Freie Journalisten:Vogel im Himmel

Lesezeit: 1 Min.

Freie Journalisten aus Print und Rundfunk üben Kritik an ihren Auftraggebern: In Hamburg wird von den Freischreibern der Himmel-und-Hölle-Preis vergeben, in Berlin verabschieden Mitarbeiter der ARD-Sender eine Resolution.

Von René Martens

Das Betahaus im Hamburger Schanzenviertel, ein sogenannter Coworking Space für Nomaden ohne Büro, liegt direkt an einer Bahnstrecke, sodass das gesprochene Wort hier beständig durch das diskrete Donnern eines Zuges angereichert wird. Hier vergaben die Freischreiber, der Berufsverband freier Journalisten, am Freitag ihren Himmel- und Hölle-Preis.

Den Himmel-Preis erhalten normalerweise Redaktionen, die vorbildlich mit Freien umgehen. In diesem Jahr ging der Preis erstmals an eine Einzelperson, den Münchner Urheberrechtsexperten Martin Vogel. In den Himmel kommt er, weil er ein halbes Jahrzehnt dagegen kämpfte, dass die VG Wort ihre Vergütungen nicht nur an Autoren, sondern auch an Verlage ausschüttet. Am Donnerstag urteilte der Bundesgerichtshof, dass die Praxis gesetzeswidrig sei. Der Preisträger war verhindert, doch das tat der Begeisterung der Freischreiber keinen Abbruch, denn mit Vogels Namen verbindet sich die Hoffnung auf einen nahen Geldregen der VG Wort.

Einziger Konkurrent Vogels war der Medieninvestor Konrad Schwingenstein, dessen Familie bis 2008 zu den Miteigentümern der SZ gehörte. Schwingenstein finanziert die Plattform Torial, die es Journalisten ermöglicht, hübsche Portfolios zu erstellen. Über den Zustand der Branche sagt es einiges, dass die Freischreiber offenbar keine Redaktion ausfindig machten, die 2016 eine Himmel-Preis-Nominierung verdient gehabt hätte.

Das passt zur generellen Stimmungslage der freien Journalisten. Die Interessenvertretungen der ARD-Freien, die am selben Wochenende in Berlin tagten, verabschiedeten eine Resolution und kritisierten, die Sender würden auf ihre Kosten sparen: "Dass Geld fehlt, ist kein Naturgesetz. Es ist politisch so gewollt."

Einen Preis für den unfairsten Sender gibt es noch nicht - für den Negativpreis der Freischreiber waren 2016 Spiegel Online, Titelverteidiger Gruner + Jahr, die Verlagsgruppe DuMont Schauberg und der Tagesspiegel nominiert. Der Preis ging an die Zeitung aus Berlin, weil diese von Oktober bis zum Jahresende 2015 keine freie Journalisten beschäftigt hatte. Für die Betroffenen sei das ein "existenziell bedrohlicher Rundumschlag" gewesen, kritisierte Laudatorin Silke Burmester. Der Tagesspiegel schickte niemanden, um den Preis abzuholen. Chefredakteur Lorenz Maroldt ließ nur ausrichten, er sei von der Ehrung "nicht ganz überrascht".

© SZ vom 25.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: