Frank-Markus Barwasser:"Gut, dass ich diesen Pelzig habe"

Von der ARD zum ZDF - und dort bald mit eigener Talkshow: Der fränkische Kabarettist Frank-Markus Barwasser macht Karriere. Mit "Pelzig" setzt er eine eigene Marke, in "Neues aus der Anstalt" unterhält er als Ko-Moderator.

Rupert Sommer

Ausgebeultes Cord-Hüdli, rot-kariertes Freizeithemd, kokette Herrenhandtasche: Das ist Frank-Markus Barwasser, 50, alias "Erwin Pelzig". Der langjährige Journalist des Bayerischen Rundfunks bringt durch penetrantes Insistieren und verblüffende Vereinfachungen die politischen Missstände auf den Punkt.

barwasser

"Biss hängt nicht von der Quote ab" - Frank-Markus Barwasser über seinen Einstieg in die ZDF-Sendung Neues aus der Anstalt.

An der Seite des Ko-Unterfranken Urban Priol, der seit Januar 2007 durch die ZDF-Satiresendung Neues aus der Anstalt führt, gelang dem gebürtigen Würzburger Barwasser ein sehr gelungenes Debüt beim Mainzer Sender: 3,6 Millionen Zuschauer zum Einstand als neuer Ko-Moderator. Zum Jahresende erhält Pelzig, der im Bayerischen Fernsehen entdeckt wurde, im ZDF zusätzlich eine eigene Talksendung am Dienstagabend. Die ARD-Humorfraktion wird damit - zusätzlich zum angekündigten Harald-Schmidt-Wechsel zurück zu Sat 1 - empfindlich geschwächt.

sueddeutsche.de: Herr Barwasser, Gratulation zum gelungenen Einstand in der Anstalt. Wie groß war Ihre Sorge, dass die ZDF-Zuschauer die Personalrochade nicht akzeptieren?

Frank-Markus Barwasser: Natürlich war mir klar, dass es nicht ganz leicht sein würde, Georg Schramm zu folgen. Aber das musste ich dann ausblenden, weil der Gedanke sonst lähmend gewirkt hätte. Außerdem war es ja wirklich Schramms Wunsch, dass ich in der "Anstalt" einsteige.

sueddeutsche.de: Wie viel Selbstbewusstsein gibt die äußerst gute Quote? Werden Sie ab sofort noch mehr Biss wagen?

Barwasser: Der Biss hängt bestimmt nicht von der Quote ab, sondern von den Themen, derer wir uns annehmen. Man muss auch realistisch sein: Bei der ersten Sendung nach der Sommerpause war bei vielen Zuschauern etwas Neugierde im Spiel, wie es jetzt weitergeht mit der Sendung. Solche Zuschauerzahlen werden wir bestimmt nicht immer haben können. Das wird sich einpendeln.

sueddeutsche.de: Ganz leicht ist Ihnen die Entscheidung, Ihre bisherige BR-Sendung aufzugeben, offenbar nicht gefallen. Was hat denn den letzten Ausschlag für den Wechsel zum ZDF gegeben?

Barwasser: Mich hat die Aussicht gelockt, dass ich auch in Zukunft einfach beide Sendungen machen kann. Ich darf in die "Anstalt" einsteigen und meine Talksendung, wie auch immer die dann heißen wird, beibehalten. Es wurde vom BR ausgeschlossen, dass ich für ARD und ZDF parallel arbeite.

sueddeutsche.de: Kompromissbereitschaft gab's da keine?

Barwasser: Es hätte für mich nur die Alternative gegeben, mit Pelzig unterhält sich im BR weiterzumachen, und so also ins Dritte Programm zurückzuwandern. Der Prozess, in dem wir verhandelten, zog sich über einige Wochen hin. Ich war selber überrascht von der Entwicklung - plötzlich wurde der Wunsch nach einer Veränderung, hin zum ZDF, immer größer.

sueddeutsche.de: Hat der BR beim Verhandeln einen Fehler gemacht? Wären Sie geblieben, wenn man Ihnen erlaubt hätte, Pelzig unterhält sich und Neues aus der Anstalt parallel zu machen?

Barwasser: Ich hatte eigentlich nicht vor, komplett wegzugehen. Ich werfe aber niemandem etwas vor, doch plötzlich wurde ich vor die Entscheidung gestellt.

sueddeutsche.de: Wenn Sie Ihren Herrn Pelzig sich im ZDF deutschlandweit unterhalten lassen, bekommen Sie da nicht manchmal selbst etwas Bauchgrimmen, ob er nicht doch eher im bayerisch-fränkischen Raum und damit im Dritten besser aufgehoben wäre?

