Frauenzeitschriften:So rückständig ist das Frauenbild in deutschen Magazinen

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Im Kümmer-Modus: die Frau im Jahr 2017

(Foto: imago/UIG)

Frauen sollen Chefinnen werden, müssen dabei aber glücklich sein und es anderen schön machen. Ein Blick auf weibliche Rollenbilder im Herbst 2017.

Von Silke Burmester

Die gute Nachricht an Väter, die Angst haben, ihre Söhne könnten von top ausgebildeten Karrieremädels abgehängt werden: Es gibt den Bauer-Verlag. Der bringt monatlich das Teenmagazin Bravo Girl heraus und tut damit alles, damit auch die zukünftige weibliche Erwachsenengeneration sich bewegungseingeschränkte Meerjungfrauen als Ernährungsvorbild nimmt und "Süße Snacks für Mermaid-Fans" zubereiten lernt, die Aufmerksamkeit statt auf politische Fragen auf solche zu Kosmetik und Frisuren richtet. Und früh die Basis für die harmonische Ehe legt: "Jungs, warum seid ihr so?"

Die Mütter dieser Backfische, so ergibt der Blick auf den Markt der Frauenzeitschriften im Herbst 2017, stellen diese Frage nicht mehr. Sie scheinen ausweislich der eher nicht vom Bauer-Verlag produzierten Hochglanz-Titel akzeptiert zu haben, was Natur und Gesellschaft an Männern bieten. Sie haben aufgehört, daran herumzudoktern und konzentrieren sich voll auf ihr eigenes Optimierungspotenzial zum Wohle der Gesellschaft. Das Frauenbild in der aktuellen Zeitschriften-Herbstkollektion legt das zumindest nahe.

Nur die Frau, die sich selbst liebt und schätzt und die sehr zufrieden mit sich ist, kann die Welt retten. Was, so suggerieren die Magazine, ohne die Probleme hinter Schlagworten wie "Umwelt" und "Armut" aufzulösen, unbedingt nötig ist. Im Ergebnis werden Frauen zwar als die Zukunft der Menschheit verkauft, insgesamt aber als eine sehr bedürftige, fast orientierungslose Menge dargestellt, die dringend schöne Ermunterungsgeschichten braucht, um einen Weg aus dem Kellergewölbe der eigenen Möglichkeiten hin zum Licht von Erfolg und Glück gewiesen zu bekommen.

Überhaupt, das Glück. Die Suche danach erscheint heute wichtiger denn je. Zum Glück, ja genau, ist es gleich bei den Dänen zu Hause. Deshalb kann man jenseits der Grenze für den neuen Trend der Glückszeitschriften auch rauf und runter alles fotografieren, was bei Gegenlicht nicht sofort verdampft: Wiesen, Frauen in großen Strickjacken, Beeren auf Kuchen.

Viele Hefte sind Erfüllungsgehilfen der Werbetreibenden: Ohne diesen Lifestyle bist du nichts

"Einfach glücklich sein" ist der Claim, der den Gruner + Jahr Neuling Hygge begleitet, und für die Anzeigenvermarkter dürfte es einer Sabotage ihrer Arbeit gleichkommen, dass man den Leserinnen suggeriert, sie könnten auch ohne viel Zeug und ständiges Kaufen zufrieden sein. Aber Frauenzeitschriften werden von der Industrie ohnehin nicht mehr als Werbeplattform begriffen, die Leserinnen als potenzielle Kundinnen liefert, denen der Werbetreibende zu gefallen sucht. Vielmehr funktionieren Magazine als Erfüllungsgehilfen, die ihren Leserinnen suggerieren: Ohne diesen Lifestyle bist du nichts.

