Formel-1-Comeback:"Michael Schumacher wird vermisst"

1238 Tage haben RTL, Sky und Bild auf Michael Schumacher verzichtet. Nun ist er zurück - und RTL hat gleich die Werbepreise erhöht.

Stephan Seiler

Eine halbe Stunde vor Rennbeginn herrscht plötzlich Aufregung in der Mercedes-Box. Kein Schaden am Silberpfeil ist der Grund, es ist schlimmer: RTL-Reporter Kai Ebel, bekleidet mit Blümchenhemd und weißer Krawatte, sagt nervös ins gelbe Mikrofon: "Michael Schumacher wird vermisst." Dem Zuschauer stockt der Atem. Ein Kameraschwenk zum verwaisten Rennwagen mit dem Stern, dazu Ebels nüchterne Analyse: "Schumacher sitzt nicht an seinem Arbeitsplatz." Was ist da los? Teamkollege Nico Rosberg ist bereits im Wagen. Gegenschnitt zu Moderator Florian König, der nur fragt, wo "denn der Michael" sei. Zurück zu Ebel, der immerhin vermelden kann, dass "Schumis" roter Helm soeben gesichtet wurde.

1238 Tage musste RTL auf Michael Schumacher verzichten. Eine lange Zeit für den Kölner Privatsender, der pro Jahr geschätzte 75 Millionen Euro für die TV-Rechte an der Formel 1 zahlt. Nach Schumachers Karriereende 2006 versammelte RTL sonntags statt der gewohnten zehn Millionen oft nur noch halb so viele Zuschauer vor dem Fernseher. Nun ist der 41-Jährige zurück, woraufhin RTL die Werbepreise leicht erhöhte und an einem Rennwochenende all das nachholte, was in den drei Jahren ohne den "Champion" nicht möglich war. Schumacher total, dachten wohl die Redakteure. Obwohl dieses Jahr sechs Deutsche fahren, so viele wie nie zuvor. Auch dass Sebastian Vettel die Pole-Position holt, bleibt eine Randbemerkung. Viel wichtiger: Schumacher startet von Platz sieben.

Der Bezahlsender Sky ließ in seinem Formel-1-Trailer den Kerpener auf ein Podest beamen, bewundert von den aufschauenden anderen Fahrern, denen Schumacher zuruft: "Na, Jungs, habt ihr mich vermisst?" Vermisst wurde er jedenfalls auf ganz besondere Weise von RTL, Sky und Bild.

Bei RTL bestand die 45-minütige, vor dem Rennen ausgestrahlte Saisonvorschau zu zwei Dritteln aus einem Interview mit und Rückblicken über Schumacher, die ihn unter anderem beim Nasebohren oder auf der Suche nach einer Toilette zeigten. Das übrige Fahrerfeld teilte sich die verbliebenen 15 Minuten Sendezeit mit Werbeblöcken.

Bei der Qualifikation am Samstag lief es für die Sender nicht ganz so gut. Schumacher fuhr zwar, aber keiner sah ihn. Erst fiel dessen On-Board-Kamera aus. Der Silberpfeil-Kanal aus Perspektive des Cockpits, den Sky anbot, konnte so nur ein Testbild ausstrahlen. Dann fuhr der siebenmalige Weltmeister auch noch so langsam, dass die Produktionsfirma lieber die schnelleren Fahrer wie Sebastian Vettel zeigte. Bild-Reporter rechneten vor, dass Schumi im ersten Durchgang 57 Sekunden, im zweiten 22 und im dritten überhaupt nicht zu sehen war.

"TV-Skandal", schlagzeilte die Bild am Sonntag und forderte nach der Qualifikation: "Und wir hoffen, dass wir heute während des Rennens ganz viel Schumi zu sehen bekommen!" Dass das die Saison über so weiterläuft, ist schon jetzt eigentlich klar.

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