Süddeutsche Zeitung

Fernsehfilm:Fack ju Schiller

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Axel Prahl gerät in "Extraklasse" als Lehrer wider Willen in den Problemkiez und an sympathische Underdogs. Kann das originell werden?

Von Paul Munzinger

Die Ehe ist zerbrochen, die Karriere hinüber, selbst der Geburtstagskuchen ist versalzen: Ralph Friesner ist ein Mann, der an seinem 50. Geburtstag die Talsohle seines Lebens erreicht hat. Der Auftrag des Arbeitsamts, sich als Lehrer an einer Abendschule im Problemkiez zu versuchen, wirkt da wie der nächste Tiefschlag. Doch es kommt natürlich anders. Holpert sich Friesner in seine erste Schulstunde noch mit Schiller hinein ("Liebe die Belehrung, die das Brot des Geistes ist"), erkennt er schließlich, dass der Mensch "nicht vom Brot alleine lebt". Aus dem Lehrer wider Willen ist ein Lehrer aus Leidenschaft geworden.

Es ist eine Geschichte, die so oder sehr ähnlich schon oft erzählt wurde. Was die Originalität angeht, löst Extraklasse (Buch und Regie Matthias Tiefenbacher) das Versprechen seines Titels schon mal nicht ein. Aber das muss ja auch gar nicht sein. Fack ju Göhte hatte den Stoff 2013 ja auch nicht erfunden, das Überbordwerfen von klassischen Bildungsinhalten und -idealen aber auf sehr eigene Weise erzählt. Vor allem dank einer Sprache - "Chantal, heul leise!" -, die neu und wuchtig klang. Das gelingt Extraklasse nicht, dabei werden auch hier die Wortwitze im Minutentakt gerissen, passend zum Schauplatz der Handlung in der schnoddrigen Berliner Variante.

Aber die meisten Kalauer klingen so, als habe man sie schon einmal gehört. Extraklasse muss also auf die Extraklasse seines Hauptdarstellers vertrauen, und das ist ja nicht wenig. Axel Prahl spielt Ralph Friesner so unprätentiös und uneitel, wie man das aus dem Münsteraner Tatort gewöhnt ist. Friesner ist ein Mann, der sich am Tresen wohler fühlt als am Schreibtisch, und fremdelt, wenn er vor der Klasse steht oder sonst im Mittelpunkt. Ein sympathischer Underdog, der nur langsam warm wird mit der steifen Schulleiterin (Aglaia Szyszkowitz), aber ganz schnell mit den sympathischen Underdogs in seiner Klasse, die ihren Hauptschulabschluss nachholen wollen und dabei mit vielen Problemen zu kämpfen haben. Das ist herzerwärmend, ebenso wie die pädagogische Botschaft, die der Film nicht nur implizit aussendet, sondern einen der Schüler wortwörtlich so sagen lässt: "Jeder braucht doch einen, der an ihn glaubt."

Doch die Knuffigkeit von Ralph Friesner ist aus dramaturgischer Sicht das größte Problem des Films. Um noch einmal Fack ju Göhte zu bemühen: Das ehrliche Desinteresse des Aushilfslehrers Zeki Müller an seinen Schülern verwandelt sich nur langsam und auf Umwegen in Anteilnahme. Daraus zieht der Film seine Spannung und seine Momente. Ganz anders ist das bei Ralph Friesner. Der war in seinem früheren Leben zwar ein berüchtigter Enthüllungsreporter, dessen größter Coup darin bestand, den Zweiten Bürgermeister von Neukölln zu Fall zu bringen. Doch von dieser Vergangenheit in der "Hyänenbranche" erfährt der Zuschauer nur, er spürt sie nicht. Friesner ist keine Hyäne, nie. Eher ein melancholischer Arbeitsloser mit zartem Bildungsdünkel. Das bisschen Dünkel wird dann aber ebenso schnell hinweggespült wie die anfängliche Herablassung seiner bunten Klasse gegenüber ("voll das Panoptikum"). Das tut niemandem weh, aber das überrascht auch niemanden.

Anders gesagt: Die Reise, auf die Extraklasse seinen Helden schickt, ist einfach zu kurz.

Extraklasse , ZDF, 20.15 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 17.12.2018
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