Die Frau von 2017 muss sich ununterbrochen "kümmern"

Tatsächlich vermitteln nur wenige Magazine, dass es ihnen ernst sein könnte, mit dem, was sie - so sie denn überhaupt noch ausführliche Texte liefern - ihrer Zielgruppe anbieten. Aktuell sind zum Beispiel weibliche Ermächtigung und Chefin-Sein ein großes Thema. Frauen sollen den Mut und das Selbstbewusstsein erlangen, nach ganz Großem zu streben. Kanzlerin zu werden. Oder Chefin von BMW. Die Vogue nutzt ihre Rubrik "Blickpunkt", um die Suffragetten "zu ehren". Doch die Skepsis liest mit. Wie ernst ist es den Macherinnen der Zeitschriften mit den engagierten Themen? Ist der aktuelle Blick auf Macht nicht morgen vielleicht schon ersetzt durch den auf Selbstfindung durch Bescheidenheit? Wenn es denn tatsächlich um Haltung geht, warum wird dann die Emanzipation so stark an schöne Haare und "Anti-Aging-Tipps mit Jetzt-Effekt" (Petra) geknüpft?

Ginge es um Inhalte - warum finden dann Themen wie Diversität und politische Auseinandersetzungen nur in einem subkulturellen Magazin wie dem Missy Magazin statt? Warum gibt es nur dort offene Fragen? Warum werden nur dort Themen angesprochen, auf die die Antworten erst noch gefunden werden müssen?

Kinder spielen in keiner Frauenzeitschrift eine Rolle

Warum sehen wir so gut wie keine Deutschen mit Migrationshintergrund in den Magazinen? Warum keine anstrengenden, fordernden Persönlichkeiten? Warum stellt der Verlag Gruner + Jahr, der sich beim Erscheinen des F Mag so vollmundig für seine "Innovationsstrategie" lobte, nach nur einer Ausgabe das inhaltsgetriebene, feministische Heft für junge Frauen wieder ein, hält aber "das erste Wohn- und Fashion-Magazin" Couch oder Hygge hoch, Produkte also, die den potenziellen Aufbruch von Frauen zwischen Sofakissen und Abendsonne ersticken?

Auch eigenartig: Egal, welche Frauenzeitschrift von welchem Verlag man in die Hand nimmt, Kinder spielen keine Rolle. Sie kommen einfach nicht vor. Gerade so, als würde die Frage um ihre Betreuung nicht vielen Frauen das berufliche und damit das Rückgrat zur Selbstverwirklichung brechen. Aber wahrscheinlich geht es gar nicht darum, das Bild der kinderlosen Frau zu propagieren. Wahrscheinlich geht es einfach darum, dass sie, so sie Kinder hat, ein weiteres Heft kauft. Mum, Brigitte Mom, Luna, Eltern.

Die Rettung liegt im Alter

Aber auch ohne Kinder ist "Kümmern" ein allgegenwärtiger Inhalt. Ganz egal, ob Haus, Terrasse oder Esstisch - die Frau von 2017 scheint ununterbrochen damit beschäftigt sein zu müssen, ihre Welt so gestalten zu wollen, dass andere sich wohlfühlen. Und hat sie halt nur sich selbst, kauft sie Dog's Avenue. Frau. Hund. Leben. Da hält der haarige Sabberer für alle Lebensbereiche her: "Du erfüllst mein Leben", heißt das Dossier zum Thema Weggefährte, "Gefahrlos Grillen" bringt den Sommer an die Hundehütte, und in der Rubrik "Psychologie" wird das Thema "Teilen? Kein Problem" aufgegriffen, zu dessen Bebilderung eine Frau ohne erkennbares Textil am Oberkörper das eine Ende der Keksrolle im Mund hält und der Pansenfresser das andere. Gück der, die einen Mann zu Hause hat.

Die Rettung liegt im Alter. Das Niveau der Zeitschriften und ihres Journalismus steigt, je älter die avisierte Leserin ist. Als dürfe man jungen Frauen keine Inhalte zumuten. Brigitte Woman, Donna, Brigitte Wir bilden Frauen auch jenseits von Kosmetik und Kümmern ab. Lustig ist es allerdings bei ihnen auch nicht. Lustig wird es interessanterweise im Sektor der Frauenzeitschriften nur unfreiwillig. Etwa wenn das Magazin Barbara zur Entspannung raten will, "Lass liegen!" titelt und daneben die "Geschichte einer Fahrerflucht" ankündigt.

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