Süddeutsche Zeitung

Frauenzeitschriften:Leicht sein ist nicht alles

  • Im Januar dominieren Tipps zum Abnehmen die Cover der Frauenzeitschriften.
  • Auf Laufstegen und in der Werbung ist zuletzt der Eindruck entstanden, Schlanksein sei nicht mehr das Wichtigste.
  • Auch wenn sich einiges verändert hat, die Message bleibt: Alles am Körper soll gewollt und bewusst gemacht wirken.
  • Zeitschriften transportieren jedoch auch das, was in der Popkultur vorherrscht.

Von Anna Steinbauer

Heidi Klum, Ruby Rose und die nackte, namentlich nicht bekannte Dame auf dem Brigitte -Cover tun es: Sie zeigen, wie leicht das Leben ohne unliebsame Kilos sein kann. Zumindest suggerieren das die Frauenzeitschriften, auf deren Titelseiten die Frauen zu sehen sind. Neben Horoskopen und Tipps, wie man zu viel Geld kommt, ist das Thema, das die Titelblätter jedes Jahr im Januar großflächig bestimmt: Wie werde ich die Pfunde wieder los, die ich über die Weihnachtsfeiertage zugelegt habe?

"In 5 Schritten zum schlanken Body, zum richtigen Mann, zu mehr Geld." Eine Kausalkette?

Pünktlich zum Jahresbeginn wird vom Stern über die Für Sie bis zur Jolie darüber berichtet, wie schlank eigentlich geht. Und welcher Weg am schnellsten dorthin führt. Ein Streifzug durch den Kiosk zeigt: Wie in den Jahren zuvor hat jedes Heft ein eigenes, brandneues, ultimatives Rezept zum obligatorischen Neujahrsabnehmen. Mit einer Triät, mit der der "Abnehm-Turbo" starten kann wirbt die Für Sie, die Brigitte erfindet gleich ihre eigene Diät neu und titelt "Nie war es so leicht ..." Diese nicht besonders kunstvolle Metaphorik greift auch die Zeitschrift Maxi auf und wünscht zum Jahresbeginn "mehr Leichtigkeit".

In den vergangenen Jahren hat es eine Reihe von Gegentrends zum Schlankheitsideal gegeben, man konnte davon auch in jenen Frauenzeitschriften lesen. Nachdem in den Neunzigern Essstörungen und ihre vernichtenden Folgen in den medialen Fokus gerückt waren, hatten sich diverse Initiativen verstärkt, die für "Body Positivity" eintraten, durch Werbekampagnen und Neuregelungen auf den Laufstegen der Welt wurde Schönheit auch jenseits der 50-Kilo-Marke sichtbar. Aber pünktlich zum Januar, so der Eindruck am Kiosk, geht es allen plötzlich wieder nur um das eine. Oder?

Ein Gespräch mit Paula-Irene Villa. Die 1968 geborene Soziologin ist seit 2008 Lehrstuhlinhaberin für Allgemeine Soziologie und Gender Studies an der LMU München und beschäftigt sich auch mit dem Zusammenhang von Körper, Geschlecht und Gesellschaft. "Schlank und schön ist immer noch ein rhetorisch sehr stark formulierter Wert, der im Kontext von Frauenzeitschriften auftaucht", sagt sie. "Diätmachen spielt nach wie vor eine große Rolle. Allerdings dreht es sich immer mehr darum, gesund und fit sein."

Dünn und schlank seien in den vergangenen Jahren zu eher negativ besetzten Begriffen geworden und inzwischen stärker mit Sucht oder ungesunder Selbstzerstörung assoziiert. Im Gegensatz zu früher sind auch für Männer Diäten zunehmend wichtiger, wie das Cover der Men's Health beweist, das "Die 48 besten Fett-weg-Übungen" empfiehlt. "Auch der prototypische BMW-Manager Anfang 50 soll darauf achten, dass er nicht dick wird, richtig isst, sein Workout macht und nicht zu viele Brusthaare hat", sagt Soziologin Villa.

Noch eine Sache hat sich verändert: Schlanksein hat zwar höchste Priorität, soll aber nicht - wie noch vor einigen Jahren üblich - nur durch den Verzicht auf Essen, durch Diäten, erreicht werden. Sondern auch durch Leibesertüchtigung. Und im Idealfall läuft die Optimierung des Geistes nebenbei mit, wohl deshalb kristallisiert sich in den Neujahrsausgaben 2019 ein deutlicher Trend heraus: Yoga. Auf der Grazia steht Heidi Klum mit bauchfreiem Top und kneift sich keck in die mageren Hüften. Darunter wird verraten, wie man "Mit Yoga zur Traumfigur" kommen kann. Auch Women's Health prophezeit "easy schlank mit Power Yoga" und Maxi wirbt damit, dass man "Mit Yoga den Körper straffen und den Kopf freibekommen" kann.

"Alles, was mit Körperlichkeit zu tun hat, wird im normativen Sinne wesentlich als kontrolliert und optimiert gedacht", sagt Paula-Irene Villa. "Das Negative der Körperlichkeit ist das, was uns geschieht, wo wir als Person unserer Körperlichkeit ausgeliefert sind, wenn der Busen eigensinnig rumspringt, die Fettrolle entgegen unserer Absicht schwabbelt." Dicksein gelte deshalb ebenso wie Magersucht als moralisches Problem, weil man es nicht unter Kontrolle habe, wie viel man zu- oder abnehme, so die Soziologin. Solange der jeweilige Körperzustand jedoch als Ausdruck und Wunsch einer autonomen Persönlichkeit formuliert werde, sei das okay. "Alles am Körper soll im Idealfall so wirken als sei es selbstbestimmt gewollt und bewusst gemacht."

Klar gibt es auch Gegenbeispiele: Zeitschriften wie das Missy Magazine, Die Anschläge oder Emma zeigen diverse, uneindeutige, nicht im herkömmlichen Sinne als schön geltende Menschen. Solche Bewegungen sieht die Soziologin ambivalent, da paradoxerweise manchmal Formen von Body Positivity zur Optimierung und dem Gestaltungsimperativ des eigenen Körpers beitrügen: "Andere Bilder zu zeigen ist gut, aber gleichzeitig schränkt es den Raum dafür ein, dass Körper auch manchmal ungesund und verwundbar sind, dass sie von allein altern oder unglücklich machen." Immer mehr Bereiche des Lebens geraten unter diesen "Gestaltungsimperativ". In diesen sei auch noch immer die ältere, fast naive Form vom Diätmachen fest eingeschrieben. "Jetzt heißt es, sei fit und sei gesund. Und mach das nicht, weil du jemand anderem gefallen willst, sondern für dich und weil du das möchtest", sagt die Wissenschaftlerin.

Die Auffassung, dass man alles selbst schaffen kann, wenn man nur diszipliniert genug ist, spiegelt auch die Titelseite der Jolie wider, die die androgyne, tätowierte Schauspielerin Ruby Rose abbildet. Darunter steht: "Alles schaffen. In 5 Schritten zum schlanken Body, zum richtigen Mann, zu mehr Geld." Der schlanke Körper als Voraussetzung für den Märchenprinzen, der dann womöglich auch noch den Geldsegen beschert.

Zeitschriften sind in diesem Zusammenhang allerdings eher Überbringer als Verursacher: Die Popkultur spiele eine enorme Rolle dafür, dass Diäten nicht wegzukriegen sind, egal wie viel Body Positivity auch herrschen mag, sagt Paula-Irene Villa. In Film, Musik und Unterhaltung würden Körperfragen zugleich ernsthaft und spielerisch verhandelt, Tabus gebrochen und eben auch extrem fitte, gestylte Körper inszeniert. Helene Fischer fiel bei ihren Konzerten neuerdings durch Bizeps und Sixpack auf. Auf dem aktuellen Vogue-Cover liegt sie in ein schwarzes Tüllkleid gehüllt, der trainierte Körper ist perfekt präsentiert, sie lächelt. Ein Zen-Moment. Darunter steht "Feel good". Der Schlagerstar braucht keine Diät mehr. Dieser Körper hat den Höhepunkt der Selbstoptimierung erreicht.

Wissenschaftlerin Villa sagt aber auch: "In der Popkultur werden immer wieder auch neue, andere, alternative Körper gezeigt und in Szene gesetzt." Dort werde immer auch Kritik laut, "auch und gerade an Idealvorstellungen weiblicher Körper". Der Protest gegen Optimierungszumutungen sei genauso ein Teil von Pop, wie es die Inszenierung der Optimierungszumutungen seien. Was Frauenzeitschriften abbilden, ist eine Frage der Auswahl, auch wenn das speziell im Januar nicht so aussieht.

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Quelle:
SZ vom 23.01.2019/cag
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