Feminismus:Sie wuppt das schon

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"Starke, selbstbewusste Frauen" trifft Schauspielerin Natalia Wörner in der Dokumentation "A women's story". (Foto: RTL)

In der RTL-Dokumentation "A Women's Story" besucht Natalia Wörner "starke Frauen" und springt überraschend leichtfüßig zwischen Unterhaltung, Glamour und Analyse.

Von Timo Posselt

"So war das nun mal, das konnt' ich auch nicht ändern", sagt ein namenloser Bub mit Nickelbrille am Anfang von "A Women's Story". Er meint das mit der Rollenverteilung: Also dass die Frauen zu Hause blieben, kochten und die Männer von der Lohnarbeit nach Hause kamen und sich bedienen ließen. Der Junge muss es wohl wissen, schließlich ist er der VHS-Optik der Aufnahme nach zu urteilen noch in der Zeit aufgewachsen, als das "nun mal so" war.

Schon mit dieser Eingangsszene deutet die Ufa-Dokumentation "A Women's Story" auf eine Erkenntnis hin, an die sie sich dann Schritt für Schritt in dichten 50 Minuten heranpirscht. Anstoß ist die Frage, wie es um die Gleichberechtigung in Deutschland steht. Für Antworten reist Schauspielerin Natalia Wörner erst einmal ans Filmfestival nach Cannes.

An der Côte d'Azur trifft Wörner, die man aus Fernsehproduktionen wie "Die Diplomatin" oder "Unter Anderen Umständen" kennt, Schauspielkolleginnen und fragt diese erst mal, was für sie "female empowerment" bedeutet. Die Antworten von Helen Mirren, Andie MacDowell und Iris Berben fallen nicht besonders überraschend aus. So begleite das Thema Iris Berben beispielsweise seit den 1960er-Jahren, sagt sie, und auf die Frage stellt Berben fest: "Es begleitet mich immer noch." Die Interviews zeigen aber, wie auch hinter jeder Schauspielerinnenkarriere eine Geschichte der Emanzipation von Zuschreibungen steckt.

Während der Pandemie verlagerte sich die Verantwortung wie automatisch auf die Frauen

Natalia Wörner, Jahrgang 1967, ist hingegen in einem Haushalt mit vier Generationen Frauen aufgewachsen. Ein regelrechtes "Matriarchat" sagt sie. Die Freiheit zu bestimmen, wie man leben möchte, hätten ihr damals alle Frauen in ihrer Familie vorgelebt. Begleitet werden ihre Erzählungen von körnigen Super-8-Aufnahmen aus Wörners Kindheit in der Nähe von Stuttgart, untermalt vom Song "Natural Woman" von Carole King, einer anrührigen Selbstermächtigungsballade. Wörner spricht davon wie sich die "Verantwortung, alles zu wuppen" während der Pandemie "fast wie selbstverständlich trichterförmig auf die Frau zubewegt". Sie sieht dabei die Gefahr, dass "wir in alte Strukturen zurückfallen" und dann bricht sie auf zu einer Reise durch das Deutschland der starken Frauenfiguren in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Showbusiness, um zu fragen, wie die das denn so erleben.

Man kann es nicht anders sagen: Diese ausgewählten Frauen sind dann eine einzige Parade beeindruckender Vorbilder. Das beginnt mit der Schauspielerin Thelma Buabeng, die davon erzählt, welche Rollen sie zu Beginn ihrer Karriere als schwarze Frau auf deutschen Bühnen angeboten bekam: Putzfrau, Prostituierte, Sklavin. In zwei, drei Sätzen erklärt sie anschließend das Konzept des intersektionalen Feminismus und schwupps, reist Wörner schon weiter. In weniger als einer Stunde trifft sie neben anderen noch eine erfolgreiche Aufsichtsrätin, eine Aktivistin, eine Bundesministerin, eine Tatort-Kommissarin, eine Influencerin und eine Menschenrechtsaktivistin. Man hätte gern gewusst, was Frauen zu Wörners Fragen sagen, die nicht so mächtig sind wie eine Bundesministerin, aber diese kommen in der Doku nicht vor.

Immerhin: Dass Wörner dann noch bei der Sozialwissenschaftlerin Jutta Allmendinger landet, die ihr nicht nur den Säbel und Helm der Ehrendoktorwürde der Universität Tampere vorführt, sondern auch das Konzept der vierfachen Benachteiligung von Frauen in Lohn, Sorgearbeit, Position und Pension erklärt, gibt dem Ganzen einen wohltuenden faktischen Unterbau.

Diese emotionalisierende Nostalgie der immer wieder eingesetzten Super-8-Optik ist zwar wenig originell und eher unnötig, tut dem Anspruch der Doku jedoch keinen Abbruch: "A Women's Story" ist ein kompakter und unterhaltsamer Crashkurs in Feminismus und im Privatfernsehen eindeutig ein Ereignis. Bei der prominenten Besetzung wird die Doku wohl ein paar mehr Menschen erreichen als die nächste feministische Neuerscheinung in Verlagsprogrammen. Und so mundgerecht wie sie ihre Argumente servierte, lassen sie sich kinderleicht in der nächsten Küchentischdiskussion einwerfen, inklusive der eingangs angedeuteten Erkenntnis: Es wird es nicht reichen, wenn sich nur die Frauen emanzipieren. Damit sich etwas verändert, müssten das, Überraschung, die Männer genauso tun.

A Women's Story , auf RTL+.

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