Süddeutsche Zeitung

Finanz-Thriller "Bad Banks":Bänker sind auch Menschen

Die deutsch-luxemburgische Serie "Bad Banks" erzählt von Menschen, die mit Milliarden jonglieren und dabei letztlich nur wie besessen ihren eigenen Wert ausloten. Ein internationaler Erfolg ist sie schon jetzt.

Von David Denk

Gut, die Deutsche Global Invest hat größere und drängendere Probleme, aber zur Realität bei der wichtigsten (fiktiven) Bank des Landes gehören auch sie: Mäuse. Im übertragenen Sinne sowieso, aber eben auch im ganz wörtlichen. Zu Dutzenden bevölkern die Nager den Trading Floor im Erdgeschoss des Frankfurter Büroturms und machen sich über die Essensreste der Investmentbanker her, die nun wirklich keine Zeit haben, in die Kantine zu gehen. Das machen nur Loser.

Es ist nicht mehr als ein Detail, aber es ist die Summe solcher Details, die darüber entscheidet, ob man einer Fiktion Glauben schenkt. Und Bad Banks glaubt man, weil man spürt, dass Headautor Oliver Kienle und Regisseur Christian Schwochow die Welt durchdrungen haben, von der sie in ihrer Serie so intensiv und stimmig erzählen. Klischees sind kein Selbstzweck, sondern werden benutzt, um sie zu brechen. "Nur Vorurteile zu bestätigen, hätte mich gelangweilt", sagt Kienle, der schon mit der Umsetzung der Idee von Produzentin Lisa Blumenberg begonnen hatte, als Schwochow hinzustieß: "Die Erzählwut der beiden hat mich überzeugt und die große Offenheit mir gegenüber, die Serie auch zu meinem Projekt zu machen, mich mit einzubringen. Wir waren ein sehr starkes Dreieck."

Jana Liekam ist eine Sphinx im schwarzen Hosenanzug, äußerlich zart, innen beinhart

Mit der so ehrgeizigen wie undurchschaubaren Jungbankerin Jana Liekam (Paula Beer) hat Kienle eine weibliche (Anti-)Heldin geschaffen, die sich und die Zuschauer damit überrascht, wie weit sie für die Finanzierung eines Milliardenbauprojekts, für ihre Karriere zu gehen bereit ist. Jana Liekam ist eine Sphinx im schwarzen Hosenanzug, äußerlich zart, innen beinhart. Ohne Rücksicht auf Gesundheit und Privatleben setzt sie alles auf eine Karte, um sich mithilfe von Insiderwissen zu profilieren. Dabei gerät nicht nur sie selbst in Gefahr, sondern auch ihr Arbeitgeber. Für Loyalität ist kein Raum im Spiel um Macht und Profit - oder etwa doch?

"Ein Knackpunkt in der Stoffentwicklung war für mich, als mir klar wurde, dass ich keine Serie über Banker schreibe", sagt Kienle, der mit den Autorenkollegen Jana Burbach und Jan Galli einen Writers' Room bildete, "sondern über Süchtige, die in einer Welt, in der alles einen Wert hat, auf der Suche nach ihrem eigenen sind".

Bad Banks erzählt dynamisch und packend aus der doppelt verschlossenen Welt der Hochfinanz: Selbst wenn man Investmentbanker dazu bewegen kann, über Interna zu reden, was seit der Bankenkrise von 2008 sanktioniert wird, ist noch lange nicht gesagt, dass man auch begreift, was sie erzählen. "Ich musste recherchieren, um überhaupt erst mal zu verstehen: Was ist die Finanzbranche?", sagt Schwochow. "Ich habe ein Girokonto und eine Kreditkarte - that's it! Ach so, nee, eine Riester-Rente habe ich auch noch."

Diese Hintergrundgespräche, aus denen Schlüsselsätze ins Drehbuch übernommen wurden, bilden das Fundament der Wahrhaftigkeit von Bad Banks. "Ich habe schnell begriffen, dass auch diese scheinbar so homogene Welt sehr verschiedene Menschen anzieht: von Satan persönlich bis zu Leuten mit regelrecht idealistischem Antrieb", sagt Kienle. Und Schwochow erzählt, wie beeindruckt er war, als zwei Londoner Investmentbanker ihn auf den Cannes-Hype um Toni Erdmann ansprachen: "Ich habe große Sympathien für Menschen, die gebildet sind und vielseitig interessiert." Er hatte Zombies mit beschränktem Horizont erwartet - und traf auf Hochbegabte, deren Kapital es ist, sich in der Welt auszukennen.

