Flüchtlinge bei Maischberger:"Ob ich zu Hause Reis esse oder Schweinebraten spielt keine Rolle"

Die Flüchtlinge sind da - was machen wir nun mit ihnen? Das Miteinanderreden jedenfalls müssen wir noch üben, zeigt eine Diskussion bei Maischberger.

Von Hannah Beitzer

Jetzt sind sie halt da, jetzt schauen wir sie uns mal an: den 19-Jährigen, der einmal ein hochbegabter Fußballer war, bevor ihn im syrischen Bürgerkrieg eine Kugel ins Bein traf. Den Arzt, dessen Krankenhaus in Damaskus beschossen wurde. Den Kosovaren, der so gerne wollte, dass seine Kinder in Deutschland zur Schule gehen, eine Ausbildung finden. Und der jetzt mit der ganzen Familie zurück in den Kosovo muss.

"Die Stunde der Flüchtlinge - jetzt reden wir!" hieß die Sendung, zu der Sandra Maischberger die Syrer Majd al Hosaini und Dilovan Alnouri sowie den Kosovaren Beq Zeqiri eingeladen hatte. Dafür, dass sich fast jede der zahlreichen Talkrunden der vergangenen Wochen mit der sogenannten "Flüchtlingskrise" beschäftigt hat, kamen die Neuankömmlinge bisher in den Diskussionssendungen selten selbst zu Wort. Das wollte Maischbergers Redaktion offensichtlich anders machen.

Die Sendung weist auf neue Fragen hin

Al Hosaini, Alnouri, Zeqiri - sie brachten ihre jeweils ganz eigenen Geschichten mit in die Runde. "Deutschland, das war mein Traumland, als ich ein Kind war", sagt etwa al Hosaini. Weil, na klar: "Deutschland war für mich Fußball". Doch von selbst sei er nicht auf die Idee gekommen zu fliehen. Nachdem er auf der Straße angeschossen wurde, kam er in ein Krankenhaus im Libanon. Dort drückte ihm sein Vater ein Flugticket in die Hand, nach Ägypten. Von Ägypten ging es weiter über die Türkei, Italien und Frankreich nach Deutschland. Al Hosaini berichtet von einem 17 Meter langen Boot, auf das 300 Menschen gepfercht waren. Von Auseinandersetzungen mit französischen Polizisten.

Was macht man nun mit Geschichten wie dieser? Auch mit der Geschichte des Arztes Alnouri, der erklärt, er habe die weite Reise auf sich genommen, um seine Familie nachzuholen? Mit der Geschichte des Kosovaren Zeqiri, der schon einmal während der Jugoslawien-Kriege in Deutschland war und dann aber "den Fehler gemacht hat, wieder zurückzugehen"? Maischberger fragt sie erst einmal schlicht ab, hakt nach: Warum hat Alnouri eigentlich seine Familie zurückgelassen? Ein Dauerbrenner der Flüchtlingsdebatte. Der Arzt jedoch guckt verständnislos. Die Reise sei zu gefährlich, auch an der Grenze werde geschossen. Deswegen hätten sie beschlossen, dass er erst einmal vorfahren soll.

Nun will es aber das Konzept so, dass es in Sendungen wie der von Maischberger um mehr gehen soll als um pure Berichte. Nämlich um Diskussion. Die sollen Grünen-Chefin Simone Peter, der Chef der Jungen Union, Paul Ziemiak, und die Unternehmerin Jasmin Taylor in Gang bringen. Sie floh in den 80er Jahren als Teenager aus dem Iran nach Deutschland und hat es hier zur Millionärin gebracht.

So richtig flutschte es noch nicht an diesem Abend. In den schlimmsten Momenten fielen sich Peter und Ziemiak, angestachelt von Maischberger, gegenseitig ins Wort, bestrebt, im für derartige Sendeformate üblichen parteipolitischen Gekeife ihre Punkte zu machen: Obergrenze - ja oder nein? Arbeitsmigration - ja oder nein? An anderen Stellen wies die Sendung jedoch tatsächlich auf Fragen hin, die sich in der Debatte erst allmählich andeuten, jedoch spannend sind. Meistens war das dann der Fall, wenn die iranischstämmige Unternehmerin Taylor das Wort ergriff.

Das geschah zum ersten Mal, als JU-Chef Ziemiak ätzte: "Wenn wir hier einen hochqualifizierten Arzt und einen begabten Fußballspieler sitzen haben - dann ist das doch nicht der Durchschnitt." Es kämen eben auch Menschen ohne Bildungsabschluss. Taylor entgegnete: Sie sei mit ihren 17 Jahren auch ohne Schulabschluss nach Deutschland gekommen, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen. So wie viele andere Iraner auch. "Und heute haben 50 Prozent aller Iraner in Deutschland mindestens einen Bachelor-Abschluss." Die Menschen also nicht dafür abzulehnen, was sie sind, sondern ihnen zuzutrauen, dass sie etwas aus sich machen: So sieht sie das.

Sind Christen leichter zu integrieren?

