Fotografie:Goodbye, Charlies

Fotografie: Artgefährdende Darstellung oder affige Debatte? Ein typischer Stockfoto-Telefonist bei der Arbeit.

Artgefährdende Darstellung oder affige Debatte? Ein typischer Stockfoto-Telefonist bei der Arbeit.

(Foto: imago stock&people)

Auf vehementes Anraten von Tierschützern hin wollen Stockfoto-Agenturen keine Affen mehr vermenschlichen. Die "unnatürliche Darstellung" schade nicht nur dem Tier vor der Kamera, sondern auch seinen Artgenossen.

Von Laura Hertreiter

Es ist anzunehmen, dass Affen selten freiwillig mit Lätzchen in Kinderstühlen Platz nehmen, wahrscheinlich sind nur die wenigsten scharf drauf, im Tutu zu tanzen oder, bewahre, die Bild-Zeitung zu lesen. In der Welt der Stockfotografie aber sieht er oftmals so aus, der Affenalltag. Zum Missfallen von Tierschützern, die seit Jahren gegen die Vermenschlichung der Tiere in jenem besonderen Bildgenre ankämpfen.

Stockfotos sind auf Vorrat geknipste, über Agenturen vertriebene Bilder, derer sich Redakteure und Werber, aber auch Produzenten von Grußkarten, Kalendern, oder Webseiten immer dann erleichtert bedienen, wenn sie gerade selbst keine Bilder zur Hand haben oder abstrakte Zusammenhänge illustrieren sollen. Frauenquote, zum Beispiel, Hacker, Fremdgehen, Impfpflicht oder eben: Affentheater.

Jetzt aber soll er weg, der tanzende, nachrichtensprechende, zeitungslesende, whiskytrinkende, kippenrauchende Affe. Wie das Onlineportal Adweek mitteilte, kündigten die Agenturen Shutterstock, Alamy, Dreamsteam und Pond5 an, vermenschlichte Affen aus ihrem Angebot auszusortieren. Anlass seien Gespräche mit der Tierrechtsorganisation Peta, die darauf hinweist, dass die "unnatürliche Darstellung" sowohl dem Tier vor der Kamera als auch den Artgenossen schadet. Ähnliches war den Aktivisten zuvor schon in der Werbebranche gelungen. Agenturen wie McCann, Leo Burnett, Grey oder BBDO verzichten auf menschliche Affen in ihren Kampagnen.

Tatsächlich haben US-Forscher nachgewiesen, dass verkleidete Affen in der Fernsehwerbung - etwa der rotbebrillte Trigema-Nachrichtensprecheraffe in den Neunzigern - dem Artenschutz schaden. Probanden, die solche Werbespots sahen, waren demnach abgeneigter, für den Schutz gefährdeter Affen zu spenden, als eine Vergleichsgruppe. Ein Argument, das für die geschäftstüchtigen Tierschützer von Peta noch interessanter sein dürfte als die Frage, wie sehr einen einzelnen Affen sein Tutu nervt. Zu den inakzeptablen Bildern zählen laut Peta nicht nur Bilder, die Tiere bekleidet, auf Skateboards, Fahrrädern oder bei sonstigen Menschenhobbys zeigen, sondern auch solche, für die sie in Studios geschafft werden. Affen, wohlgemerkt. Wie viel Spaß wohl kulleräugige Stockfoto-Kinder im Studio haben? Und überhaupt, wie realitätsnah ist der Mensch in der Stockfotografie?

Im vergangenen Jahr ist die plakative Bilderwelt in die Diskussion geraten, weil sie mit brutalen Klischees arbeitet: Frauen tragen Stilettos am Fuß und Kind unterm Arm. Essen immerzu Salat. Tragen, im Vergleich zu Männern oder Menschenaffen tendenziell wenig Kleidung. Und sie arbeiten sehr, sehr oft in Callcentern. Und all das ist oftmals heftig retuschiert. Agenturen wie Getty Images, einer der größten Anbieter, gelobten nach lauter Kritik, man wolle für mehr Diversität sorgen und ein "realistisches Menschenbild" zeigen. Also adieu, Callcenterfrau und Pullunderaffe? Ach was. Zumindest, was das Tier betrifft.

Denn Stockfotografie und Werbung sind ja längst nicht der einzige Lebensraum vermenschlichter Affen. Was wäre Fernsehen ohne Daktari, Pippi Langstrumpfs Herr Nilsson, Ronny aus Ronny's Pop Show, Abu aus der Aladdin -Serie oder natürlich: unseren Charly? Im Prinzip sind Affen wie sie bis heute die heimlichen Helden. Das drogendealende Kapuzineräffchen in Hangover 2 oder das untote in Fluch der Karibik zum Beispiel. Müsste man alles mal überdenken. Oder besser nicht?

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