Der erste Gesprächspartner von Schwochow und Kienle in Luxemburg war der äußerst vielseitige Marc Limpach, der in Bad Banks nun den Bankierssohn Luc Jacoby spielt, einen traurigen Clown mit Dackelblick, der nicht mit der, aber auch nicht ohne die Welt leben kann, in die er hineingeboren wurde. Im wirklichen Leben leitet Limpach in seiner Heimat ein Theater, gibt eine Kulturzeitschrift heraus - und ist Fachjurist bei der dortigen Bankenaufsicht. "Olli und ich haben gefühlt zwei Stunden an seinen Lippen gehangen", erzählt Schwochow, "und anschließend haben wir uns angeschaut und waren uns einig: Den müssen wir besetzen."

Die Serie scheut weder Tempo noch Komplexität

Limpach strahlt das weltläufige Selbstbewusstsein der Finanzwelt aus, auch wenn er selbst gar kein Banker ist. Aber er hat in Cambridge studiert und erinnert sich an Recruiting-Events einer Bank, "nur wunderschöne Menschen, Champagner-Fontänen, Schokoladenbrunnen, und dann wird da genau solch jungen, hochtalentierten Menschen wie Jana Liekam das Blaue vom Himmel versprochen". Ein Freund von ihm, Physiker, früherer Mitarbeiter von Stephen Hawking, habe widerstanden und verdiene heute an der Uni 2000 Pfund im Monat. "Hätte er unterschrieben, hätte er mittlerweile wahrscheinlich ein Riesen-Penthouse", sagt Limpach. "Aber das ist ja genau die Frage, um die es auch in der Serie geht: Wofür setze ich meine Fähigkeiten ein?" Moral ist in der Welt von Bad Banks nicht mehr als eine Option - und trotzdem hütet sich die Serie davor, ihre Figuren zu verurteilen.

Die Serie scheut weder Tempo noch Komplexität. Sie ist eine deutsch-luxemburgische Koproduktion und musste daher hier wie dort gedreht werden, mit Schauspielern aus beiden Ländern. Bad Banks ist auch die Wiederentdeckung der Désirée Nosbusch in der Rolle von Christelle Leblanc. Die mächtige Grande Dame des luxemburgischen Bankings versucht, Jana Liekam zu instrumentalisieren - eine weitere starke Frauenfigur im Zentrum. Überhaupt glänzt die Serie durch ihr exzellentes Ensemble (Casting: Anja Dihrberg), das mit Ausnahme von Tobias Moretti und Jörg Schüttauf ohne die üblichen Verdächtigen auskommt. Dem Niederländer Barry Atsma - als Jana Liekams charismatischer Mentor Gabriel Fenger ein Dinosaurier des Investmentbankings - ist wirklich eine Weltkarriere zu gönnen.

Auch die Chancen für einen internationalen Erfolg der Serie stehen nicht schlecht: Bad Banks wurde schon an HBO Europe und den britischen Channel 4 verkauft sowie bis nach Australien und Neuseeland. Headautor Kienle entwickelt bereits eine zweite Staffel - in der Hoffnung, dass Qualität auch dann anerkannt und gefördert wird, falls der ganz große Quotenerfolg für die Serie ausbleiben sollte. Er wirkt wild entschlossen, "meinen Teil dazu beizutragen, dass in Deutschland bessere Geschichten entstehen".

Diesem Auftrag fühlten sich offenbar auch die beiden Fachberater verpflichtet, die am Ende eines mehrstündigen Recherchegesprächs Kienle und Schwochow eine Überraschung präsentierten: ihre eigene Idee für die Serienhandlung. "Investmentbanker sind darauf trainiert zu verkaufen", sagt Kienle. "Warum also nicht auch uns ein alternatives Serienkonzept?" Kienle dürfte wohl auch bei der Fortsetzung der Versuchung widerstehen, auf ihr freundliches Angebot zurückzugreifen.

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Quelle:
SZ vom 01.03.2018/albe
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