Film "Geisterfahrer" auf Arte:Für eine Tasche voll Franc

Lesezeit: 3 Min.

Lars Becker hat einen Thriller über durchgeknallte Rettungssanitäter in Hamburg gedreht. Er ist mit Schauspielern wie Tobias Moretti, Uwe Ochsenknecht und Armin Rohde brillant besetzt. Trotzdem ist der Film leider völliger Unfug.

Michael Bitala

Die Geisterfahrer Emile (Fahri Yardim), Yasser (Misel Maticevic) und Freddy (Tobias Moretti, von links). (Foto: obs)

Dieser Film hat es ins Fernsehen geschafft, weil sich offenbar kein Mensch mehr bei Arte oder ZDF die Mühe macht, einfachste Fragen zu stellen. Spielen nur genügend sehr bekannte Schauspieler mit, werden sich schon ausreichend viele Zuschauer finden - egal, wie wenig plausibel die Handlung ist.

Lars Becker hat das Buch zu Geisterfahrer geschrieben und auch Regie geführt. Sein Name steht für Produktionen wie Nachtschicht oder diverse Tatort-Folgen, für Filme wie Schattenboxer oder Kanak Attack. Deshalb freut man sich zunächst auf diesen Krimi, spielen doch auch Tobias Moretti, Uwe Ochsenknecht, Armin Rohde und Misel Maticevic mit. Bei diesem Autor und Regisseur, bei dieser Besetzung kann eigentlich nicht viel schiefgehen. Doch nach knapp 90 Minuten steht fest: Hier ist so viel schiefgegangen, dass man nur noch verstört den Fernseher ausschalten kann.

Becker erzählt die Geschichte zweier Rettungssanitäter (Moretti und Fahri Yardim), die immer am Limit durch Hamburgs Straßen rasen, mit Unfallopfern, Schwangeren, halb erstickten Kindern. Dann aber werden sie Zeugen eines Mordes, der Generalstaatsanwalt (Fritz Karl) wird niedergeschossen, sie transportieren ihn ins Krankenhaus und kurz bevor er stirbt, drückt er den Sanitätern einen Schließfachschlüssel in die Hand.

Diese Ausgangslage könnte zumindest solide sein, aber zu diesem Zeitpunkt weiß man schon, dass der Generalstaatsanwalt Waffenhändlern auf der Spur war, die ihre Ware in den Kongo verkaufen und offenbar die Justiz geschmiert haben. Das Problem: Uwe Ochsenknecht spielt einen dieser Waffenhändler, und schon bei seinem ersten Auftritt fragt man sich, was der Mann da eigentlich macht. Er steht verloren in der Szenerie herum, mit einer Frisur, die an den seligen Rudolph Moshammer erinnert, und gibt hölzerne Sätze von sich. Uwe Ochsenknecht als schmieriger Waffenhändler - das ist so überzeugend wie Korruptionsbekämpfung im Kongo.

Ein schlampiges Werk

Der viel größere Unfug aber ist, was hinter dem Schließfachschlüssel steckt - und somit hinter der ganzen Aufregung, den Morden, ja dem ganzen Film: Die beiden Sanitäter öffnen das Schließfach, ziehen eine Tasche heraus und finden darin 500 000 kongolesische Franc. "Schwieriges Geld", wie es so schön heißt. Ein Urteil, das alle Kongolesen unterschreiben würden - fassen sie diese Währung doch nur ungern an. Warum? Weil sie so gut wie nichts wert ist. 500 000 kongolesische Franc sind genau 428,62 Euro (Tageskurs an diesem Donnerstag. Recherchedauer: 30 Sekunden. Rechercheweg: Google-Währungsrechner). Das aber erfahren weder die Sanitäter noch die Zuschauer.

Für 428,62 Euro also wird auch noch ein Sanitäter erschossen, ein anderer zum Mörder. Wäre dieses Detail der einzige Fehler, könnte man darüber hinwegsehen, aber es ist symptomatisch für dieses schlampige Werk. Keine Figur darf sich entwickeln, keine Spannung darf sich entfalten. Alles wird nur behauptet, nichts erschließt sich.

Es kommt zwar zu rasanten Fahrten, zu aufgeregten Dialogen, wilden Verfolgungsjagden. Warum das aber so ist: keine Ahnung. Figuren tauchen plötzlich an Orten auf, wo sie keiner hingeschickt hat, die Frau des Waffenhändlers will ins Zeugenschutzprogramm, warum, das weiß wohl nicht mal sie. Und selbst Armin Rohde, der noch die schlechtesten Filme leuchten lassen kann, bleibt als korrupter Staatsanwalt blass und lustlos. Wahrscheinlich, weil er selbst nicht weiß, was er da spielen soll.

Lars Becker, dieses Fazit muss gezogen werden, hat sich eine kaum recherchierte Geschichte ausgedacht, das Drehbuch grob zusammengezimmert und zum Schluss erst Figuren eingesetzt, die keine Bewegungsfreiheit mehr haben. Darum wirken Uwe Ochsenknecht, Armin Rohde und selbst der Hauptdarsteller Tobias Moretti so seltsam deplatziert. Auch wenn fairerweise gesagt werden muss, dass gerade Moretti ein paar hübsche Szenen hat, als einfach gestrickter Sanitäter mit Hamburger Dialekt. Aber auch ihm nimmt man nicht mal die geringe Entwicklung ab, die er im Laufe des Films zeigt.

Bleibt die Frage: Schauen sich die Produzenten und die zuständigen Redakteure so ein Drehbuch nicht an? Für was hat man das ganze Personal bei Arte und im ZDF, wenn nicht mal gröbste handwerkliche Fehler gefunden werden? Oder verfallen alle in Ehrfurchtsstarre, nur weil auf dem Drehbuch der Name Lars Becker steht und viele sehr bekannte Schauspieler mitmachen wollen?

Geisterfahrer, Arte, 20.15 Uhr.

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© SZ vom 09.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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