Frederick Lau:Aus der Zeit gefallen

Frederick Lau Sat1 Mordkommission Berlin 1

In Mordkommission Berlin 1 verliebt sich der treue Assistent Conrad Ruppert (Frederick Lau) in die Sekretärin Masha Kampe (Emilia Schüle).

(Foto: Sat 1)

Frederick Lau verfügt über das seltene Talent, Prolls mit goldenem Herzen zu verkörpern. Dabei hat er eigentlich etwas sehr Ritterliches an sich.

Von David Denk

In der Bar des Designhotels am Berliner Kurfürstendamm läuft "I Got 5 on It" von Luniz, ein Klassiker des 90er-Westcoast-Hip-Hop, und Frederick Lau ist kurz mal abgelenkt. Einen Moment lang lauscht er der Musik, "Grab your 40, let's get keyed". "Ich liebe diesen Song", sagt Lau, "und ich finde es sehr schön, dass wir gerade zu diesem Song reden." Sagt's und ist auch schon wieder zurück im Gespräch.

Diese Episode verrät nicht nur etwas über den Musikgeschmack von Frederick Lau, sondern auch über seine Haltung zu Interviews, die für viele Kollegen nicht mehr sind als eine lästige Pflichtübung. Lau allerdings nimmt sie genauso ernst wie den Rest seines Jobs als Schauspieler. Er bebe innerlich, erzählt er, wenn ihm bei der Arbeit ein Kollege gegenüberstehe, "der nicht zuhört, gar nicht bei dir ist und irgendwas spielt, nur um irgendwas zu spielen". Es beleidigt ihn regelrecht. "Ich bemühe mich darum, dass meine Szenen eine Grundehrlichkeit haben."

Frederick Lau lässt sich voll und ganz auf das Gespräch ein. Er will, dass man ihn begreift

Und genauso, wie er es sich am Set nicht leicht macht, echte Kommunikation sucht, lässt Lau sich auch voll und ganz auf das Gespräch ein. Er will verstanden werden. Sein Ringen um jede Antwort äußert sich nicht nur verbal ("Weißt du, was ich meine?"), sondern auch körperlich: Lau rutscht auf seinem Plüschsessel hin und her, vor und zurück, rechts-links-rechts, als bekomme er dafür Kilometergeld.

Doch Frederick Lau ist vor allem für deutsche Film- und Fernsehproduktionen ein seltener Glücksfall. Ein Bauchschauspieler, nahbar und einnehmend. Davon kann man sich am Dienstag in dem ansonsten leider ziemlich durchschnittlichen Sat 1-Eventfilm Mordkommission Berlin 1 überzeugen. In der opulent ausgestatteten und von Marvin Kren stimmungsvoll-düster inszenierten Produktion, deren Plot allerdings unheilbar am Erklärbär-Syndrom erkrankt ist (offenbar ist das Vertrauen in die Kombinationsgabe von Sat 1-Zuschauern arg begrenzt), spielt Lau den jungen Polizisten Conrad Ruppert im Berlin der Zwanzigerjahre, der gemeinsam mit seinem unleidlichen, morphiumsüchtigen Chef Paul Lang (Friedrich Mücke) einen besonders grausamen Mordfall aufzuklären hat: Ein Staatsanwalt wurde den Krokodilen im Zoo zum Fraß vorgeworfen. Die Spur führt zum Ganovenring gleichen Namens und zu dessen inhaftiertem Chef, Immanuel Tauss (Tobias Moretti).

Inmitten dieses Sündenpfuhls um das Varieté-Theater "Irrgarten" - ständig laufen halb nackte Revuetänzerinnen durchs Bild - versucht Ruppert, seinem moralischen Kompass treu zu bleiben und ist in diesem Schwanken zwischen Loyalität und Pflichterfüllung eine idealtypische Rolle für Frederick Lau. "Ich bin stolz auf Sie, Ruppert, Sie sind ein guter Ermittler, weil Sie sich in die Menschen einfühlen können", lobt ihn sein Chef einmal. Im Kontrast zum großbürgerlichen Lang ist Ruppert der Mann aus dem Volke, in Pullunder, Knickerbockern und Schiebermütze, die ehrliche Haut vom Dienst.

Frederick Lau verfügt über das im verkopften Deutschland rare Talent, Prolls mit goldenem Herzen zu verkörpern. Zuletzt sehen konnte man das in Sebastian Schippers Kinoerfolg Victoria, dem zu Recht viel gelobten Echtzeit-Thriller über eine Partynacht in Berlin, die mit einem Bankraub endet. Wenn man Lau wegen dieser Gabe und nicht zuletzt wegen seines Hundeblicks einen "Straßenköter" nennt, bedankt er sich dafür. "Für mich ist das ein Kompliment", sagt er. "Mich hat die Realität, das Dreckige, Düstere immer mehr interessiert als das Glamouröse."

