"WeCrashed" auf Apple+:Gott sei Dank, es ist Montag

Lesezeit: 5 min

Anne Hathaway und Jared Leto in "WeCrashed". (Foto: Apple TV+)

Mehr Kult als Mathe: Die Serie "WeCrashed" mit Jared Leto und Anne Hathaway erzählt von WeWork, dem Wunderkind Adam Neumann und einer teuren Entzauberung.

Von Susan Vahabzadeh

Hätte Adam Neumann bei einer Bank hunderttausend Dollar geliehen, um seine Idee vom einklappbaren Stiletto-Absatz weiterzuverfolgen, wüsste heute keiner, wer er ist. Naja, vielleicht wüsste es der für in zuständige Gerichtsvollzieher. Neumann hat das mit dem Klappabsatz aber dann doch nicht weiterverfolgt, stattdesssen eine Firma für Co-Working-Space namens "WeWork" gegründet, behauptet, das sei Tech und er könne das moderne Arbeitsleben in eine einzige Party verwandeln. Und dann hat er Milliarden durchgebracht, die ihm nicht gehörten. So kommt es, dass er jetzt nicht etwa reuig Schulden abbezahlt, sondern Gegenstand einer neuen Apple-Serie ist und von Jared Leto gespielt wird. Die Serie, die seine Geschichte mit einem etwas fiesen Sinn für Humor aufarbeitet, den man sich leisten kann, wenn man einen richtige Tech-Firma im Rücken hat, heißt WeCrashed.

Neumann hat es, in Amerika zumindest, als CEO zu zweifelhaftem Ruhm gebracht, bei uns machte die Geschichte weniger Schlagzeilen: Er hat WeWork 2010 gegründet, mit ein bisschen Geld seines Schwiegervaters und den Ersparnissen seines Geschäftspartners, und ein paar Jahre später wurde das Unternehmen mit 45 Milliarden Dollar bewertet. WeWork wollte an die Börse - da muss man sich in die Bücher schauen lassen. Die Blase platzte. Die Investoren verlangten Neumanns Rücktritt als CEO, und mit einem ziemlich spektakulären Deal rettete sich der Mann, der Milliarden von Dollar verbrannt hatte, ins Trockene, während andere die Firma auf das zurückschraubten, was sie immer war: sowas wie eine Agentur für Gewerbeimmobilien.

Die mit Abstand beste Serie, die bislang auf Apple+ zu sehen ist

WeCrashed, ab Donnerstag auf Apple + zu sehen, ist schon deswegen faszinierend, weil diese Serie spannend ist, auch wenn man das sogar alles weiß - von allen bisherigen Apple-Serien ist sie mit Abstand die beste. Unterhaltsam, die Schauspieler sind großartig. Vor allem aber wird acht Folgen lang vor den Zuschaueraugen ausgebreitet, was mit der Wunderwelt der Investoren und Firmen, die gar nichts zu verkaufen haben außer Seifenblasen, nicht stimmt. Auf eine kluge Art, der man mühelos folgen kann.

Es scheiterten auch andere Gründer von Startups, die dann doch nicht so revolutionär waren, wie sie von sich sagten, auch der CEO von Uber wurde vom Hof gejagt. Aber nicht so filmreif wie Adam Neumann und seine Frau Rebekah, zwei wahrlich flamboyante Gestalten und für jede Foto-Shoot-Anfrage von Vanity Fair jederzeit zu haben. Sie reden von Gemeinsamkeit und feuern jeden, der aufmuckt. Zu Zeiten, als man ihn an der Wall Street für ein Wunderkind hielt, schlurfte Neumann barfuß durch Manhattan, seine lange schwarze Mähne wehte im Wind. Jared Leto ist für diesen Balanceakt zwischen Charme und Spinnerei genau richtig, im Original übertreibt er Neumanns Akzent allerdings etwas - Neumann, im Kibbuz aufgewachsen, ist Israeli.

