Arte-Themenabend zu Ost-West-Konflikten:Zurück zu Drill und Kriegsfolklore

Arte-Themenabend zu Ost-West-Konflikten: Russland feiert am 9. Mai den Sieg im Zweiten Weltkrieg mit einer Militärparade; wie zu Sowjetzeiten werden dabei neue Waffen vorgeführt.

Russland feiert am 9. Mai den Sieg im Zweiten Weltkrieg mit einer Militärparade; wie zu Sowjetzeiten werden dabei neue Waffen vorgeführt.

(Foto: © MDR)

Russland setzt auf Militärparaden, auf dem Balkan hoffen die Jungen auf Freiheit - ein gelungener Arte-Themenabend widmet sich Ost-West-Konflikten.

TV-Kritik von Viola Schenz

In Zeiten, in denen islamistische Terroristen mittlerweile fast wöchentlich irgendwo auf der Welt Menschen in die Luft jagen, drohen andere Krisen in Vergessenheit zu geraten. Wie steht es um die von Russland annektierte Krim? Wie geht es den Menschen in der separierten Ostukraine? Es ist noch nicht lange her, da haben die Ereignisse dort die Nachrichten beherrscht, jetzt beschäftigt Europa sich vor allem mit anderen Problemen - mit dem Terror, dem Brexit, der Flüchtlingskrise.

Insofern tut Arte gut daran, an schwelende Konflikte in und um Europa zu erinnern. Ein Vierteljahrhundert nach dem Ende des Kalten Krieges reisen Reporter nach Russland und in die Ukraine, nach Polen und ins Baltikum, nach Berlin und auf den Balkan und prüfen die Beziehungen zwischen Ost und West, in Zeiten, in denen Aufrüstung und Abschreckung wieder aktuell sind. "Droht ein neuer Kalter Krieg?" ist der Arte-Themenabend überschrieben.

Kinder schwenken Stalin-Flaggen

Man kann diesen Eindruck haben, wenn man jungen Moskauerinnen am Rande der Militärparade zum 9. Mai zuhört. "Das hier ist der Beweis dafür, dass russische Techniker hervorragende Arbeit leisten", sagt eine. Um sie herum machen Kinder in Uniformen auf Kriegsfolklore und schwenken Stalin-Flaggen. Schulklassen geben sich vormilitärischer Ertüchtigung hin. Zu Sowjetzeiten war das Pflicht, Putin hat den Drill per Erlass wieder eingeführt. Solche Entwicklungen beim gefürchteten großen Nachbarn machen nervös: In Polen nehmen immer mehr Schüler an Militärübungen teil, Estland verstärkt die Grenzpatrouillen. In der Ukraine haben die Menschen ob des Desinteresses des Westens resigniert. In der Bergbaustadt Soledar bleibt ihnen nur, alles - vom Förderturm bis zum Fabriktor - blau-gelb anzustreichen, den ukrainischen Nationalfarben.

Auf dem Balkan, in Mazedonien, ist die Bevölkerung gespalten zwischen Alten, die an einer postkommunistischen Gesellschaft festhalten, und Jungen, die gegen eine "unfähige, korrupte Regierung" protestieren, die nur ein Motiv haben, "Hoffnung auf Freiheit", so eine Demonstrantin. Reporter Danko Handrick liefert gute Einblicke in die Gemütslagen in Ex-Jugoslawien; aber es wird klar: Die Unstimmigkeiten dort sind Folge der notorischen ethnisch-religiösen Konflikte und nicht Ausdruck irgendeines neuen Kalten Kriegs.

Es wäre wohl besser gewesen, es bei diesen zwei anschaulichen, gut recherchierten Dokus zu belassen. Für die beiden Filme, die nach 22 Uhr folgen, musste der Sender offensichtlich tief im Archiv wühlen: eine Agentengeschichte im Berlin von 1991 und das deutsch-deutsche Länderspiel bei der Fußball-WM 1974. Was das eine oder das andere mit einem neuen Kalten Krieg zu tun haben soll, wird das Geheimnis der Arte-Redaktion bleiben.

Aufrüstung, Abschreckung, Angst, Arte-Themenabend, von 20.15 Uhr an.

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