Film bei Netflix:Ricky Gervais rast mit "Special Correspondents" gegen die Wand

"Special Correspondents" von und mit Ricky Gervais, Netflix

Der Hottie (Eric Bana, links) und der Nerd (Ricky Gervais) auf dem Weg zur Hollywood-Bromance.

(Foto: Kerry Hayes/Netfilx; Kerry Hayes / Netflix)

Der Comedian will mit seinem ersten eigenen Film die Glamour-Industrie bloßstellen. Das könnte unterhaltsam sein - würde sich Gervais nicht selbst Hollywood anbiedern.

TV-Kritik von Anne Philippi

Wir kennen die beiden Prinzipien, und sie sind simpel. Prinzip Nummer eins: Der dicke Tollpatschige, der Mann ohne Selbstbewusstsein, kämpft gegen Beau, der sich ohne echten Grund als Superstar fühlt und dementsprechend nichts anbrennen lässt. Prinzip Nummer zwei: Die Grundrisse der romantic comedy, also der "RomCom" treffen auf eine "Bromance", das zunächst stressige, konfliktlastige Zusammentreffen zweier heterosexueller Männer, die sich am Ende eines Films irgendwie lieben und ohne einander nicht mehr können. Und das eben trotz des riesigen Unterschieds zwischen Trottel und Stenz.

Auf diesen Säulen hat Ricky Gervais, The Office-Erfinder, Schandmaul und ewiger Celebrity-Abstrafer beim Golden Globe seinen ersten ganzen Film abgestellt; Special Correspondents hat er für Netflix gedreht. Gervais spielt Ian Finch, einen wie so oft im Fall von Gervais übergewichtigen, nerdigen Tontechniker beim Radio, den seine natürlich celebrity- und mediensüchtige Frau hasst, weil er kein Haus in Beverly Hills besitzt. An seiner Seite spielt Eric Bana, der australische "Hottie", wie es in Hollywood heißt, ist ein Hunter S. Thompson mit guten Manieren, einer der letzten "coolen" Radio-Journalisten.

Diese beiden sollen eine Revolution in Ecuador covern, aber sie kommen dort nie an. Stattdessen sitzen sie in einem Loch von Appartement in New York und faken ihren angeblichen Ecuador-Aufenthalt mithilfe von Ians Soundbite-Künsten und einem total netten mexikanischen Pärchen. Alles geht gut, bis sie ihre Entführung faken und ganz in echt nach Ecuador reisen müssen.

Gervais möchte, dass man sich mit ihm schämt

Man kann diesen Filme nur mögen, wenn man exakt diese Ricky-Gervais-Figur liebt, die sich im Prinzip in den vergangenen Jahren nicht mehr geändert hat: der Mann, der möchte, dass man sich die ganze Zeit, ohne Unterbrechung mit ihm schämt. Special Correspondents arbeitet mit der üblichen Ricky-Gervais-Zielsetzung: die Oberflächlichen, die Arschlöcher und Angeber der Glamour-Industrie bloßzustellen und die ruhmbesessenen, geldgeilen Ehefrauen (Vera Famiga) vorzuführen, die im Fall von Special Correspondents gegen eine konstant ungeschminkte, nette Assistenten-Journalistin (Kelly MacDonald) antritt, deren Weltbild etwa dem von Bambi gleichkommt.

Diese Art der Überzeichnungen könnten amüsant sein. Doch das Problem an der Gervais-Kritik, wenn es um Hollywood, die Medien-und Entertainmentwelt geht, ist Folgendes: Sie wirkt in Sekunden lächerlich, unkomisch und naiv, wenn sie von jemand vorgetragen wird, der im Prinzip alles tut, um in diesem System zu funktionieren und unbedingt mitmachen will. Gervais hat abgenommen und sich neue Zähne besorgt, und selbst seine Freundin hat längt die Regeln für den roten Teppich begriffen. (Niemals ein schwarzes Kleid ohne Make-up tragen!)

All das ist nichts Verwerfliches. Nur ist die Systemkritik aus dem System heraus irgendwann nicht mehr gültig. Sie nervt. Sie erzählt nichts mehr, außer, dass der Kritiker, also Gervais, einen Dreck darauf gibt, was die anderen denken. Und darum gibt man als Zuschauer dann irgendwann auch einen Dreck darauf, was der Kritiker denkt.

Ähnlich wirkte das, als Ricky Gervais zuletzt die Golden Globes moderierte. Er war stolz darauf, seine Unabhängigkeit zu betonen, wann immer jemand etwas davon wissen wollte. "Ich bin niemand in diesem Raum verpflichtet. Mir ist es vollkommen egal, was die Leute denken. Ich wollte nicht ihren Tag ruinieren, aber ich mache eben Witze."

Redefreiheit ist etwas Großartiges, aber man muss sie beherrschen

Nein, die Witze bei den Globes waren für Gervais kein karrieristischer Selbstmord, und er, der Brite, hatte den Amerikanern damals gezeigt, wie die Europäer das meinen mit der Redefreiheit. Ja, Redefreiheit ist etwas Großartiges, aber man muss sie auch beherrschen, und eine freie Rede darf auch nicht selbstgefällig sein. Sonst verkehrt sie sich ins Gegenteil und verliert ihre Energie.

Im Fall von Special Correspondents ist genau das passiert. Ricky Gervais, der mit The Office und Extras dem Fernsehen echte Höhenflüge schenkte, rast in seinem ersten Film für Netflix gegen die Wand.

Special Correspondents, abrufbar bei Netflix.

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