Süddeutsche Zeitung

Forbidden Stories:Arbeit in der Todeszone

Lesezeit: 2 min

Mexiko ist für Journalisten derzeit das gefährlichste Land der Welt. Seit 2000 wurden in dem Land mindestens 119 Reporterinnen und Reporter erstochen, enthauptet oder erschossen. Allein 2020 kam es zu acht Morden an Journalisten. Ein Nachruf.

Von Frederik Obermaier, München

Sie wurden erstochen, enthauptet oder erschossen, in mehreren Fällen konnten selbst Bodyguards die Killer nicht aufhalten: Seit 2000 sind laut der Nichtregierungsorganisation Committee to Protect Journalists (CPJ) in Mexiko mindestens 119 Journalistinnen und Journalisten getötet worden. Allein in diesem Jahr sind bislang mindestens acht Reporterinnen und Redakteure eines gewaltsamen Todes gestorben. Einige Experten gehen von weit höheren Zahlen aus. Die meisten Morde werden nie aufgeklärt. Und selbst wenn die Mörder verurteilt werden, bleiben die Hintermänner in der Regel unentdeckt.

Die 49-jährige Journalistin María Elena Ferral war Kolumnistin beim Onlinemedium El Quinto Poder. Regelmäßig schrieb sie über die Verbindungen von Politikern zum organisierten Verbrechen. Ferral überlebte mehrere Anschläge. "Zweifellos wird es in dieser Region mehr politische Verbrechen geben", schrieb sie im Frühjahr. Achtzehn Tage später, am 30. März 2020, wurde sie erschossen.

Víctor Fernando Álvarez Chávez, der Chefredakteur der Nachrichtenseite Punto x Punto Noticias, wurde am 2. April 2020 als vermisst gemeldet. Einige Tage später wurde sein abgetrennter Kopf in Acapulco im mexikanischen Bundesstaat Guerrero gefunden. Vor seinem Tod war der studierte Anwalt von Kriminellen bedroht worden. Die Mörder wurden bis heute nicht ermittelt.

Der Gründer des mexikanischen Wochenmagazins Última Palabra und der Zeitung El Tiempo de Medios Obson, Jorge Miguel Armenta Ávalos, wurde am 16. Mai 2020 vor einem Restaurant in der Stadt Ciudad Obregón erschossen. Der Journalist recherchierte vor allem zur organisierten Kriminalität in Mexiko. Weil er bedroht worden war, stand Ávalos unter Polizeischutz.

Auch der Journalist Pablo Morrugares Parraguirre war schon seit Jahren bedroht worden. 2016 überlebte der Chef der Nachrichtenseite P.M Noticias einen ersten Mordanschlag und stand seither unter Polizeischutz. Am 2. August 2020 wurde er schließlich zusammen mit seinem Bodyguard vor einem Restaurant in der Stadt Iguala im Süden Mexikos niedergeschossen.

Die Leiche des Journalisten Julio Valdivia wurde im September 2020 rund 300 Kilometer südöstlich von Mexiko-Stadt an einem Bahngleis gefunden; es fehlte der Kopf - der Polizeireporter, der für das Verlagshaus El Mundo arbeitete, war enthauptet worden. Der 41-Jährige hatte zuvor vor allem über bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Kriminellen berichtet. Der Journalist war wiederholt bedroht worden.

Der mexikanische TV-Journalist Arturo Alba Medina wurde am Abend des 29. Oktober 2020 in der Stadt Ciudad Juárez auf dem Heimweg in seinem Auto erschossen. Ihn trafen mindestens elf Kugeln; der Täter flüchtete unerkannt. Der Moderator der Nachrichtensendung "Telediario" des Privatsenders Canal 6 hatte nach Angaben seiner Kollegen zu den Hintergründen der Tötung einer jungen Frau durch die Polizei recherchiert.

Jesús Alfonso Piñuelas war gerade mit seinem Motorrad auf dem Weg nach Hause, als er am 2. November 2020 im mexikanischen Bundesstaat Sonora erschossen wurde. Der 43-Jährige war der Gründer des Blogs El Shock de la Noticia sowie von Zarathustra Press, das Nachrichten auf Facebook veröffentlichte. Sein Schwerpunkt waren Recherchen zu Verbrechen.

Der Journalist Israel Vázquez Rangel wurde 9. November 2020 im mexikanischen Bundesstaat Guanajuato erschossen. Der Reporter der Webseite El Salmantino recherchierte gerade zu einem rätselhaften Leichenfund und war dabei, eine Livesendung zu beginnen, als zwei Männer aus einem Auto heraus das Feuer auf ihn eröffneten. Rangel wurde 33 Jahre alt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5139023
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.