Süddeutsche Zeitung

Retrospektive auf Arte:Fünf von Truffaut

Von "Die Braut trug schwarz" bis "Auf Liebe und Tod" - diese Filme laufen im Arte-Schwerpunkt zu François Truffaut.

Von Fritz Göttler

Die Braut trug schwarz, 1969

François Truffaut liebte die schwarzen, verzweifelten Bücher von Cornell Woolrich. Auch Die Braut trug schwarz basiert auf einem seiner Romane. Es geht um eine Liebe, die stärker ist als der Tod. Mit kühler Konsequenz bringt Jeanne Moreau, einen nach dem anderen, die fünf Männer um, die für den Tod ihres Mannes verantwortlich sind. Auf den Stufen vor der Kirche haben sie ihn gleich nach der Hochzeit erschossen. Die Mörderin ist eine geisterhafte Erscheinung, gehüllt in die schwellenden Klänge von Bernard Herrmann, der für Hitchcock die Musik zu Vertigo schuf. Zu den fünf französischen Machos gehören Michel Bouquet, der in Das Geheimnis der falschen Braut einen hartnäckigen Detektiv spielt, der kürzlich verstorbene Michael Lonsdale und Charles Denner, der später für Truffaut der Mann, der die Frauen liebte war. Denner spielt einen Maler und lässt Moreau als Göttin Diana Modell stehen, mit Bogen und Pfeil.

19. Oktober 2020, 20.15 Uhr, bei Arte.

Das Geheimnis der falschen Braut, 1968

Der absolute Liebesfilm, er zeigt uns, warum Liebe unberechenbar und verrückt sein muss, bis zur Besessenheit. Jean-Paul Belmondo sitzt als kleiner Unternehmer auf der Insel Réunion im Indischen Ozean, ist einsam und heiratet eine Frau, die sich auf sein Inserat meldet. Das ist Catherine Deneuve, die kühl ist wie sonst nur Hitchcocks Blondinen. Sie ist die "falsche Braut", eine Heiratsschwindlerin. Ganz atemlos wird man angesichts der Liebe der beiden, in der sich Verlangen, Gier, Resignation, Flucht und Gift mischen. "Walzer in die Dunkelheit" heißt die Vorlage von, mal wieder, Cornell Woolrich. Auch heitere Momente hat diese Liebe, zum Beispiel wenn Deneuve sich einen Pulli überstreift auf offener Straße, im Cabrio.

11. Oktober 2020, 20.15 Uhr.

Der Wolfsjunge, 1969

Eine kleine Studie zu der Frage, die Truffaut sein Leben lang beschäftigte - was bedeutet Zivilisation, welche Rolle spielen Liebe und Verständnis und Erziehung für den Menschen? Die Geschichte des Victor von Aveyron, eines wilden nackten Jungen, den man im Sommer 1798 in den Wäldern fängt, er spricht kein Wort, zeigt unbeherrschte Reflexe. Der junge Doktor Itard aus Paris will ihn erziehen, nach seinen Tagebüchern hat Truffaut das Drehbuch geschrieben und spielt selbst den Doktor. Es ist einer seiner persönlichsten Filme, er zeigt, was durch Erziehung zu gewinnen ist und was man verliert. Er ist gefilmt in klarem Schwarz-Weiß von seinem bevorzugten Kameramann Néstor Almendros, in einfachen Einstellungen, die an Stummfilme erinnern. Jedes einzelne Bild zähle, schrieb Wim Wenders damals als Filmkritiker, "umso klarer und deutlicher, weil es keiner Dramaturgie dienen muss, sondern nur dem jeweiligen Augenblick".

19. Oktober 2020, 22.00 Uhr.

Der Mann, der die Frauen liebte, 1977

Ein heiteres Meisterstück über einen Mann, gespielt von Charles Denner, der manchmal wirklich gehetzt wirkt, wenn er sich unter Frauen auf der Straße bewegt, weil er gar nicht mehr nachkommt mit dem Nachschauen. Und der dann sehr ernsthaft darüber reflektiert, was ihn an den Frauen so sehr fasziniert, ihre Röcke und Schritte und Bewegungen. Er schreibt sogar einen Roman darüber, auf einer alten klappernden Schreibmaschine. Beruflich beschäftigt er sich mit Strömungen, mit Wasserwirbeln. Ein Held, wie er heute, in Zeiten der allmächtigen Korrektheit, kaum noch denkbar ist. Aber Charles Denner bleibt als Bertrand Morane seiner Passion tatsächlich bis in den Tod treu. Bei seinem Begräbnis sind dann alle Frauen seines Lebens dabei.

26. Oktober 2020, 20.15 Uhr.

Auf Liebe und Tod, 1983

Der letzte Film von Truffaut, mit Fanny Ardant, die bis zu seinem Tod 1984 auch seine Lebensgefährtin war. Ihr Chef ist in diesem Film Jean-Louis Trintignant, er wird diverser Morde verdächtigt, und sie muss deshalb nach Nizza fahren, um den wahren Täter zu finden. Das Detektivspielen erledigt sie mit beschwingter Professionalität. Der Film ist in klassischem Schwarz-Weiß gedreht, als Hommage an die Kriminalfilme der Vierzigerjahre. Der Mörder ist eine einsame Figur, von einer kindlichen Reinheit, ganz anders als die bürgerlich verklemmten Typen um ihn herum. Er verehrt die Frauen, und von ihm stammen am Ende die Worte, die Truffauts großes Lebenswerk beschließen: "Frauen sind magisch."

26. Oktober 2020, 22.10 Uhr.

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