Franz Müntefering wurde geboren am 16. Januar 1940 in Neheim im Sauerland, er hat sämtliche Kanzler der Bundesrepublik Deutschland erlebt und wenn man nach dem Donnerstagabend eine Prognose anstellen müsste, dann folgende: Den Scholz schafft Münte auch noch.
Zwar spricht Markus Lanz mit seinen Gästen auch über die garstige Seuche und stellt dem diensthabenden Immunologen der Runde die schöne Frage, was das Virus "noch draufhabe", welche Angriffe von ihm also zu erwarten seien in nächster Zeit? Zwar bringt der Moderator mit dem Bundesgeschäftsführer der Grünen auch eine sonderbare Performance im uneigentlichen Sprechen zur Aufführung. Diese Performance trägt den Titel "Markus Lanz sagt Michael Kellner in einer Talkshow, dass er über die Koalitionsverhandlungen bestimmt nichts sagen werde, stellt ihm dann aber trotzdem Fragen, auf die Kellner erwartungsgemäß nicht antwortet" und wird kommendes Jahr auf dem Berliner Theatertreffen zu sehen sein.

Podcast "Lanz & Precht":Stimmt's oder hab ich recht?
Markus Lanz und Richard David Precht starten einen gemeinsamen Podcast - bisschen anstrengend.
Wer aber eigentlich spricht in dieser Sendung, das ist der ehemalige SPD-Chef Franz Müntefering. Das liegt sicher daran, dass Müntefering keine Koalition mehr verhandeln muss. Das liegt aber auch daran, dass Müntefering schon immer gerne prägnant formulierte und gerne gelegentlich auch schlicht. Es sei dies "diese Müntefering-Klarheit, die man so vermisst", sagt Markus Lanz am Donnerstag. Worüber besteht nach Ansicht des dreifach geimpften, 81 Jahre alten, ehemaligen Vizekanzlers Klarheit?
Über das Zögern des Fußballspielers Joshua Kimmich, der Empfehlung vieler Experten zu folgen und sich impfen zu lassen, sagt Müntefering, wenn im Gegenzug er auf die Idee käme, Kimmich zu raten, wie dieser einen Elfmeter zu schießen habe, "dann sagt er, das weiß ich besser. Weiß er auch, weiß er auch."
Ein Gesicht wie gemacht für die Rückseite einer 2-DM-Münze
Über den geschäftsführenden Gesundheitsminister Jens Spahn sagt Müntefering, dieser habe in den vergangenen Jahren gerne "Dinge angekündigt, die irgendwann in Zukunft sein werden", er habe aus Eigenkalkül "populäre Aussagen" getroffen, "die aber katastrophal waren". Wer so etwas tue, gehe "leichtfertig" mit Gewichtigem um, und Spahn habe das "ein paar Mal gemacht, deshalb muss ich das auch so deutlich sagen".
Über den Deutschen Bundestag sagt Franz Müntefering, es solle nicht nur abarbeiten, sondern "eine offene Debatte führen mit dem Land über alle wichtigen Probleme". Er wünsche sich beispielsweise dass das Parlament mal "eine Woche lang redet über: Was sind die Lebens- und Berufschancen der heute 16- bis 19-Jährigen? Volle Pulle."
Das hagere Gesicht von Müntefering ist in solchen Momenten durchzogen von staatsmännischer a.-D.-Gravitas, man könnte sofort die Rückseite einer 2-DM-Münze damit prägen. Dann lacht er wieder und schaut unverwandt wie eine Bauchrednerpuppe. Er ist, einerseits, ein ziemlicher Has-Been, ein sicher ehrenvoll ausgeschiedener. Andererseits spricht hier einer, für den der Himmel noch immer voller sozialdemokratischer Fragen hängt und er spricht angenehm frei.
Manche dieser Fragen spielen weit in der Vergangenheit (was wäre gewesen, wenn "die beiden Genies, Lafontaine und Gysi", der SPD nicht das linke Lager zerschossen hätten?). Andere betreffen die Zukunft. Die Rente, sagt Müntefering, könnte auch in Zukunft halten. Mindestlöhne am einen Ende der Skala hülfen der Rente nicht, aber "wir haben auch sittenwidrig hohe Löhne" in Deutschland, auch darüber müsse man reden.
Ein Auftrag für die Ampel? Immer langsam mit den jungen Lichtsignalanlagen. Egal was man sich vornehme im Koalitionsvertrag, es komme immer anders, "das wird auch diesmal so sein". Oder, in einem abschließenden, sehr sauerländischen Rückblick Münteferings auf die vergangenen 16 Jahre: "In der ersten Periode von Merkel: Weltfinanzkrise, in der zweiten ging das Atomkraftwerk hoch in Japan, in der dritten kamen 1,5 Millionen Flüchtlinge, in der vierten war Pandemie."
