Süddeutsche Zeitung

Fox News:Trumps Sprachrohr emanzipiert sich

Lesezeit: 4 min

Von Christian Zaschke

Auf den Fernsehender Fox News kann sich US-Präsident Donald Trump normalerweise verlassen. Kein anderer Kanal ist ihm derart wohlgesonnen. Bekäme man die Aufgabe, einen Staatsfunk zu erschaffen, der eisern und in Treue fest stets den großen Präsidenten preist, so müsste man darauf verweisen, dass es diesen bereits gibt. Deshalb ist Fox News Trumps Lieblingssender. Er ist sein Fenster zur Welt. Jetzt aber hat Fox News das aus Trumps Sicht Unerhörte getan. Der Sender hat sich an die Seite von CNN gestellt. Mithin, an die Seite des Erzfeindes.

Der ausgesperrte Jim Acosta geht vielen Kollegen auf die Nerven. Er ist vor allem ein Selbstdarsteller

CNN hat Trump soeben verklagt, weil das Weiße Haus dem Reporter Jim Acosta die Akkreditierung entzogen hat. Der Fall hat über die Landesgrenzen hinaus für einige Aufmerksamkeit gesorgt, weil sich Trump und Acosta in der vergangenen Woche auf einer Pressekonferenz nach den Kongresswahlen einen verbalen Schlagabtausch geliefert hatten. Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung versuchte eine Praktikantin des Weißen Hauses, Acosta das Mikrofon wegzunehmen, doch dieser gab es nicht her. Wenige Stunden später teilte das Weiße Haus mit, dass Acosta bis auf weiteres keinen Zugang mehr zum Gelände erhalte.

Acosta geht vielen Kollegen auf die Nerven, weil er immer den großen Auftritt sucht. Er ist vor allem ein Selbstdarsteller. Das hat jedoch die große Mehrzahl der Kollegen nicht davon abgehalten, sich in der Sache auf seine Seite zu stellen. Sein Recht, allen auf die Nerven zu gehen, finden sie, ist in der Verfassung geschützt. Die New York Times unterstützt die Klage von CNN gegen das Weiße Haus ebenso wie die Washington Post oder die Agenturen AP und Bloomberg. Und nun eben auch Fox News.

Senderchef Jay Wallace erläuterte, dass man zwar den zunehmend feindseligen Ton zwischen der Presse und dem Präsidenten nicht billige, aber selbstverständlich für die Pressefreiheit einstehe. Die Vergabe von Akkreditierungen dürfe niemals als Waffe eingesetzt werden, sagte er. Das ist ein überaus interessanter Schritt.

Den Nachrichtenjournalisten des Senders geht es zunehmend gegen den Strich, dass ihr Arbeitgeber als reiner Propagandakanal für Trump wahrgenommen wird. Dieser Unmut wurde besonders laut, als vor kurzem der Fox-Moderator Sean Hannity bei einer Wahlkampfveranstaltung Trumps auf die Bühne trat, Werbung für den Präsidenten machte und die Nerven hatte, die versammelte Presse mit Trumps Lieblingsbegriff "Fake News" zu schmähen. Dabei zeigte er in den Teil der Halle, in dem die Medien versammelt waren, darunter seine Kollegen von Fox News.

Hannity hat dann später auf Twitter einen halbgaren Entschuldigungsversuch hingelegt. Selbstverständlich habe er nicht die eigenen Kollegen gemeint. Sondern die Medien, die falsch und fehlerhaft und voreingenommen berichteten. Zum Beispiel CNN. Das Klima bei Fox News war dennoch ziemlich vergiftet. Hannity ist eines der prominentesten Gesichter des Senders. Es ist das eine, wenn er das Lied des Präsidenten in seiner eigenen Sendung singt. Es ist etwas anderes, wenn er Seite an Seite mit dem Präsidenten auftritt und als dessen Lakai die Kollegen verhöhnt.

Intern gaben die Chefs Hannity zu verstehen, dass er zu weit gegangen war. Seither ist der Sender bemüht, sein Profil als zwar klar konservatives, aber doch unabhängiges Nachrichtenmedium zu schärfen. Offenbar hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass man sich dem Willen des Präsidenten allzu sehr unterworfen hatte. Die Klage von CNN kam da wie gerufen als Gelegenheit zu zeigen, dass man durchaus noch über Anstand und journalistische Maßstäbe verfügt.

Es ist davon auszugehen, dass Fox News sich damit auf die Seite der Sieger gestellt hat. Die meisten Rechtsexperten gehen davon aus, dass CNN mit der Klage Erfolg haben wird, weil die Freiheit der Rede im ersten Zusatz zur amerikanischen Verfassung verankert ist. Zunächst hatte das Weiße Haus argumentiert, man habe Acosta die Akkreditierung entzogen, weil er Hand an die Praktikantin gelegt habe, die ihm das Mikrofon abnehmen wollte. Als Beweis wurde ein Video veröffentlicht, das offensichtlich beschleunigt worden war, damit der Vorgang dramatischer aussieht.

Es gibt Zweifel, ob das Weiße Haus sich auf einen Rechtsstreit einlässt, den es wohl verlieren würde

Da diese Strategie ins Leere lief, änderte das Weiße Haus seine Begründung und argumentierte, dass Acosta sich geweigert habe, das Mikrofon abzugeben und damit die Arbeit der anderen Journalisten behindert habe. Außerdem habe er es an Respekt vor dem Präsidenten vermissen lassen. Allein, dass die Begründung für den Entzug der Akkreditierung geändert worden ist, werten die Verfassungsexperten in Washington als Zeichen der Schwäche.

Es gilt als zweifelhaft, ob das Weiße Haus sich wirklich auf einen öffentlichkeitswirksamen Rechtsstreit einlässt, den es aller Voraussicht nach verlieren wird. Allerdings hasst Trump es zurückzustecken. Möglich ist daher, dass er die Sache durchzieht und sich anschließend als Opfer einer korrupten Justiz und der bösen Medien darstellt. Diese Taktik kommt bei seiner Basis seit jeher gut an.

Dass es überhaupt zu dieser Eskalation kommen konnte, liegt daran, dass Acosta und Trump dem jeweils anderen nützen. Wenn Trump oder seine Sprecherin Sarah Sanders die Auseinandersetzung mit Acosta vermeiden wollten, wäre das ein Leichtes: Sie müssten ihn in Pressekonferenzen einfach ignorieren. Wer in diesem Rahmen eine Frage stellen darf, entscheiden der Präsident oder seine Sprecherin. Eine Akkreditierung bedeutet nicht das Recht, eine Frage zu stellen.

Trump aber liebt die Auseinandersetzung. Immer wieder ruft er Acosta auf, und dann stellt er sich in Position, kampfbereit. Acosta tut ihm den Gefallen, den aggressiven, selbstverliebten Reporter zu spielen, und das gibt Trump Gelegenheit, ihn zurechtzuweisen. Für seine Basis soll nach Trumps Kalkül in diesen Auseinandersetzungen offenbar werden, wie unfair der Präsident von der Presse beziehungsweise den "Fake News" behandelt wird.

Nachrichtlich kommt bei diesen Duellen selten bis nie etwas heraus. Aber für Acosta sind sie große Auftritte, die ihn landesweit bekannt machen, für CNN sind sie Werbung, und für Trump die Gelegenheit, seinen Anhängern vorzuführen, dass das Establishment gegen ihn ist. Es ist ein Schauspiel, von dem beide Seiten profitieren. Vor Gericht wird nun entschieden, wann es wieder zur Aufführung kommt.

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Quelle:
SZ vom 16.11.2018
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