"Sportschau" über Homophobie im Fußball:Zu spät geoutet

"Sportschau" über Homophobie im Fußball: Bei den Fans ist das Thema längst angekommen. Und zwar zur besten Spielzeit.

Bei den Fans ist das Thema längst angekommen. Und zwar zur besten Spielzeit.

(Foto: Screenshot: ARD)

Die "Sportschau" versenkt eine fabelhafte Diskussion leider um Mitternacht.

Von Holger Gertz

In einer besseren Welt würde man über so ein Thema natürlich gar nicht mehr groß diskutieren müssen: "Wie homophob ist der Fußball?" Weil wir aber nicht in einer besseren Welt leben, und weil im Netz und neben dem Platz immer noch schwulenfeindliches Zeug abgelassen wird, muss und soll unbedingt über dieses Thema geredet werden. Fußball ist ja mehr als einsnull, nicht wahr, gerade bei den Öffentlich-Rechtlichen, die das Feld leichter weiten können als die Fanreporter und Fanreporterinnen drüben in den News von Sky. "Wie homophob ist der Fußball?" ist ein großes Thema - dass sie so was in der ARD am Mittwoch um Mitternacht wegsendeten, war dann aber auch wieder ein Statement. In einer besseren Welt käme so was im Hauptprogramm, nirgendwo sonst gehört es hin.

Sie haben ja sogar ein entsprechendes Format für Themen wie dieses, "Sportschau Thema", moderiert von Jessy Wellmer, aber das hat keinen festen Sendeplatz, das kommt zu selten, das kann sich deswegen nicht etablieren und läuft nur so mit. Dabei konnte, wer Mittwochnacht noch aufnahmefähig war, die Stärken dieses Segments wunderbar besichtigen. Jessy Wellmer kumpelig-zupackend, aber auch gut informiert, die Gäste bereichernd. Thomas Hitzlsperger, Vorstandsvorsitzender des VfB Stuttgart und vor bald sieben Jahren jener Mann, der sich als erster ehemaliger Spitzenfußballer outete - bis heute ist keiner dazugekommen, in einer besseren Welt wäre das anders. Außerdem die frühere Fußballnationalspielerin Tabea Kemme, die mal in einem Interview ausgerechnet die Leserschaft der Bild aufgewühlt hat mit ihrem Bekenntnis, früher einen Handballer geliebt zu haben und danach eine Frau. Sowie SPD-Mann Kevin Kühnert, der 2018 erstmals über sein Schwulsein öffentlich sprach und fußballerisch ein Insider ist. Er heißt wie Kevin Keegan. Und er mag Tennis Borussia Berlin.

"Jeder hat das Bedürfnis nach Liebe"

Zwischendurch kamen Einspielfilme, aber getragen wurde das Ganze vom Gespräch der Diskutanten. Hitzlsperger aus der Draufschau eher zuversichtlich, sein Twitterprofil hat er mit der Botschaft "It get's better" dekoriert, eine Lebenseinstellung. Er sieht und wertschätzt kleine Schritte: Fanarbeit, Symbole im Stadion, da sei vieles besser geworden. "Die Entwicklung wird immer daran gemessen, ob sich jemand outet oder nicht." Das ist ihm zu eng. Tabea Kemme mit der Innensicht des Athleten: "Jeder hat das Bedürfnis nach Liebe. Wenn du das die zehn, fünfzehn Jahre deiner Karriere unterdrückst - das holt dich irgendwann ein." Schließlich Kühnert: Als Frau Wellmer ihn fragt, warum es in der Politik einfacher ist, sich zu outen, sagt er, dass die Politik auch nicht die bessere Welt ist: "Jetzt wollen wir es mal nicht schöner reden als es ist. Die Coming-outs von Wowereit und anderen waren ja nicht selten auch getrieben von Leuten, die gerade im Boulevardjournalismus hinterherrecherchiert haben und in Aussicht gestellt haben, zeitnah darüber zu berichten."

Eine fabelhafte Diskussion, leider um Mitternacht versenkt. Informativ, nachhaltig, null Gebrüll. Nur der zugeschaltete DFB-Präsident Fritz Keller fiel, wie er da vom Blatt ablas, ein wenig ab, war aber natürlich allerbester Absicht. In einer besseren Welt würde er sein Amt irgendwann trotzdem an jemanden wie Hitzlsperger weiterreichen.

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