Germany's Next Topmodel:Alisar im Wunderland

Zähes Ende eines Laufstegmärchens: Heidi Klum gibt ein letztes Mal die alternde Herrscherin im Tal der Modeltränen - und kürt eine Österreicherin zu "Germany's Next Topmodel".

Patrizia Barbera

Die Stimme aus dem Off lügt nicht. Heute geht es um alles. "Alles", das meint im Finale von Germany's Next Topmodel nichts Geringeres als: Liebe. "We gotta fight, fight, fight, fight, fight for this love", singt vor jedem Topmodel-Abend die britische Popsängerin Cheryl Cole in ihrem Titelsong.

Finale Germany's next Topmodel, dpa

Modelmama Heidi Klum und ihr neuestes Küken: Die 21-Jährige Österreicherin Alisar (rechts) ist "Germany's Next Topmodel 2010".

(Foto: dpa)

Es geht hier um den scheinbar unerreichbaren Heiligen Gral der Liebe - die Gunst der Heidi Klum. Sie allein ist die Herrscherin des Tals der Tränen. Wer es Heidi heute nicht recht macht, fliegt raus.

Ein Traum, der alle eint

Mit diesem Konzept hat es die Frau, die in jungen Jahren gut Bikini zeigen konnte und auch später noch mit hinreichender Eleganz Dessous vorführte, auf immerhin fünf Staffeln gebracht. Die Quoten der Pro-Sieben-Show machen zwar eine Abmagerungskur, aber Heidi Klum will immer noch beweisen, was man mit stählerner Energie leisten kann. Das trägt nicht so richtig druch den Finalabend, füllt aber dennoch die Sendezeit.

Nichts, keine Weltreise, kein Job im "normalen" Leben, kann junge Mädchen in Deutschland immer noch so begeistern wie die Teilnahme an Heidi Klums Castingshow. Um mitmachen zu dürfen, bedarf es vor allem gut präsentierten und von Katy Perry an diesem Abend in California Girls besungenen "Bikinis" sowie einer "sun kissed skin", sommerschöner Haut.

Davon träumen ja offenbar alle: ein echtes "California Girl" sein. Denn: "We're fine, fresh, fierce". Frisch, frech, wild.

Aber gilt das auch noch für Heidi Klum und ihre Show? Das Ende ist grotesk. Die Model-Mama kreischt immer wieder: "Wer wird Germany's Next Topmodel? Wer? Wer?" Und mit den verbliebenen Kandidatinnen starrt sie minutenlang auf ein übergroßes Cover der Zeitschrift Cosmopolitan, das sich ausfüllen muss mit dem Abbild der Siegerin. Klum preist den Warenwert des Sieges bei ihrer Show. Viel anders geht es auch bei Wal-Mart nicht zu.

Es siegt, wer siegen musste. Nicht die hibbelige Hanna, sondern die exotische Alisar. Sie lächelte am Schluss schon sehr gezwungen - und alles andere als fotogen - in die Kamera. Doch als sie nach minutenlangem Hinhalten und unerträglichen Werbepausen ihr Bild auf Cosmopolitan sieht, wird sie lockerer. Die 21-Jährige aus Österreich ist Heidis neues Topmodel.

Was mussten die Mädels im Liebesdienst für Klum und einen Privatsender nicht alles tun! "Es war ein harter Weg", resümiert die 18-jährige Finalistin Hanna. Ein Einspieler zeigt in der Finalshow das Best-off der Heulorgien.

Drei Sorten Tränen gab es in der fünften Staffel: Erstens die Was-soll-ich-mit-meinem-jungen-Leben-nur-anfangen-nach-dem-Rauswurf-Tränen, zweitens die War-nur-ein-Scherz-du-bist-doch-dabei-Tränen und drittens natürlich die Immer-und-grundlos-Hanna-Tränchen.

Ihr wollt und sollt so sein wie ich

"Light up, light up. As if you have a choice", untermalt die Band Snow Patrol mit ihrem Song Run den Einspieler. Kopf hoch! Stell dir vor, es gäbe eine Alternative zu dieser unvorstellbaren Misere hier. Doch ein kurzer Blick zum Beispiel auf die 23-jährige blonde Laura rückt Song und Realität wieder weit auseinander. Wild entschlossen, fast verbissen schaut sie in die Kamera: "Ich mache nicht aus Spaß mit, sondern um zu gewinnen."

Eine Alternative zum Topmodelsieg? Undenkbar.

Bevor es überhaupt auch nur annähernd zur einer Entscheidung kommt, hat Heidi Klum am Schlussabend noch einmal klargemacht, um wen es wirklich geht: um sie selbst. Im kurzen Leoparden-Kleidchen und auf halsbrecherisch hohen Stilettos, ein paar Kilos an der falschen Stelle zu viel, schreitet sie den Catwalk entlang. Eisernes Strahlen, akkurat geschnittener Pony, gönnerhafte Luftküsschen. Die Zuschauer in der Lanxess-Arena in Köln klatschen sich in Ekstase. Die Kamera zeigt Mädchenscharen, die ihre Arme lechzend Richtung Bühne strecken. Schaut her, scheint Heidis Blick zu sagen, ihr wollt und sollt so sein wie ich.

Jurymitglieder Q und Kristian Schuller reihen sich fast schon unterwürfig in die Klum-Bewunderer ein. "Vor meinem ersten Mal mit Heidi hab ich gezittert, geschwitzt, meine Knie waren ganz weich" erzählt Juror Q, der zuvor bei "Ed Hardy"-Gründer Christian Audigier angestellt war.

"If it's worth having, it's worth fighting for", heißt es in Cheryl Coles Titelsong Fight for This Love. Heidi erinnert ihre Mädchen noch einmal, was es sich lohnt zu begehren und zu umkämpfen: Kampagnen im Gesamtwert von mehr als 400.000 Euro und das Titelbild der deutschen Cosmopolitan. Ein Auto kriegen alle drei sowieso.

Die Jury wiederholt, was ihnen an den Mädchen positiv wie negativ aufgefallen ist. "Noch vor drei Monaten war die Alisar so total verschreckt. Als wenn einer 'nen Ballon hat und so: 'pieks' und der würde platzen und Alisar so 'ahhh'", fasst Klum ihr Meinungsbild über die spätere Siegerin zusammen. Die dunkelhaarige Österreicherin darf trotzdem bleiben. Gehen muss die ehrgeizige Laura. "Du bist ein Chamäleon. Und noch viel mehr", tröstet die Modelmama. Das Chamäleon weint und findet verwirrt den Weg von der Bühne.

Da waren's nur noch zwei. Die Silversun Pickups könnten mit ihrem Song Panic Switch nicht richtiger liegen. Der Panikschalter ist umgelegt. Hanna ist schon wieder kurz vor dem Heulkrampf, reißt sich aber zusammen. Auch die sonst so schüchterne Alisar erinnert sich an ihre Worte vom Anfang der Sendung: "Ich sage zu mir selbst: 'Alisar, jetzt reiß dich mal zusammen und mach das!'"

Katy Perry war anscheinend vorher klar, wer bei Heidi Klum erhöht wird. In ihrem Song heißt es: "Alisar ist hübsch und wandelbar - einfach ein perfektes California Girl."

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