Fernsehfilm über Luis Trenker:Vom Traum in Rehleder

Luis Trenker

"Geschichten, wo man hinterher gut schlafen kann": Luis Trenker (Tobias Moretti, r.) mit Hollywood-Agent Paul Kohner (Anatole Taubman)

(Foto: Roxy Film/Christian Hartmann)

Luis Trenker - ein Fälscher? Dass der bekannte Bergsteiger die Tagebücher der Eva Braun geschrieben haben soll, ist ein Gerücht. Trotzdem wird daraus nun ein Filmstoff - mit Tobias Moretti in der Hauptrolle.

Von Hans Holzhaider

Szene eins

Terrasse, Berghof Hitlers am Obersalzberg: Man sieht von hinten einen Mann in der Badewanne sitzen. Es ist Hitler. Eine dunkelblonde Frau kommt mit einem Krug und gießt Wasser in die Wanne.

Hitler: "Zu heiß. Eva!"

Eva: "Tschuldigung"

Szene zwei

Ein Mann, 50, sitzt auf der Terrasse einer Villa an der Schreibmaschine. Er schüttelt unwillig den Kopf, zieht das Blatt aus der Maschine und zerreißt es. Er überlegt.

Szene drei

Hitler sitzt bekleidet auf dem Badewannenrand, seine bloßen Füße stecken in Pantoffeln. Eva kniet mit einem Salztopf vor einem Holzschaffel. Mit einem Löffel gibt sie etwas Salz ins Wasser.

Hitler: "Mehr!"

Eva fügt noch eine Prise hinzu. Hitler macht eine herrische Geste, dass es reicht. Er taucht seine Füße in das Schaffel und brummt zufrieden.

Szene vier

Der Mann mit der Schreibmaschine patiniert sein blütenweißes Manuskript mit Schweineschmalz und Graphitstaub. Er macht das sehr geschickt: Da ein dezenter Fettfleck, dort etwas Staub. Er staucht und knittert das Papier und streicht es wieder glatt. Er blickt zufrieden grinsend auf sein Werk.

Woran denken wir? Natürlich: Schtonk. Uwe Ochsenknecht als Konrad Kujau, der geniale Fälscher der Hitler-Tagebücher. Der sensationsgeile Stern-Reporter Heidemann.

Aber der Mann an der Schreibmaschine ist nicht Konrad Kujau. Es ist Luis Trenker.

Luis Trenker - ein Fälscher? Unser guter, alter Luis Trenker, der knorrige Bergfex, der so wunderbar und gestenreich erzählen konnte, immer offen, herzlich, gradheraus, geradezu der Prototyp der ehrlichen Haut?

Moretti spielt Trenker, Hobmeier Riefenstahl

Jetzt wird die Geschichte von der Roxy-Film in Koproduktion mit BR und ORF verfilmt; 2015 soll "Der schmale Grat der Wahrheit" (Arbeitstitel) in der ARD laufen. Unter der Regie von Wolfgang Murnberger wird in Südtirol, München und Venedig gedreht. Tobias Moretti spielt Luis Trenker, Brigitte Hobmeier ist Leni Riefenstahl. Peter Probst hat das Drehbuch geschrieben. Er hat sich weitgehend an die historischen Fakten gehalten; dass Luis Trenker tatsächlich selbst Eva Brauns Tagebuch gefälscht hat, ist allerdings nicht ganz so sicher verbürgt, wie Probst es darstellt.

Tatsache ist, dass Trenker 1948 ein 96-seitiges, maschinengeschriebenes Manuskript in Umlauf brachte, das er als das authentische Tagebuch der Eva Braun ausgab. Hitlers Geliebte und ihm kurz vor dem gemeinsamen Selbstmord noch angetraute Ehefrau habe es ihm, erzählte Trenker, 1944 im Grandhotel in Kitzbühel eigenhändig überreicht. Der Inhalt: teils banal, teils aberwitzig, immer mal wieder ein bisschen obszön und schmuddelig. Göring kneift sie immer in den Hintern. Göring erzählt einen Witz über einen Juden, der nur einmal im Jahr badet, und Hitler schaut finster, weil er selbst eine Abneigung gegen Vollbäder hat. Leni Riefenstahl tanzt nackt vor Hitler, während Eva im Nachthemd im Schlafzimmer warten muss, "weil ich ein kleines Mädchen bin und sie die heimliche Königin". Sie hat sich endlich an die rehlederne Unterwäsche gewöhnt, die der Adi so gerne mag, und die sich "wie Samt auf der Haut anfühlt". Streicher führt den Nazigrößen einen Stier vor, den man tagelang hat dürsten lassen, und der nun so viel Wasser säuft, dass seine Gedärme platzen. "Besonders Hitler und Himmler fanden den Einfall originell".

