Standards und Regeln zu setzen, die weltweit gelten werden. "Gelingt das nicht, kommen die Regeln bald von anderswo." Und für Großbritannien habe das Abkommen eine ganz besondere Bedeutung: Es könne Premier Cameron als Argument dafür dienen, als Freihandelsnation in der EU zu bleiben.

© SZ vom 14.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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