ARD-Doku über ausgebrannte Top-Manager:Der Chef ist in der Klapse

Einsame Spitze (für Medien)

Herbert Henzler war früher "Mister McKinsey", heute nimmt er sich auch mal die Zeit, für eine ARD-Doku auf einem einsamen Berggipfel zu posieren.

(Foto: NDR/Torsten Lapp)

Eine ARD-Doku widmet sich ausgebrannten Spitzenmanagern. An manchen Stellen übertreibt es der Film mit der Karriereleiter-Berggipfel-Metaphorik.

TV-Kritik von Jan Schmidbauer

Als Rüdiger Striemer merkt, dass es nicht mehr geht, setzt er sich in sein Auto und fährt durch die brandenburgische Provinz. Sein Ziel ist die Psychiatrie. Unter sechs Wochen sei da nichts zu machen, teilt der Oberarzt dem ausgebrannten Patienten damals mit. Sechs Wochen Therapie? Mitten im Nirgendwo? Ohne Handy-Empfang? Geht auf gar keinen Fall, denkt IT-Manager Striemer, Chef von 2000 Leuten. Auf direktem Wege fährt er zurück nach Hause. Doch noch in derselben Nacht bricht er endgültig zusammen. Zittern. Panikattacken. Er klingelt die Nachbarin wach, gemeinsam rufen sie den Notarzt. Es ist der Zeitpunkt, an dem Rüdiger Striemer entscheidet: Morgen geh' ich in die Klinik.

In der Dokumentation Einsame Spitze - Top-Manager am Limit erzählen Menschen von Momenten der Schwäche. Menschen, die lange Zeit keine Schwäche zeigen durften: ehemalige Vorstände von Unternehmen, die für ihr Arbeitspensum und ihre Verantwortung hohe Gehälter einstrichen. Erfrischend an diesem Film der Regisseurin Tina Soliman ist: Das Geld spielt nur eine Nebenrolle.

Während Politiker für 15-Stunden-Tage auch mal bewundert werden, kennen die Stammtische für Manager kein Erbarmen. Schließlich gibt es ja genug Kohle. Doch dieser Film zeigt: Der innere Antrieb, der für manche von ihnen zur Gefahr wird, ist nicht die Gier nach Geld. Es ist die Sucht nach Anerkennung. Das Gefühl, den Laden unter Kontrolle zu haben. Dabei geht das in Konzernen mit Tausenden Mitarbeitern und Hunderten Abteilungen gar nicht. Der Top-Manager, das halten viele der Protagonisten für die größte Belastung, ist am Ende dennoch ganz allein verantwortlich, "in charge" wie das heute heißt.

Was muss sich ändern, damit Manager nicht ausbrennen?

Einsamkeit, das Streben nach ganz oben, diese Motive werden im Film auch szenisch umgesetzt. So begleiten die Filmemacher Führungskräfte auf Alpengipfel und befragen sie dort nach dem steinigen Weg an die Spitze. Schön, dass die Manager auch mal aus ihrem natürlichen Habitat, dem Büro, befreit werden. Auf Dauer wirkt die Karriereleiter-Berggipfel-Metaphorik aber etwas zu holzschnittartig.

Eine ganze Reihe von Unternehmern tritt auf, etwa Herbert Henzler, der frühere Deutschland-Chef der Unternehmensberatung McKinsey. Die ehemalige Siemens-Personalchefin Brigitte Ederer berichtet von dem Druck, unter dem Frauen auf der höchsten Hierarchieebene stehen und welche Kompromisse sie für die Karriere eingehen müssen. Diese Frage wäre Stoff für eine eigene Sendung gewesen. So verliert der ansonsten sehenswerte Film bisweilen die Kernfrage aus dem Blick: Was muss sich in den Firmen ändern, damit Manager nicht ausbrennen?

Vielleicht hilft es ja schon, offener mit dem Thema umzugehen. IT-Manager Striemer kehrte nach der Therapie in den Vorstand zurück. Er versteckte sich nicht hinter Floskeln. Alle Mitarbeiter sollten erfahren, was los ist, sagt er: "Der Chef ist in der Klapse."

Einsame Spitze - Top-Manager am Limit, ARD, 22.45 Uhr.

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