Barwasser: Wieso? Im Prinzip wechsle ich ja nur von einem bundesweiten zum anderen bundesweiten Programm. Und die Figur Pelzig ist nicht in dem Sinne fränkisch, dass es um regionale Themen ginge. De facto ändert sich für mich nur wenig. Ich bleibe mit der Sendung in München. Es gibt eine neue Redaktion, es stehen andere Menschen hinter der Kamera, und sicherlich wird es ein anderes Bühnenbild geben. Doch die eigentliche Arbeit bleibt gleich.

sueddeutsche.de: Urban Priol hätte nach dem Ausstieg von Georg Schramm bei Neues aus der Anstalt ja auch allein weitermachen können. Erwin Pelzig war bislang Einzelkämpfer. Was ist denn für Sie der Reiz einer satirischen Doppelspitze?

Barwasser: Dass die gut funktionieren kann, haben Priol und Schramm ja in den letzten dreieinhalb Jahren schon hinreichend bewiesen. Urban Priol wollte keine Sendung machen, bei der einer moderiert und dann vier Gäste kommen. Der Reiz der "Anstalt" liegt im Dialog - und zwar nicht nur der beiden Gastgeber untereinander, sondern auch möglichst mit den Gästen. Es soll ein ein echtes Teamwork sein und keine Mischung, bei der vier Solisten zusammentreffen, und einer macht dann die launigen Zwischentexte. Da steckt eine ganz andere Arbeit dahinter ...

sueddeutsche.de: ... die für Sie ja durchaus neu ist.

Barwasser: Schon richtig. In den Zwei-Mann-Betrieb muss ich mich erst einmal reinfuchsen. Andererseits habe ich jahrelang für mein Radioprogramm Dreier-Nummern geschrieben. Auch für meinen Kinofilm oder das Theaterstück musste ich mich auf Dialoge einlassen und eine Solo-Figur plötzlich in ein Ensemble integrieren. Das Entscheidende ist doch, dass man es schafft, sich in so einem Konstrukt selbst zurückzunehmen. Verheerend ist es, wenn zwei Solisten sich gegenseitig die Pointe missgönnen.

sueddeutsche.de: Ist Bescheidenheit unter Kabarettisten nicht ein frommer Wunsch?

Barwasser: Höflichkeit habe ich durchaus schon kennengelernt.

sueddeutsche.de: Sie haben also kein Problem damit, wenn einmal der andere die größeren Lacher abstaubt?

Barwasser: Keine Sorge. Urban Priol hat mir schon Ideen geschickt, aus denen ich ursprünglich selbst etwas Witziges machen wollte. Da muss man sich dann halt arrangieren. Bei den Dialogen, die ich für Georg Schramm und mich bei unseren früheren gemeinsamen Auftritten in der "Anstalt" geschrieben habe, hatte er oft die entscheidenden Pointen.

sueddeutsche.de: Die tauchten dann aber in Ihrer Abrechnung gesondert auf?

Barwasser: Was für ein Gedanke! Natürlich will ich nicht schlecht aussehen, wer will das schon? Es geht doch darum, dass es ein guter Dialog wird. Den Zuschauern ist es letztlich egal, wer die Pointe holt. Und jetzt damit anzufangen, irgendwelche Lacher zu zählen, wäre blödsinnig.

sueddeutsche.de: Wie muss man sich die gemeinsame Vorbereitung zum jeweils nächsten Anstaltsabend mit Urban Priol vorstellen?

Barwasser: Wir gehen vorher mehrere Tage in Klausur, um erst einmal die grobe Linie der Sendung abzuklopfen und um vielleicht schon einen Gedanken zu finden, den wir als roten Faden durch die Sendung ziehen wollen. Dann legen wir die Dialoge zwischen uns an, fahren nach Hause und arbeiten an unseren Solo-Nummern. Am Wochenende vor der Sendung treffen wir uns noch einmal für die Feinabstimmung. Dazwischen wird laufend telefoniert.

sueddeutsche.de: Und in der Zwischenzeit darf kein Politiker mehr zurücktreten?

Barwasser: Wir bitten sogar darum. Spontaneität muss sein. Jeder Politiker darf, kann und soll bis Dienstagabend fünf Minuten vor unserer Sendung aus dem Amt scheiden.

sueddeutsche.de: Wie perfektionistisch sind Sie eigentlich, wie wichtig sind für Sie exakte Absprachen beim Komischen?

Barwasser: Bei meinen eigenen Sendungen musste ich mich ja nur zwei Tage vor Aufzeichnung einigermaßen festlegen. Jetzt wird die Abstimmung ein bisschen aufwendiger. Penibel bin ich schon: Ich habe den Anspruch, dass auch bei der Satire die Fakten einfach stimmen müssen. Die Basislage lasse ich gerne überprüfen - und diskutiere darüber auch gerne mit Leuten, von denen ich weiß, dass sie anders denken, weil mich Ihre Antithese interessiert. Bei vielen Themen bin ich allerdings auch selbst hin- und hergerissen: Bei manchen Themen wird es für mich persönlich immer schwieriger, zu einer ganz klaren Meinung zu kommen.

sueddeutsche.de: Hätten Sie eigentlich jemals geahnt, dass ausgerechnet das ZDF zum Hort der satirischen Geistesfreiheit wird?

