Fernsehfilm:Häuslich eingerichtet

Südstadt

Irritierend einverstanden mit dem Hass in sich: Martin (Matthias Matschke) steht vor den Trümmern seines bürgerlichen Großstadtlebens.

(Foto: Martin Valentin Menke/ZDF)

Wenn aus Freunden Nachbarn werden: "Südstadt" von Regisseur Matti Geschonneck ist ein stiller, lakonischer Film über eine Clique um die 40.

Von Claudia Tieschky

Ein Haus voller befreundeter Paare - das ist entweder ein Albtraum aus der Lindenstraße oder der Klassiker für Komödie und Sitcom. Und tatsächlich erlaubt sich Südstadt die theoretisch größtmögliche Nähe zur deutschen Comedy - weil der Film jede Menge Schauspieler mit einschlägigem Lustigkeits-Profil aufbietet. Ladykracherin Anke Engelke ist hier die Frau von Matthias Matschke, den man komödiantisch nicht nur aus Sketch History, sondern auch als kleinen Bruder Hagen in Pastewka kennt. Hagens Freundin Svenja wiederum wird von Bettina Lamprecht gespielt, die in Südstadt auch auf Dietrich Hollinderbäumer trifft, der wie sie und Matschke in der Heute-Show auftritt. Oh Hilfe, denkt man da. Oder wahlweise: Lachhaft!

Und dann, Überraschung, ist alles ganz anders. Südstadt von Regisseur Matti Geschonneck ist ein stiller, lakonischer Film. Er erzählt gewissermaßen davon, was passiert, wenn es ernst wird.

"Wart ihr erst Nachbarn oder erst Freunde?", fragt Thomas (Dominic Raacke), der neu ist im Haus und erst ganz kurz mit Eva von ganz oben zusammen (Andrea Sawatzki), beim ersten Abendessen mit Anne, Martin, Saskia und Kai. Man hat sich hier eingerichtet miteinander, gemütlich, pragmatisch, eher etwas akademisch. Eine aufgeschlossene, linksliberale Kölner Clique, irgendwas über vierzig alle, deren mehr oder weniger gepflegte Lebenslügen alle auffliegen. Der Grund für das leer geräumte Konto und die ungeöffneten Briefe bei Martin; Annes Liebhaber und ihr unerfüllter Kinderwunsch. Saskias Horror dabei, nur Mutter zu sein und Kais (Alexander Hörbe) Überforderung als Journalist.

Die Antwort auf Thomas' Frage: Sie waren erst Freunde. Das bleiben sie auch. Aber sie können sich nicht mehr helfen. Plötzlich sind alle am Anschlag. Und Thomas ist auch nicht, was Eva sich erhofft.

Man darf Südstadt weder für einen Problemfilm halten, dafür ist er zu beobachtend, noch für ein Gefühlswerk, dafür ist er zu nah an Themen wie der Abstiegsangst des Mittelstands oder der Vereinbarkeit von Familie und Beruf (Buch: Magnus Vattrodt). Engelke spielt Anne als erstarrte Frau mit radikal reduzierter Mimik, mit minimalen Regungen im Gesicht erzählt sie alles. Matschke ist als Martin großartig beim Luftgitarren-Solo in Unterhosen und irgendwann auf irritierende Art einverstanden mit dem großen Hass in sich.

Die Decken sind so hoch, dass die Figuren darunter verlorengehen

Vielleicht braucht man für so einen Film wirklich Komödianten, damit es derart ernsthaft und genau wird. Sie sagen Sätze wie "Ich weiß nicht, wann ich mich das letzte Mal lebendig gefühlt habe". Aber auch: "Wenn ihr auszieht, fällt alles auseinander." Die Altbauzimmer haben so hohe Decken, dass die Figuren darunter fast verloren gehen, so wie sie irgendwie in ihrem Leben verloren gegangen sind. Südstadt setzt an einem Punkt ein, an dem sich das auf einmal nicht mehr leugnen lässt, und begleitet dann die Freundespaare in die Veränderung. "Vielleicht ist das eine Chance, neu anzufangen", sagt Anne.

Südstadt erzählt eine Geschichte von Verwandlung, nicht vom Ende der Welt. Das Haus, das seine Bewohner anfangs einmal "Bullerbü" genannt haben, steht hinterher noch, die meisten sind noch da, es ist einfach nur Zeit vergangen.

Man schaut so gern zu, weil der Film seinen Figuren bei etwas nach außen Unspektakulärem, aber dennoch sehr Bedeutendem genau folgt - beim Leben und dem, was es ausmacht.

Südstadt, ZDF, 20.15 Uhr.

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