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Neumann behauptete von sich, eine kuschelige Lösung für die Gig Economy nach dem Crash von 2008 zu kennen- WeWork, versprach er, werde der Raum, in dem all die einsamen Seelen eins werden, die sich nun selber einen Job geben mussten. Konzerte, Summer-Camp, die Lofts mit nicht versiegenden Quellen von Cappuccino und Alkohol: eine perfekte Kulisse für eine Serie. Und diese Figuren! Die Neumanns meinen, ihre Schwindeleien würden wahr, wenn sie selbst nur fest genug an sie glauben. Anne Hathaway spielt Rebekah Paltrow Neumann als affektierte Zicke mit leichtem Größenwahn, und doch sieht man Folge um Folge genauer hinter dieses konstruierte Ich aus Yoga und Prätention: Sie ist an der Wall Street gescheitert, hatte als Schauspielerin kein Talent und erträgt die Schmach nicht, dass ihre Cousine Gwyneth Karriere gemacht hat. Adam hat Charme, aber Mathe ist nicht sein Ding. Und irgendwie sieht sie doch das Potential in diesem armen Schlucker, der ihr ein Date abschwatzen konnte, obwohl sie gar nicht wollte - zusammen denken sich die beiden dann eine verschwurbelte Firmenphilosophie aus, die sehr nach Sekte klingt. Und so entwickelt sich dann auch die Firma - wie ein Kult, das "we" in "WeWork" sind nur Adam und Rebekah, die aus Kibbuz-Weisheiten und Geschwafel einen Cocktail zusammenquirlen, der ganz viele Menschen besoffen macht, von denen man mehr Rationalität erwarten würde. Eine Wertschöpfungskette ist nirgends in Sicht.

Die Angestellten haben zwar Partyleben, werden aber schlecht bezahlt

Gottseidank, es ist Montag! So lautet das Credo - die Arbeit bei WeWork, die in den von WeWork vermieteten Büros soll sich nicht wie Arbeit anfühlen. Spoiler: Das hat weder für Neumanns Angestellte funktioniert noch für seine Mieter, Verzeihung: Mitglieder. Neumanns Angestellte nehmen zwar am dienstlichen Partywesen teil, aber ihre Arbeitstage sind lang, die Bezahlung schlecht, sie werden mit Anteilen abgespeist, die sie dereinst beim Börsengang reich machen sollten. Beim Börsengang war Neumann dann schon nicht mehr dabei. Dem Einhorn, mit dem sich Neumann selber verglich, fiel das Horn von der Nase, und übrig blieb ein weißes Pferd.

WeCrashed basiert auf einem Apple-Podcast gleichen Namens, der auch auf deutsch erhältlich ist und den Aufstieg und Fall der Firma und ihrer Hauptakteure in sechs Folgen seziert. Die Verfilmung von Lee Eisenberg und Drew Crevello basiert auf dem Podcast, aber sie denkt sich Blicke hinter die Fassaden aus, die keiner je hatte, beispielsweise die Neumannschen Ehekräche; und sie umgibt die beiden mit fiktionalisierten Charakteren - America Ferrara spielt eine Branding-Spezialistin, mit der sich Rebekah anfreundet und die Adam dann prompt engagiert, Anthony Edwards einen frühen Groß-Investor. Die Eckdaten stimmen aber. Letztlich wurde Neumann der Abgang vergoldet, er hat, heißt es einmal in dem Podcast, "unglaublich viel Geld dafür bekommen, dass er das Geld anderer verloren hat". Manches in der Serie kann man aber in keinem Podcast so ökonomisch erzählen, wie es eine dramatisierte Serie kann. Ein Beispiel: Eines der diversen Projekte, die mit Immobilien gar nichts zu tun haben, ist WeGrow - eine Privatschule, die Rebekah nur gegründet hat, weil ihre Tochter woanders nicht zurechtkommt. Als dort das Licht ausgeht, brüllt ein Vater: Aber was wird jetzt aus dem Stipendium meiner Tochter? Und im Bruchteil von Sekunden lässt sich erahnen, wieviel Schaden wirklich entstanden ist, auch jenseits der Investoren.

Fairerweise muss man sagen: Schon lange vorher haben Wirtschaftsjournalisten auf die Möglichkeit hingewiesen, es handele sich bei WeWork möglicherweise nur um einen überbewerteten Immobilienanbieter. Irgendwie hat es Adam Neumann aber trotzdem geschafft, seine Mitwohnzentrale irgendwie als Tech-Unternehmen auszugeben. Man weiß dann am Ende von WeCrashed einigermaßen, wie das von Statten gegangen ist: Je mehr Investoren auf ihn hereingefallen waren, desto emsiger bemühten sie sich, die Legende am Leben zu erhalten, mit Kritiklosigkeit und noch mehr Geld, vor allem vom Chef des japanischen Unternehmens Softbank, das sich dann nach WeWork nachsagen lassen musste, es bringe "dummes Geld" unter die Leute. Der Softbank-Chef gibt Neumann in der Serie 4,4 Milliarden (so heißt auch eine Folge), ohne einen Blick in die Bücher von WeWork zu werfen. Und nur in einer Verfilmung kann man so wunderbar nachvollziehen, warum er dann noch ein paar Milliarden hinterher wirft - in der Hoffnung, seinen Fehler nie einräumen zu müssen.

"WeCrashed", auf Apple+.

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