Als die Zeitschrift Wochenend damit begann, das angebliche Eva-Braun-Tagebuch in Fortsetzungen abzudrucken, erhob die Familie Braun Klage beim Landgericht München. Leni Riefenstahl schloss sich der Klage an. Der Münchner Rechtsanwalt Otto Gritschneder vertrat die Familie Braun. Es wurde aufwendig Beweis erhoben. Hitlers Sekretärin Traudl Junge sagte aus, dass Eva Braun niemals lederne Unterwäsche getragen habe, und Hitlers Chauffeur Erich Kempka bezeugte empört, dass Hitler außerordentlich reinlich gewesen sei und täglich ein Vollbad genommen habe. Einzelne Passagen - wie etwa die über die Anwendung rohen Kalbfleischs als Gesichtsmaske und Vollbäder in warmem Olivenöl - waren offensichtlich aus den Erinnerungen der österreichischen Gräfin Marie Louise von Larisch-Wallersee abgekupfert. Am 10. September 1948 entschied das Landgericht München, der Text dürfe zwar weiter veröffentlicht werden, aber nur mit dem fett gedruckten Hinweis, dass er nicht von Eva Braun, sondern "aus der Feder eines noch unbekannten Autors" stamme.

War dieser "unbekannte Autor" wirklich Luis Trenker? Der Hitler-Biograf Werner Maser vertritt diese These; er stützt sich auf eine, wie er schreibt, durch Zeugen verbürgte Äußerung Trenkers, er habe mit der Verbreitung des angeblichen Tagebuchs "eigentlich nur einen Jux mitgemacht". Drehbuchautor Probst hat die These von der Autorenschaft Trenkers seiner Filmhandlung zugrunde gelegt. Das Motiv: Trenker, der sich nach langem Lavieren aus Opportunismus doch noch mit den Nazis eingelassen hatte, suchte nach dem Zusammenbruch einen süffigen Stoff, um mit Hollywood ins Geschäft zu kommen. Und, vielleicht, ein bisschen gehässige Rache an Leni Riefenstahl, die ihn zuerst in ihr Bett gelockt und ihn dann, je heller ihr Stern bei den Nazibonzen zu leuchten begann, links liegen gelassen hatte.

Trenker nimmt die Nazis nicht ernst

Und dabei wollte er doch immer nur eins: Geschichten erzählen. Einen Standpunkt hat er eigentlich nicht. Mit den Nazis hat er nicht wirklich was am Hut - aber wenn sie seine Geschichten mögen, umso besser. Trenkers Film Der Rebell, eine Geschichte aus dem Widerstand der Südtiroler gegen die napoleonischen Besatzer, wird Goebbels vorgeführt. Der ist begeistert. "Wir sind alle erschüttert", notiert er in seinem Tagebuch. " Hitler ist Feuer und Fett." Der Film baut diese Szene aus: Goebbels sieht Trenkers Film als Parabel über das "Joch von Versailles". Trenker ist das wurscht: "Sollen die doch glauben, dass sie einen Film über den Schandfrieden von Versailles gesehen haben", sagt er zu seinem Freund, dem jüdischen Hollywood-Agenten Paul Kohner. "Hauptsache, er hat ihnen gefallen."

Aber er hat sich verrechnet. Er nimmt die Nazis nicht ernst. Er dreht einen Historienschinken, Florenz, die Renaissance, die aufständischen Condottieri beugen ihr Knie vor dem Papst. Unglücklicherweise sind die Komparsen Mitglieder der SS-Leibstandarte Adolf Hitler. Goebbels schäumt: "Die Szene muss raus!" Trenker zuckt mit den Schultern. Die nächste Szene: SA-Schläger mischen das Premierenpublikum auf, reißen die Filmplakate ab, und als Trenker einschreiten will, gehen sie auf ihn los: "Da ist der Trenker, die Sau".

Eine Rieseng'schicht, glaubt er

Jetzt hat er es kapiert. Jetzt optiert er, der Südtiroler, doch noch für Deutschland, tritt noch schnell in die Partei ein. Davon will er nach dem Krieg nichts mehr wissen, aber es ist verbürgt: Im September 1940 wird Trenker mit Frau und vier Kindern in das Deutsche Reich eingebürgert.

Und dann, als alles vorbei ist - jetzt sind wir wieder im Film - hat er diese fabelhafte Idee mit dem Tagebuch der Eva Braun. Eine Rieseng'schicht, glaubt er. Nur, die in Hollywood wollen sie nicht. Sechs Millionen Juden sind tot, da wollen sie keine Geschichte über Hitlers Fußbäder. Schad', denkt sich der Trenker. "Aber denk' dir nichts", sagt er zu Hilda, seiner Frau, "ich hab' schon was Neues. Alle sagen doch immer, was für ein phantastischer Geschichtenerzähler ich bin. Und ich hab' ja auch unglaublich viel zu erzählen, von meiner Kindheit, meiner Heimat, vom Berg, vom Film. Das ist genau das, was die Deutschen jetzt brauchen. Geschichten, wo man hinterher gut schlafen kann."

Und so wurde Luis Trenker zu einem wirklich großen Star im jungen deutschen Fernsehen.

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