Großspurigkeit ist ihm ein Graus

Neue Vahr Süd, Oh Boy, Sein letztes Rennen, Bornholmer Straße - Regisseure lieben Frederick Lau, weil sie wissen, dass er ihren Filmen selbst in kurzen Auftritten eine Extradosis Lebendigkeit schenkt. Nach Victoria, für den Lau in diesem Jahr schon mit seiner zweiten Lola ausgezeichnet wurde (den ersten Deutschen Filmpreis gab's 2008 für Die Welle) ist Mordkommission Berlin 1 schon wieder ein, wenn auch ganz anderer, Berlin-Film. Lau, 1989 als einziges Kind eines Antiquitätenhändlerpaares im Bezirk Steglitz geboren, wohnt noch heute dort. Früher, wenn er von langen Drehs nach Hause gekommen sei - der Autodidakt machte zum ersten Mal 2003 in einer Neuverfilmung von Kästners Fliegendem Klassenzimmer auf sich aufmerksam -, habe er bei der Einfahrt in den Bahnhof Zoo immer Tränen in den Augen gehabt.

In Deutschland kommt für ihn als Wohnort nur Berlin infrage. "Irgendwann mal im Ausland zu leben würde mich aber schon reizen", sagt er, "doch ich bin zu sehr Schisser, um zu sagen: Komm, wir ziehen jetzt einfach mal nach London." Zu groß ist die Angst, dass die Rollenangebote dann ausbleiben. Auch das hohe Alter seines Vaters spielt eine Rolle. Der habe ihn "zu dem fühlenden Menschen gemacht, der ich bin", sagt er. Ein Leben ohne ihn kann und will sich Lau nicht vorstellen, ist aber zugleich davon überzeugt, dass so ein biografischer Bruch Erneuerungskräfte freisetzt. "Ich glaube, Marlon Brando war es, der in einem Interview gesagt hat, dass er erst nach dem Tod seines Vaters richtig zu schauspielen angefangen hat."

"Ich verstehe nicht, warum man sich gegenseitig nicht mehr scheiße finden darf."

Lau ist jemand, der sich viele Gedanken macht, über seine Stadt, seine Familie und natürlich über seinen Beruf. Als erst 26-Jähriger merkt er in seinem Umfeld, dass das Medium Fernsehen, in seiner Generation besonders rasant, an Bedeutung verliert. Von Mordkommission Berlin 1, einem so aufwendig produzierten und groß beworbenen Film, verspricht er sich eine Signalwirkung, einen Qualitätsschub für deutsche TV-Filme.

So nach dem Motto: Huhu, uns gibt's auch noch. Neben der Familie - Lau erwartet mit seiner Frau das zweite Kind - sind ihm Freundschaften besonders wichtig - ein Thema, über das er sehr gern und sehr anrührend spricht. Für Freunde einzustehen sei für ihn eine Selbstverständlichkeit, sagt er, "ganz egal, worum es geht". Auch körperlich? "Auch körperlich, ja. Sobald ein Freund in die Bredouille gerät, würde ich für ihn kämpfen." Von der notorischen Unverbindlichkeit, die man seiner Generation nachsagt, ist Lau weit entfernt. "Wenn ich eine Verpflichtung eingehe, in der Freundschaft wie in der Arbeit, dann muss ich die erfüllen."

In ihn gesetztes Vertrauen nicht zu enttäuschen ist Frederick Lau wichtig - auch wenn es mal nicht leicht ist: Lau spricht von "Bürde" - ein altmodisches Wort für einen 26-Jährigen. Überhaupt wirkt sein Weltbild bemerkenswert aus der Zeit gefallen. Lau hat etwas regelrecht Ritterliches an sich. Was nicht heißt, dass er allen gefallen möchte - bloß nicht! Genauso verhasst wie Neid ist ihm Konformität. "Ich verstehe nicht, warum man sich gegenseitig nicht mehr scheiße finden darf", sagte er mal in einem Interview. Auch Großspurigkeit ist ihm ein Graus. "Nichtskönner, die ans Set kommen und sich für etwas Besonderes halten, wünsche ich ein Problem an den Hals. Dann geht's mir besser. Die richtigen Arschlöcher hingegen, die Wichser, die dann aber richtig geil spielen, die liebe ich, die finde ich wunderbar."

Berlin Mordkommission 1, Sat 1, 20.15 Uhr.

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