Fernsehfilm im Ersten:Da ist was im Internet

Lesezeit: 2 min

Die junge Deutschlehrerin Gabrielle (Victoire Laly, links) glaubt, dass ihre Schüler über einen rätselhaften Suizid in ihrer Klasse mehr wissen, als sie zugeben. (Foto: Hardy Spitz/WDR/OdeonFiction)

"Flügel aus Beton" ist ein außergewöhnlich junger und actionreicher Fernsehfilm über Suizid, Mobbing und Schule.

Von Aurelie von Blazekovic

Was die Kinder im Internet wohl so machen? Schlimm wird es schon nicht sein - hoffentlich. Eltern, die am Mittwochabend den Fernseher einschalten und Flügel aus Beton sehen, könnten etwas von dieser Zuversicht verlieren. "Da geschieht irgendwas im Internet, das wir alle nicht sehen", ruft der Vater eines Mädchens im Film und fasst den Albtraum aller Eltern in einem Satz zusammen, denn das Mädchen hat sich umgebracht.

Viele Dinge werden in Flügel aus Beton in einem Satz zusammengefasst, was nicht immer gut ist, aber ein übliches Problem deutscher Fernsehfilme darstellt, in denen ja eher die Themen im Vordergrund stehen - und nicht Geschichten, in denen von gesellschaftlichen Problemen erzählt wird und weniger von Menschen. Flügel aus Beton macht das auch, zumindest zu Beginn. Dennoch ist er ein absolut außergewöhnlicher Film.

Die Polizei kann nichts machen, die Direktorin versteht nicht, was eine Challenge sein soll

In der Hauptrolle steht die Deutschlehrerin Gabrielle (Victoire Laly), die über ihre 16-jährige Schwester Ava (Seyna Sylla) mitbekommt, dass das verstorbene Mädchen durch einen Chat in den Suizid getrieben wurde. Die junge Drehbuchautorin Lilly Bogenberger, 1992 in München geboren, greift damit die Warnungen vor angeblichen Selbstmordspielen an Schulen auf, der sogenannten Blue Whale Challenge, die vor ein paar Jahren die Runde machte, sich aber letztlich als reine Gruselgeschichte herausstellte.

In Flügel aus Beton ist das Spiel gruselige Realität. Die Ikarus-Challenge bringt Teenager dazu, 17 Aufgaben zu absolvieren, die letzte ist der Suizid. Beim Versuch, einen Verantwortlichen hinter dem Ikarus-Spiel zu finden, stößt Gabrielle nur auf Widerstände. Der Polizei sind die Hände gebunden, die Direktorin versteht nicht, was eine Challenge sein soll. In einer der treffendsten Szenen versucht ein Schüler verzweifelt, der Direktorin das Prinzip Instagram-Story zu erklären.

Gabrielles Schwester, die 16-jährige Ava (Seyna Sylla, rechts) freundet sich mit Laura (Rika Schlegel) an, die an ihrer Schule gemobbt wird. (Foto: Hardy Spitz/WDR/OdeonFiction)

Lilly Bogenberger ist mit ihrem Spielfilm-Drehbuchdebüt gleich in der Primetime des Ersten gelandet. Zu Recht, ihr und der Regisseurin Lea Becker ist mit einem jungen Blick auf die Schule ein besonderer Fernsehfilm gelungen, auf Depression, Mobbing und Internet. Flügel aus Beton trägt einen etwas bemühten Titel, mutet dem Publikum schwere Themen zu und ist dennoch nicht alarmistisch.

Der Film entwickelt mehr und mehr Drive und wird zum Thriller mit einer Deutschlehrerin als unerschrockener Heldin. Gabrielle nimmt die Dinge zunehmend in die Hand, am Ende auch brutal zugreifend. Sie tut das, um aufzuklären, was keine Behörde ermitteln kann, und so zu verhindern, dass noch eine Schülerin dem Ikarus-Spiel bis zum schrecklichen Schluss folgt. In ihrer ersten großen Hauptrolle spielt Victoire Laly das ganz wunderbar. Mit einer solchen Hingabe, dass ihre Schwester Ava bald findet, man müsste sich eher um Gabrielle sorgen.

Eine Lehrerin, die eine Maus erschlägt, hat man im Fernsehen noch nicht oft gesehen. Eine so schöne Schwesternbeziehung wie die von Ava und Gabrielle auch nicht.

Flügel aus Beton, Das Erste, Mittwoch, 20.15 Uhr.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

"Bridgerton" auf Netflix
:Wenn schon Korsett, dann so

"Bridgerton" mit seinen Puderperücken und Knallfarben ist zurück - auch die zweite Staffel exzellentes Binge-Material. Das sagt viel über unsere Vorstellungen von Romantik.

Von Aurelie von Blazekovic

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: