Flaute im TV:Serientipps gegen das Sommerloch

Binge-Watching geht auch an den heißesten Tagen des Jahres. Sieben Vorschläge, vom vergessenen Geheimtipp bis zum aktuellen Highlight.

1 / 7

Misfits

Misfits

Quelle: © E4

Fünf jugendliche Straftäter werden vom Blitz getroffen und haben danach Superkräfte, die sie nicht nur für das Gute und Schöne einsetzen, sondern den ein oder anderen Sozialarbeiter um die Ecke bringen. Klingt wie absoluter Quatsch? Das ist die britische Serie Misfits auch. Allerdings Quatsch, der süchtig macht. Allein der White-Trash-Queen Kelly, die nach dem Unwetter plötzlich Gedanken lesen kann, dabei zuzusehen, wie sie sich in übelstem Slang durch die Sozialstunden flucht - herrlich!

Hinzukommen noch: ein großartiger Soundtrack, coole Outfits und ziemlich lustige Sexszenen. Ein Glücksfall, dass Netflix die von 2009 bis 2013 in Großbritannien ausgestrahlte Serie wieder hervorgekramt hat. Fazit: Misfits ist für alle, die True Blood lieben (fast so blutig, fast so viel Sex, mindestens genauso trashig) und Game of Thrones vergöttern - denn eine der Hauptfiguren, Simon "Stary Eyes" Bellamy, wird von Iwan Rheon verkörpert. Den kennen GoT-Fans als absolut grausamen Bösewicht Ramsay Bolton.

Hannah Beitzer

2 / 7

Bored to Death

Bored to Death

Quelle: © Home Box Office (HBO)

Sie neigen zur Prokrastination? Dann ist Bored to Death Ihre Serie. Jonathan Ames, die Hauptfigur, ist eigentlich ein vielversprechender New Yorker Nachwuchsautor, der an seinem zweiten Roman arbeitet. Uneigentlich verbringt er seine Zeit mit dem Konsum von Marihuana, Weißwein und Raymond-Chandler-Kriminalromanen. Als seine Freundin ihn verlässt, beschließt er, etwas an seinem Leben zu ändern - und schaltet eine Annonce als Privatdetektiv. Es folgt eine Aneinanderreihung kurioser Kriminalfälle, angereichert mit neurotischen Großstadt-Konversationen, ein ganz famoser und sehr lustiger Genremix aus Woody Allen und Film Noir also.

Jason Schwartzman spielt Jonathan Ames als einen Wiedergänger von François Truffauts Figur Antoine Doinel: als empfindsamen, leicht egozentrischen Tunichtgut, dem man jedes Missgeschick verzeiht. Gleiches gilt für seine besten Kumpels, einen arbeitslosen Comiczeichner (Zach Galifianakis) und einen in die Jahre gekommenen Dandy (Ted Danson). Im Verlauf der Serie entwickeln die drei eine der merkwürdigsten und liebenswertesten Männerfreundschaften der jüngsten Fernsehgeschichte. Banale Liebesprobleme und existenzielle Fragen werden da gleichermaßen erörtert, weshalb man eines mit Sicherheit feststellen muss: Wer Bored to Death schaut, prokrastiniert nicht, er lernt fürs Leben.

Luise Checchin

3 / 7

Parks and Recreation

Parks and Recreation

Quelle: © Universal Media Studios

Es ist einer der einfachsten und schönsten Witze in dieser Comedy-Serie über die Angestellten eines Grünflächenamtes in der fiktiven amerikanischen Stadt Pawnee, Indiana, dass der Chef eben dieses Grünflächenamtes - qua Position ein Staatsdiener - den Staat und all seine Auswüchse hasst. Ron Swanson ist ein holzvernarrter, schnauzbärtiger libertarian, der Kapitalismus definiert, als Gottes Art und Weise zu sagen, wer klug und wer arm ist.

Dass Ron Swanson dann doch eine der liebenswerteren Figuren der zeitgenössischen Serienlandschaft ist, liegt am erzählerischen Geschick der Erfinder von Parks and Recreation. Sie haben in ihren Kleinstadt-Irrsinn aus dem amerikanischen heartland ganz viel Wärme gepackt - und die begabtesten Komiker ihres Fachs: Da ist Nick Offerman als Ron Swanson, Amy Poehler als Polit-Kämpferin Leslie Knope oder Aziz Ansari als Self-Made-Träumer Tom Haverford. Besonders nett: Chris Pratt als teddybäriger Schluffi Andy - bevor ihn Hollywood zur neuen Action-Allzweckwaffe schmiedete.

Julian Dörr

4 / 7

Luther

Luther

Quelle: © BBC / Sarah Dunn

Luther ist unberechenbar, aber brillant. Die Mordfälle sind vertrackt, die Täter raffiniert und die Tatorte meist Londons dunkelste Ecken. Aber vor allem ist Luther Idris Elba. Der Detektiv John Luther, den er verkörpert, ist bullig, bedrohlich und liebenswert zugleich. Allein körperlich überragt er alle anderen Akteure. Mit seinen breiten Schultern hebt er einen Verdächtigen schon mal mehrere Sekunden lang über die Balkonbrüstung, bis er gesteht. Und Luther riskiert auch viel dafür, den Tätern auf die Spur zu kommen, lässt zwischendrin die Distanz zu den Verdächtigen fallen und kann erschreckend gut die Gedanken hinter einem Mord nachvollziehen.