Barwasser: Schon erstaunlich, gell? Allerdings glaube ich, dass die Anstalt das Eis gebrochen hat und Wegbereiter ist - für einige, die noch kommen werden. Ich glaube aber auch, dass das ZDF über sich selbst überrascht ist. Im Haus hört man immer wieder, dass sich sehr viele Mitarbeiter freuen, dass so etwas ausgerechnet beim ZDF möglich ist.

sueddeutsche.de: Finden die Satire-Befürworter bei der ARD weniger gut Gehör?

Barwasser: Es hat offenbar schon Vorteile, dass das ZDF zentralistischer geführt ist. In einem Verbund wie der ARD werden viele Diskussionen sehr schnell recht kompliziert. Föderalismus halt ...

sueddeutsche.de: Mussten Sie Ihre aktuellen satirischen Angriffe jemals mühsam mit den Rundfunkräten durchsprechen?

Barwasser: Nein, natürlich nicht. Die Redaktionssitzung zur "Pelzig"-Sendung fand meistens donnerstags statt. Am Dienstag habe ich dann einige Ideen in den Sender gemailt - und trotzdem bis zum Schluss geändert. Ziemlich häufig habe ich allerdings auch in der Sendung plötzlich improvisiert und mich von den Absprachen entfernt. Da war ich recht frei.

sueddeutsche.de: Sie werden ja sicher nicht Ihren alten BR-"Pelzig"-Talk eins zu eins zum ZDF verfrachten. Auf welche Neuerungen freuen Sie sich jetzt schon?

Barwasser: Es ist spannend, etwas zu ändern - und gleichzeitig ein Wagnis. Vieles hat bislang gut funktioniert. Wenn ich unruhig werde, vertraue ich meiner Figur. Ich hab schon einige Ideen für Veränderungen und arbeite daran. Aber im Kern bleibt es bei drei Gästen und kleineren Betrachtungen zwischendurch.

sueddeutsche.de: Trotzdem müssen Sie sich mit der "Pelzig"-Runde beim ZDF auf größere Konkurrenz durch die Talkkollegen gefasst machen. Rangeln Sie künftig mit Markus Lanz oder vielleicht sogar Maybrit Illner um die guten Gäste?

Barwasser: Das glaube ich nicht. Meine "Pelzig"-Sendung ist einfach keine klassische Talkshow. Ich hatte ja auch häufig völlig nicht prominente Menschen zu Gast, die woanders kaum eingeladen werden, von den gern genommenen "Betroffenen" einmal abgesehen. Allerdings war es noch nie leicht, genau die richtigen Gäste zu finden, wenn man nur sechs Mal im Jahr sendet. Berliner Politiker nach München zu bekommen, ist zusätzlich schwer. Das wird auch weiterhin ein Problem bleiben.

sueddeutsche.de: Reden wir noch kurz über Erwin Pelzig. Horst Schlämmer hat man irgendwann so häufig gesehen, dass Hape Kerkeling fast zu spät den Stecker wieder gezogen hatte. Droht beim ZDF jetzt die totale Cordhut-Invasion?

Barwasser: Ich hab mich mit Pelzig schon ausreichend rar gemacht. Beim BR und der ARD hatte zwischendurch durchaus der Wunsch bestanden, Pelzig unterhält sich häufiger zu produzieren. Meist habe ich da selbst gebremst. Generell sage ich sehr viel mehr ab, als ich machen könnte. Die inflationären und allgegenwärtigen Vier-Minuten-Auftritte möchte ich auf jeden Fall vermeiden. Ich bin künftig sieben Mal im Jahr mit Pelzig unterhält sich und sechs Mal mit Neues aus der Anstalt auf Sendung - darüber hinaus werde ich nicht sehr viel anderes im TV machen.

sueddeutsche.de: Soll das heißen, die ZDF-Programmdirektion hat noch nicht angeleiert, dass Erwin Pelzig auch Thomas Gottschalks Wetten, dass..? besucht?

Barwasser: Ich entscheide spontan, was ich machen werde. Generell bin ich in solchen Fragen sehr zurückhaltend: Ich mache keine Nummernrevues, keine Werbung - und ich werde auch nicht durch sämtliche Talkshows tingeln.

sueddeutsche.de: Eine vorbildliche Zurückhaltung.

Barwasser: Es ist vor allem eine Zeitfrage. Vieles sage ich aber ab, weil ich mich einfach unwohl fühlen würde, wenn Pelzig zwischen Politikern, Experten und zwei Wirtschaftsleuten sitzt und dann den Kasperl machen soll. Das ist eine völlig andere Grundsituation als wenn ich mir jemanden einlade. Und außerdem möchte ich auch gelegentlich mal zu Hause sein und an die Wand glotzen.

sueddeutsche.de: Als Frank-Markus Barwasser sieht man Sie allerdings auch fast nie öffentlich. Ist das eine Art Schutzmechanismus?

Barwasser: Als Barwassser bin ich mehr der Beobachter - und, auch wenn's kokett klingt, viel schüchterner als Pelzig. Man kann auch sagen, langweiliger. Gut, dass ich Pelzig habe.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: