Alles beginnt in einer Nacht im Januar 2007. Da tappt ein junger, schwarzer Mann, 19 Jahre alt, vor seine Haustür in South Philadelphia. Keine schöne Gegend - und nicht sicher. Jeden Tag liegt hier irgendwer erschossen auf der Straße. Wer überleben will, hat eine Waffe, sagt Robert Rihmeek Williams. Seine Onkel hatten ihn losgeschickt, er sollte etwas zu trinken besorgen. Noch auf der Türschwelle wird er festgenommen. Drogenrazzia. Die Polizisten schlagen und treten ihn heftig. Das Polizeifoto zeigt ein angeschwollenes Gesicht mit Platzwunden. Als er wieder zu sich kommt, werden ihm 19 Anklagepunkte aufgelistet. Die Beweislage ist dünn. Unter anderem soll er seine Waffe auf einen Polizisten gerichtet haben. Er bestreitet das bis heute: "Ich bin ja nicht verrückt, dann wäre ich tot gewesen."
Es ist der Anfang eines eigentlich unglaublichen Justizirrsinns: der Fall Meek Mill. In der Welt des US-Hip-Hop ist Williams unter diesem Künstlernamen seit Jahren bekannt: ein gefeierter Rapper, der mit allen möglichen Hip-Hop-Größen zusammengearbeitet und mit Drake aufsehenerregende Diss-Tracks austauscht. Damals aber ist er nur ein Street Kid aus einem heruntergekommenen Viertel, ohne Geld, ohne Kontakte, ohne eine Chance sich angemessen zu verteidigen in einem System, das ihn 2008 wegen illegalen Besitzes von Drogen und Waffen verurteilt. Acht Monate Gefängnis und - viel entscheidender in dieser Geschichte - zehn Jahre Bewährung.
In einer fünfteiligen Dokumentarserie erzählen Eli Holzmann und sein Produzententeam, zu dem auch der Rapper Jay-Z gehört, von dem kafkaesken Mahlstrom einer rassistisch durchtränkten Strafjustiz, die über elf Jahre hinweg immer wieder in Meek Mills Leben eingreift. Das System lässt ihn nicht los, während er seine Karriere aufbauen will: immer wieder Anhörungen wegen kleinster Verstöße gegen seine Bewährungsauflagen, immer neue Strafen, Reiseverbote, Hausarreste, und schließlich - 2017, zehn Jahre nach der Verhaftung - eine neue Gefängnisstrafe. Zwei bis vier Jahre, dafür dass er ein Motorrad auf dem Hinterreifen fuhr.
So viel ist falsch an diesem Fall, dass einem beim Zuschauen tatsächlich der Kopf schmerzt. Dass Meek Mills Geschichte zwischen der Masse an Real-Crime-Serien und -Podcasts der letzten Jahre besonders sehenswert ist, liegt vor allem daran, dass sie sich auf gespenstische Weise als Parabel eignet für das zerrüttete Verhältnis von Amerikas Justizsystem und seiner schwarzen Bevölkerung. Die Dokumentation erzählt davon in einer Mischung aus Archivmaterial, Interviews und nachgestellten Szenen: vom einzigen Zeugen, einem Polizisten, der selbst in einen Diebstahl involviert war. Von "Filthadelphia", wie es der Investigativ-Journalist Paul Solotaroff nennt, vom schmutzigen, korrupten Philadelphia. Und von den Protesten, die nach der Verhaftung in der Stadt aufbranden. Es gebe in den USA viel zu viele Familien, erinnert einmal Black-Live-Matter-Aktivistin Tamika Mallory, die sich in Mills Geschichte wiedererkennen. Dass er ein erfolgreicher Rapper ist, verleiht ihm zusätzliche Leuchtkraft. Immerhin genug für einen ersten juristischen Erfolg: Ein Gericht hob Ende Juli das ursprüngliche Urteil vorerst auf.
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