Süddeutsche Zeitung

Medien-Kolumne "Abspann":Der Beef der fetten Kartoffel

Ein weiterer Teil der beliebten Serie "hypersensible Rapper bedrohen Journalisten". Diesmal: Der Berliner Fler auf Hausbesuch bei einem Tagesspiegel-Reporter.

Von Harald Hordych

In Berlin hat der Gangsta-Rapper Fler sich über einen Artikel des Tagesspiegel-Reporters Sebastian Leber so geärgert, dass er zu dem Journalisten nach Hause gefahren ist, um ... ja, um was genau zu tun? Das wird man nie erfahren, denn Leber war nicht da. Fler konnte lediglich sein Klingelschild abfotografieren und das Bild im Social Web posten - inklusive der Namen aller anderen Hausbewohner. Sebastian Leber konnte auf Twitter nur antworten: "Der Rapper Fler hat gestern versucht, mir einen Hausbesuch abzustatten. Wegen dieses Artikels, in dem ich eigentlich nur Zitate aneinandergereiht habe ..."

Womit Leber recht hat. Tatsächlich hat er wirklich nur Zitate aneinandergereiht und damit die Geschichte der mehr als 15 Jahre alten Feindschaft von Fler und Bushido nacherzählt. Eine Zitat-Fehde in 54 Akten, um genau zu sein, in der aus zwei Freunden nach ein paar Songs Feinde geworden waren. Zu Beginn der Freundschaft hieß Fler noch Patrick Losensky, und Bushido hieß nicht nur zu Hause, sondern auch draußen auf den Berliner Straßen Anis Ferchichi. Dann veröffentlichte Fler den Song "Hollywood-Türke", in dem er eigentlich mit einem anderen Rapper abrechnet, Bushido aber, eher so nebenbei, "Pussido" nennt. Bushido antwortete aus der Ferne mit dem Titel "Flerräter". Damit war die Feindschaft besiegelt. Der Beef, wie selbst mittelalte Rapper gern sagen.

Chronologisch sehr ordentlich notiert, ist das bei Leber als ein Best-of der Beleidigungen ("fette Kartoffel") nachzulesen. Aber Fler, der mehrfach vorbestraft ist, hat dieses Protokoll, das ohne Diffamierungen oder Gehässigkeiten auskommt, so wütend gemacht wie ein glasklarer Spiegel, in den man verkatert schaut. Twitter-Kommentar Fler: "Sebastian versteht es garnicht das ein Mensch sauer wird nach so einem Kackartikel."

Vielleicht wusste Fler nicht, wo die Tagesspiegel-Redaktion ist

So unangenehm es sicherlich ist, Besuch von einem sauren Fler, 37, zu bekommen - dass das Rap-Drama in dieser epischen Länge nacherzählt wird, hat sicherlich auch damit zu tun, dass Fler und Bushido beide Berliner sind und der Tagesspiegel ebenfalls in der Hauptstadt erscheint. Lokalkolorit nannte man das früher. Heute heißt es Lokaldynamit. Und erinnert damit trotzdem sehr an die Zeiten, als ein verärgerter junger Mann einfach in die Lokalredaktion Mettmann der Rheinischen Post marschiert kam, weil ihm die Berichterstattung über seinen eigenen Verkehrsunfall nicht gefallen hat. Man kennt sich, man sieht sich, was manchmal ganz nett und manchmal sehr kommunikativ ist.

Vielleicht wusste Fler nicht, wo die Tagesspiegel-Redaktion ist, vielleicht wusste er, dass Leber oft zu Hause arbeitet, vielleicht wusste er vor lauter Beef auch gar nichts. Vor allem zeigt die Geschichte, dass Gangsta-Rapper Zeitungen immer noch ernst nehmen. Ist ein schwacher Trost, aber immerhin.

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Quelle:
SZ vom 09.10.2019/qli
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