Das Gespräch eskaliert schnell. "Sie sind nicht Teil der Lösung, Mr. Carlson. Sie sind Teil des Problems", wirft Rutger Bregman dem Mann vor, der ihm eigentlich eine Bühne im Fernsehen bieten wollte: dem US-amerikanischen Moderator Tucker Carlson. Etwa fünf Minuten reden die Männer da erst miteinander.
Ein junger weißer Mann, der alten weißen Eliten sagt, was sie zu tun haben? Das passiert zwar mittlerweile nicht mehr ganz so selten wie früher, aber offenbar doch noch selten genug, um die Gemüter zu erregen. Das Video vom Verbalkampf Carlson vs. Bregman wird jedenfalls gerade wild geteilt.
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Eine Wutrede von Rutger Bregman hatte bereits beim Weltwirtschaftsforum in Davos für breites mediales Echo gesorgt. Der 30-jährige Autor und Historiker aus den Niederlanden hatte Ende Januar die globalen Eliten an den Pranger gestellt und gefordert, dass eine faire Besteuerung für Reiche und Konzerne für eine gerechtere Wirtschaftspolitik unabdingbar sei. Sie bringe mehr als philantropische Gesten, die niemals das Ausmaß des Schadens kompensieren könnten, den Steuervermeidung anrichten würde. Bregman wurde für diese Rede von Journalisten und Wissenschaftlern als Wunderkind gefeiert.
Wohl auch deshalb wurde er in der vergangenen Woche vom Fox-Aushängemoderator Tucker Carlson für dessen Sendung interviewt. Carlson, bekannt dafür, eine - vorsichtig formuliert - rechtskonservative Nervensäge zu sein, wollte das Thema Reichenbesteuerung an dem jungen Historiker und dessen Davos-Rede illustrieren. Das hat mit der neuen inhaltlichen Positionierung zu tun, die Carlson anstrebt: Er möchte zeigen, wie sehr ihm die amerikanische Arbeiterklasse am Herzen liege. Bregman sollte ihm dabei wohl als Steigbügelhalter dienen. Das hat allerdings nicht funktioniert.
"Sie sind ein Millionär, der von Milliardären finanziert wird", sagt Bregman, als Carlson ihn auf das Thema Steuervermeidung anspricht. Und: "Sie waren doch selbst Teil des Cato Instituts", einer von konservativen Milliardären finanzierten Denkfabrik. Damit weist Bregman im Mitschnitt des Gesprächs mit wenigen, wohlplatzierten Sätzen auf die Heuchelei Carlsons hin, so zu stun, als stünde er außerhalb der amerikanischen Elite. Bregman unterstellt Carlson außerdem indirekt, die Sendung sei Sprachrohr des Medienunternehmers Rupert Murdoch. Als er dem Moderator dann auch noch vorwirft, er sei mit dem Thema Steuergerechtigkeit nur auf einen fahrenden Zug aufgesprungen, wird Carlson ausfällig: Er beschimpft Bregman als winziges Gehirn, Vollidioten und schlimmeres.
Bregman bleibt während dieser Ausfälle gelassen und spricht in einem Ton, als würde er ein jähzorniges Kind beruhigen. Er muss nicht kontern, weil seine Argumente die Beleidigungen an Schärfe überbieten. Weil Fox News das Interview nicht in Carlsons Sendung aufnimmt, wegen der Ausfälligkeiten des Moderators, veröffentlicht Bregman den Mitschnitt des Interviews auf Twitter.
Was noch etwas anderes zeigt: Nur weil einer nicht schreit, muss er nicht frei von Ego sein. Die Veröffentlichung des Videos ist zwar einerseits entlarvend für Fox und Carlson, andererseits aber auch für den jungen Historiker Bregman. Sie offenbart ein Maß an Selbstgerechtigkeit, das man während des Videos nur erahnen kann. Er mag Carlson mit dessen eigenen Waffen schlagen - und dabei also eher keinen Unschuldigen treffen. Dennoch bleibt vor allem der Eindruck, als würden sich zwei Alphamännchen nach unterschiedlichen Mustern der Konversation bekämpfen. Jedes mit seinen eigenen Mitteln. Beide aber im sehr eigenen Interesse.