Aber auch Ziemiak ist als Gast interessant, da der JU-Chef als Kind mit seinen Eltern, beide Ärzte, aus Polen nach Deutschland kam. Damals hießen Flüchtlinge wie er "Aussiedler". Warum seine Eltern kamen, erklärt Ziemiak so: "Es gab Unfreiheit, es gab keine freien Wahlen, es gab Korruption. Außerdem wusste man, dass es in Deutschland eine Zukunft gibt." Mit so einer Begründung wäre es heute schwierig, einen Asylantrag bewilligt zu kriegen, weswegen Maischberger folgerichtig nachhakt: "Waren Sie also Wirtschaftsflüchtlinge?" Auf diese Frage will Ziemiak sich nicht einlassen, will die Situation von damals nicht mit heute vergleichen. Wann immer aber die Sprache auf den Kosovaren Zeqiri und seine Söhne kommt, betont Ziemiak: Jeder Einzelfall sei tragisch, aber um Einzelfälle dürfe es nicht gehen.

Ziemiaks Hauptthese, mit der er in die Sendung eingeführt wurde, geht ohnehin in eine ganz andere Richtung: Christen wie er und seine Eltern seien eben leichter in Deutschland zu integrieren als Muslime. "Als meine Eltern kamen, sind sie sonntags in die Kirche gegangen. Da waren sie schon mitten in der Mehrheitsgesellschaft." Da widerspricht ihm Grünen-Chefin Peter, die der Religion nicht eine so große Rolle einräumen will. Viele Flüchtlinge seien gar nicht so streng religiös, "wie immer kolportiert wird".

"Wir gehen immer von unserem deutschen Denken aus"

Das wiederum kontert Ziemiak mit einem Ausspruch, der längst auf jedem AfD-Parteitag und jeder Pegida-Demo zu den Klassikern gehört: "Schauen Sie doch einmal nach Neukölln!" In Dresden und anderswo wird er gern benutzt von Menschen, die selber noch nie in Neukölln waren, sondern nur die Bücher von Thilo Sarrazin und Heinz Buschkowsky gelesen haben. Die liefern eine direkte Verbindung zwischen dem "Problembezirk" Neukölln (der übrigens in Berlin inzwischen zu den begehrtesten Wohngegenden gehört) und "den Muslimen" im Allgemeinen.

Da reicht es dann auch der Unternehmerin Jasmin Taylor. "Ob man zur Kirche oder zur Moschee geht, hat doch nichts mit Integration zu tun", sagt sie. Integration, das sei Deutsch lernen, eine Arbeit finden, heiraten, eben ein ganz normales Leben führen - "und ob ich zu Hause Reis esse oder Schweinebraten spielt doch keine Rolle". In der Tat ist die Frage wichtig und hätte noch ein paar Sendeminuten mehr vertragen. Hätte es einen Unterschied gemacht, wenn die erfolgreiche Unternehmerin Taylor mit Kopftuch statt mit offenem Haar in der Maischberger-Sendung gesessen hätte? Muss Integration gleich Assimilation sein? Was ist verhandelbar, was nicht? Alles Fragen, die Deutschland trotz jahrzehntelanger Migration noch immer nicht abschließend geklärt hat.

Bis es zu solchen Fragen in der Praxis allerdings kommt, haben viele Flüchtlinge noch einiges vor sich. Das wiederum demonstriert die Maischberger-Redaktion mit einer Schalte in ein Flüchtlingsheim in Niederbayern, dessen Leiter Franz Wasmaier beschreibt, womit die Neuankömmlinge am meisten zu kämpfen haben. Zum Beispiel: Wie funktioniert eine deutsche Waschmaschine? "Wir gehen immer von unserem deutschen Denken aus, was die können müssen. Aber die kommen halt aus anderen Kulturen."

So erkläre er den Flüchtlingen eben, dass sie im Supermarkt die Produkte aus den unteren Regalreihen nehmen sollten, weil die billiger sind. Und dass es die Deutschen nicht so gern mögen, wenn sich einer auf die Motorhaube ihres Autos setzt. "Dann machen es die meisten halt. Oder manche auch nicht", sagt er. Und lacht. Ja, die Menschen sind verschieden, auch wenn sie Flüchtlinge sind - wieder so eine Offensichtlichkeit, die für manche schwer zu verstehen ist. Auch er wurde mal bespuckt oder angegriffen, die Leute seien manchmal frustriert, wollten Dinge von ihm, für die er nicht zuständig sei. Doch ihre Situation sei eben nicht leicht: "Ich nehme es ihnen nicht übel."

Kann man an der Situation irgendwas ändern? Weniger Bürokratie wünscht sich Wasmaier, außerdem mehr und schnellere Sprachkurse. "Mir wäre wichtig, dass wir die Leute nicht in Watte packen, sondern auch ein bisschen fordern." Eine Obergrenze sieht er aber skeptisch. "Die Weltlage ist so. Die Leute kommen zu uns. Wir müssen den Leuten helfen", sagt er in die Maischberger-Kamera und lässt ein bisschen ratlos die Arme hängen.

Was soll er auch machen gegen die Weltlage? Reden, zuhören, versuchen die Bedürfnisse des anderen zu verstehen, ist dabei sicher ein guter Anfang.

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