Manche sehen in der Figur Luther die Horrorvorstellung eines jeden Polizeipsychologen. Andere halten ihn für ein wahres Genie. Am Ende eines Specials, das auf die dritte Staffel folgt, fragt Luther eine Zeugin: "Hast du Angst vor mir?" "Nein." "Solltest Du aber - denn ich werde dich kriegen." Bei wenigen TV-Detektiven wirkt diese Drohung echter als bei Idris Elba. Sollte der Brite tatsächlich einmal James Bond spielen - besser als Luther kann dieser Bond gar nicht werden.

Carolin Gasteiger

5 / 7

Preacher

Preacher

Quelle: © Matthias Clamer/AMC

Schon mal einem versoffenen irischen Vampir dabei zugesehen, wie er sich in einem Privatjet mit asiatischen Vampirjägern prügelt und dabei erst zum Golfschläger, dann zur Axt und schließlich zur abgebrochenen Champagnerflasche greift? Nein? Gut. Wem der Sinn nach derlei Verrücktheiten steht, der ist mit Preacher, basierend auf der gleichnamigen Comicreihe, genau richtig.

Darin geht es um Jesse Custer, Ex-Krimineller und Pfarrer einer texanischen Hinterwäldler-Gemeinde, von dem eines Tages ein himmlisch-höllisches Wesen Besitz ergreift und ihm sozusagen die Kraft göttlicher Befehlsgewalt verleiht. Für den zweifelnden Priester ein Zeichen dafür, die dekadenten Schäfchen seiner Gemeinde zu bekehren. Bis er von einem Engel erfährt, dass Gott auf seinen Job keine Lust mehr hatte und sich klammheimlich aus dem Himmel verdrückt hat. Diese Mischung aus durchgeknalltem Spät-Spät-Western, Religionskritik und Schundheftchen vom Bahnhofskiosk hat schon der Comicreihe eine geradezu - Verzeihung, aber: - religiöse Fangemeinde eingebracht. Und auch die durch und durch zynische Serie, deren erste Staffel die Vorgeschichte der Comics erzählt, könnte sich zu einem Highlight entwickeln.

Matthias Huber

6 / 7

Die Besucher

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Quelle: Universum Film GmbH

Oft wird behauptet, HBO habe das Fernsehen neu erfunden, indem es auf serielles Erzählen setzte. Aber das stimmt so nicht. Das serielle Erzählen begann viel früher, mindestens in den Achtzigern. Damals gab es noch die Tschechoslowakei, die heute anders heißt, aber schon Serien drehte, die immer noch unvergesslich sind.

Die Besucher zum Beispiel ist so eine unvergessliche Serie: Die Menschheit schickt vier Wissenschaftler getarnt als Geometer in die Vergangenheit, um im Jahr 1984 ein Wunderkind zu finden, das womöglich die Formel gegen eine in der Zukunft drohende Katastrophe besitzt. Das Wunderkind aber treibt sich in der Kleinstadt Kamenice rum. Also fahren vier Science-Fiction-Geometer in einem Lada Niva durch die Gegend, es ist Rummel, die Menschen tragen blassgelbe T-Shirts, rauchen, saufen, essen Fleischwurst, die Sonne scheint und in die Zukunft zurück will bald keiner mehr. Die Neue Züricher Zeitung schrieb vor vielen Jahren von einem "televisionären Bestseller". Dem ist nichts hinzufügen.

Hannes Vollmuth

7 / 7

Peep Show

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Quelle: SPIRIT

Einen besseren Namen hätten die Macher dieser Serie nicht finden können. Peep Show - das ist die Geschichte der höchst dysfunktionalen Freundschaft zwischen Mark Corrigan and Jeremy "Jez" Usbourne, die sich ein Apartment im Südlondonder Stadtteil Croydon teilen. Peep Show - das ist aber vor allem ein Blick hinter den dünnen Schleier der Zivilisation, tief hinein in die schwarzen Abgründe des britischen Humors.

Neun Staffeln und zwölf Jahre lang (2003 bis 2015, keine Comedy lief länger auf dem britischen Sender Channel 4) folgt die Kamera dem grauen Büroangestellten Mark und dem arbeitslosen Musiker Jez von einer Demütigung zur nächsten - immer aus der Ego-Perspektive und unterlegt von den kaum gesellschaftsfähigen Gedankenströmen der Protagonisten. Kommerziell erfolgreich war Peep Show nie, dafür aber ein Kritikerliebling. Der Guardian nannte die Serie einmal "die beste Comedy des Jahrzehnts". Die soll nun ein US-Remake bekommen. Der richtige Zeitpunkt also, sich mit dem Original vertraut zu machen.

Julian Dörr

© SZ.de/doer/muth
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